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Anselm Kiefer: Biografie Lebenslauf und wichtigste Werke

Anselm Kiefer © Anselm Kiefer / Foto: Renate Graf.

Anselm Kiefer © Anselm Kiefer / Foto: Renate Graf.

Der deutsche Maler, Druckgrafiker und Buchkünstler Anselm Kiefer (* März 1945) provozierte bereits als Student Ende der 1960er Jahre Skandale, indem er das Schweigen über die NS-Vergangenheit brach. Bereits 1973 zeigte sich Kiefers Wunsch, nicht nur im Medium Malerei zu arbeiten, sondern diese Gemälde installativ einzusetzen. Er malte eine Serie, in der er Geschichte, Religion und die alten Mythen der Germanen sowie deren Symbole dem kollektiven Gedächtnis entnahm. Es finden sich Siegfried, Notung, die Nibelungen-Sage (13. Jahrhundert) in der Fassung von Richard Wagner (z. B. Brünhilde und Grane), die von den Nationalsozialisten für Propagandazwecke missbraucht wurden. Es brennen im blutgetränkten Teutoburger Wald ewige Flammen und Satan kriecht in Form einer Schlange und eines Unendlichkeitssymbols in „Resurrexit“ (1973). Die Doppeldeutigkeit der zerstörenden und reinigenden Flammen fasziniert Kiefer bis heute, hat er sich doch in „Athanor“ als kosmisches Feuer der Alchimisten wieder aufflackern lassen.

Den Lebenskreislauf, die Verbindung von allem mit allem in Universum, die Vergänglichkeit sind seit einigen Jahren die wichtigsten Themen des einst so skandalumwitterten Malers, Bildhauers, Installationskünstlers. Während er sich am Beginn seiner künstlerischen Laufbahn für die Geschichte, und hier vor allem die verdrängte, verschwiegene Geschichte Nazi-Deutschlands, interessierte, sind es seit Ende der 1980er Jahre Kabbala, Alchimie, Mythen und Erklärungen der Weltschöpfung. Seine Verwendung von Blei wurde Kiefers Markenzeichen.

Ehefrauen

  • ?: 1.⚭ -1992; Lehrerin. Als Anselm Kiefer nach Barjac übersiedelte, blieben seine Ehefrau und die drei Kinder in Deutschland.
  • Renate Graf (* Wien): 2. ⚭ -2014; österreichische Fotografin. Mutter von zwei Kindern.

Kinder

Anselm Kiefer hat fünf Kinder aus zwei Ehen.

  • Vergil
  • Elektra

Weitere Beiträge zu Anselm Kiefer

Literatur

  • Götz Adriani im Gespräch mit Anselm Kifer, in: Staatsgalerie Stuttgart, Deichtorhallen Hamburg (Hg.), Baselitz – Richter – Polke – Kiefer. Die jungen Jahre der Alten Meister (Ausst.-Kat. Staatsgalerie Stuttgart, 12.4.–11.8.2019; Deichtorhallen Hamburg, 13.9.2019–5.1.2020), S. 233–286.
  • Sabine Schütz, Anselm Kiefer – Geschichte als Material. Arbeiten 1969–1983, Köln 1999.

Biografie von Anselm Kiefer (* 1945)

  • 8.3.1945

    Anselm Kiefer wurde am 8. März als Sohn des Wehrmachtsoffiziers und Kunstlehrers Albert Kiefer und dessen Ehefrau Cilly im Luftschutzkeller eines Krankenhauses in Donaueschingen (Baden-Württemberg) geboren.
  • 1951

    Umzug die Familie ins badische Ottersdorf. Im nahegelegenen Rastatt besuchte Kiefer das Gymnasium. Frühe künstlerische Förderung durch den Vater.
  • 1963

    Gewann den Jean-Walter Preis und ein Reisestipendium. Kiefer entschied sich, per Autostopp auf den Spuren von Vincent van Gogh durch Holland, Belgien von Paris nach Lyon und weiter nach Arles zu gehen. Er führte ein Reisetagebuch mit vielen Skizzen, in dem er viele Landschaftszeichnungen und Porträts, mehr oder weniger im Stil van Goghs, machte (veröffentlicht). Jean Genet wurde prägend für spätere Werke.
  • 1965

    Studium der Rechtswissenschaften und Romanistik in Freiburg im Breisgau, das Anselm Kiefer jedoch nicht abschloss.
  • 1966─1968

    Studium der Malerei in Freiburg bei Peter Dreher und als Schüler von Horst Antes in Karlsruhe. Bezog 1968 sein erstes Atelier in Karlsruhe.
  • 1967

    Teilnahme an der Ausstellung „Wege 67. Deutsche Kunst der jungen Generation“ im Dortmunder Museum am Ostwall (21.1 –12.3.) - zum ersten Mal mit Richter und Polke.
  • 1969

    Abschluss des Studiums in Karlsruhe mit einer fotografischen Dokumentation der Performance „Besetzungen“ (Sommer/Herbst 1969) nannte. Um „konzeptuell die Identifikation mit den Tätern zu simulieren“ (Schütz 1999, S. 24) führte er in der Uniform seines Vaters in der Schweiz (Bellinzona, Küsnacht), Holland, Frankreich (Montpellier, Sète und Arles), Italien (Rom, Paestum, Pompeij, Neapel, Farnese-Palast in Caprarola) (parodierend) den Hitlergruß aus. Die Arbeit rief einen Skandal hervor und wurde von der Mehrheit der Professoren abgelehnt. Nur die Professoren Peter Dreher und Rainer Küchenmeister, die als Kommunisten deportiert waren, standen ihm bei. Publizierte eines der ersten Bücher „Unfruchtbare Landschaften“, „Für Jean Genet“ und „Heroische Sinnbilder“.
  • 1969─1972

    Fortsetzung des Kunststudiums bei Joseph Beuys in Düsseldorf, der an Kiefers kritischer Absicht bei dieser Aktion nicht zweifelte.
  • 1969

    Kiefer schuf Hefte und publizierte sie teilweise als Bücher: „Die Donauquelle“, „Die Frauen“, „Die Himmel“, „Scherben“, „Für Jean Genet“, „Die Überschwemmung Heidelbergs“, „Koll bei Kiefer“, „Du bist Maler“ sowie „Heroische Sinnbilder (symboles héroïques)“ (Sammlung Würth) und „Heroische Sinnbilder II (Montpellier)“. Der Titel „Heroische Sinnbilder“ ist einer Artikelüberschrift der Zeitschrift „Die Kunst im Deutschen Reich“ vom Februar 1943 entnommen
  • 1970

    Schuf 1969/70 eine Reihe von Gemälden, Gouachen ud Aquarellen, in denen er den einsamen Künstler mit Hitler-Gruß vor weiten Landschaften nochmals aufgriff (Sammlung Würth). Erste Einzelausstellung in der Galerie am Kaiserplatz in Karlsruhe: „Anselm Kiefer. Bilder und Bücher“ (3.–27.2.). Anselm Kiefer stellte die Produktion von Büchern zugunsten von Gemälden für vier Jahre ein (bis 1974).
  • 1971

    Umzug nach Odenwald, wo Kiefers erste Ehefrau eine Stelle als Lehrerin annahm. Kiefer richtete sein Atelier in einem ehemaligen Schulhaus in Hornbach ein. Teilnahme an der Aktion „Überwindet endlich die Parteiendiktatur - Rettet den Wald“ von Joseph Beuys und etwa 50 seiner Schüler im Wald von Grafenberg in der Umgebung von Düsseldorf. Um einen Teil des Waldes, der für einen Tennisclub gefällt werden sollte, zu schützen, arbeitete er mit der germanischen Mythologie und dem Geist des Waldes.
  • 1972

    Anselm Kiefer malte „Holzraum“ und „O, Du Lamm Gottes“.
  • 1973

    Arbeitete über die Nibelungen von Richard Wagner und die Edda. Anselm Kiefers berühmte Werke „Glaube, Hoffnung, Liebe“, „Vater Sohn hl. Geist“, „Der Nibelungen Leid“ und „resurrexit“ entstanden mit dem Dachboden des ehem. Hornbacher Schulhauses als Schauplatz christlicher, mythologischer oder historischer Inszenierungen. Stellte diese Gemälde in der Ausstellungsreihe „14 mal 14 Junge deutsche Künstler“ der Kunsthalle Baden-Baden vor (16.–29.3.). Georg Baselitz erwarb Bilder von Anselm Kiefer. Der Galerist Michael Werner zeigte „Notung“, eine Einzelausstellung von Anselm Kiefer in Köln (bis 1977, vertrat ihn bis 1979). Danach waren sie in der Schau „Der Nibelungen Leid“ im Goethe-Institut in Amsterdam (24.9.–13.10.) zu sehen.
  • 1974

    Die wichtigsten Werke des Jahresn sind: „Maikäfer flieg“, „Malerei der verbrannten Erde“, „Nero malt“, „märkische Heide“. Präsentierte „Parsifal“ (1973) in der Ausstellung „Bilanz einer Aktivität“ in der Galerie im Goethe-Institut/Provisorium in Amsterdam (mit Jochen Gerz, Georg Baselitz, Sigmar Polke, Arnulf Rainer, André Thomkins, A. R. Penck und Markus Lüpertz). Ausstellung „Heliogabal“ in der Galerie ’t Venster in Rotterdam (26.10.–21. 11.). Reise nach Norwegen.
  • 1975

    „Piet Mondrian – Unternehmen „Seelöwe““. Das Avantgarde-Magazin „Interfunktionen“ (Nr. 12), herausgegeben von Benjamin Buchloh, publizierte eine Auswahl von 18 Fotografien aus den „Besetzungen“, die erneut einen Skandal hervorriefen. Der lapidare Kommentar dazu lauftete: „Anselm Kiefer – Zwischen Sommer und Herbst 1969 habe ich die Schweiz, Frankreich und Italien besetzt. Ein paar Fotos:“ Schuf neun Bände der Bücher „Ausbrennen des Landkreises Buchen“ (1974/75), die in der Ausstellung „Anselm Kiefer, Bücher“ in der Galerie Michael Werner in Köln zu sehen waren.
  • 1976

    „Donald Judd hides Brünhilde“. Drei Monate Aufenthalt in der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom.
  • 1977

    Publizierte „Nothung“. Mit 25 Bildern und sechs Büchern fand Anselm Kiefers erste Retrospektive in dem von Dorothea von Stetten geleiteten Bonner Kunstverein statt (17.3.–24.4.), incl. der erstem Monografie über Anselm Kiefer von Evelyn Weiss und Dorothea von Stetten. Teilnahme an der 6. Documenta in Kassel: „Metamorphosen der Bücher. Konzept-Bücher“, „Unternehmen „Seelöwe““ (1975) und „Die Überschwemmung Heidelbergs“ (1969). Kiefer begann an dem aus zahlreichen Porträt-Holzschnitten ehemlas populärer Autoren ein Buch zusammenzustellen: „Die Hermanns-Schlacht“ (1977/1979) thematisiert die schleichende Pervertierung der romantischen Identifikationsfiguren.
  • 1978

    Der Einsatz von Blei wurde sukzessive ein Markenzeichen von Anselm Kiefer. Publizierte „Die Donauquelle“. Einzelausstellungen: „Anselm Kiefer: Bilder und Bücher“ mit „Wege der Weltweisheit“ (1976), „Noch ist Polen nicht verloren“ (1975) und „heroische Sinnbilder“ (1969-1971) in der Kunsthalle Bern, „Wege der Weltweisheit – Die Hermannsschlacht“ (12.5.-16.6.) in der Düsseldorfer Galerie Maier-Hahn.
  • 1980

    Schuf den monumentalen Holzschnitt „Wege“ (1977/1980). Anselm Kiefer vertrat die BRD bei der 39. Biennale von Venedig (gemeinsam mit Georg Baselitz „Modell für eine Skulptur“ (1979-1980), Kurator Klaus Gallwitz), wo er die Bundesrepublik Deutschland mit der Ausstellung „Verbrennen, Verholzen, Versenken, Versanden“ vertrat. „Deutschlands Geisteshelden“ (1973), „Parsifal“ und vier Versionen von „Wege der Weltweisheit: die Hermannsschlacht“ riefen erneut einen Kunstskandal aus. Kiefers Werk begann internationales Echo und nationalen „Skandal“ hervorzurufen.
  • 1981

    Publizierte „Kyffhäuser“ (1980-1981); stellte erstmals bei Marian Goodman in New York aus. Einzelausstellung im Museum Folkwang, Essen „Margarethe - Sulamith (30.10.-6.12.). In „Innenraum“, „Dem unbekannten Maler“ (1983), „Die Treppe“ (1982-1983), „Die Säulen“ (1983) setzte er die Architektursprache des Dritten Reiches ein (Albert Speer, Wilhelm Kreis). Nutzte ein ehemaliges Fabrikgebäude in der baden-württembergischen Kreisstadt Buchen als Atelier.
  • 1982

    Teilnahme an der Gruppenausstellung „Zeitgeist – Internationale Kunstausstellung Berlin“ (16.10.1982-16.1.1983) im Martin-Gropius-Bau und dem Neuen Berliner Kunstverein, kuratiert von Christos M. Joachimides und Norman Rosenthal. Umzug in ein neues Atelier in Buchen (in eine alte Garage).
  • 1983

    Die Thematik der Alchemie tauhte in einigen Gemälden von Kiefer auf, wie „Athanor“ (1983 und 1984). Blei, als Material des Saturn und erster Stoff der Alchemie, wird sein wichtigstes Material.
  • 1984

    Einzelausstellung „Anselm Kiefer“ mit Gemälden, Aquarellen und Büchen in der Städtischen Kunsthalle in Düsseldorf (24.3.-5.5.) und dem Musée d’art moderne de la Ville de Paris und dem Israel Museum in Jerusalem. Sowohl in Frankreich wie in Israel wurden die Werke von Kiefer entgegen so manchen Kritikermeinungen gut aufgenommen.
  • 1985

    Erwarb das Blei vom Dach des Kölner Doms, das er für einige seiner Werke weiterverarbeitete, wie „Zweistromland. The High Priestess“.
  • 1986

    Erhielt für „Midgard“ (1980–1985) den Carnegie Preis vom Carnegie Museum of Art in Pittsburgh, das Werk wurde angekauft. Einzelausstellung im Stedelijk Museum Amsterdam.
  • 1987

    Vertrat die BRD auf der 19. Biennale de São Paolo (Kommissär: Armin Zweite). Auf der Reise nahm Anselm Kiefer viele Fotografien von der Stadt auf, die er in „Lilith“ (1987–2000) verarbeitete. Einzelausstellung im Art Institute of Chicago (5.12.1987-31.1.1988), Philadelphia Museum of Art, Museum of Contemporary Art in Los Angeles und im Museum of Modern Art, New York (bis 1989), sowie der Kunsthalle Bern (6.10.-19.11.). Einzelausstellung bei Marian Goodman in New York, erste Ausstellung in Warschau.
  • 1988

    Kaufte die ehemalige Ziegelei in Höpfingen bei Heidelberg, wo er ein umfassendes Kunstpark-Projekt „Zweistromland“ plante, benannt nach seiner gleichnamigen Installation.
  • 1989

    In Polen setzte er den Film „Noch ist Polen nicht verloren“ um. Anselm Kiefer präsentierte in der Galerie Paul Maenz in Köln „Der Engel der Geschichte – Mohn und Gedächtnis“ (17.11.1989-13.1.1990). „Zweistromland“ (1986–1989, zweiflügeliges Regal mit Bleibüchern).
  • 1990

    Im September Teilnahme Kiefers an der Eröffnungsausstellung des neuen Gebäudes des Israel Museum in Jerusalem „Life-Size. A Sense of the Real in Recent Art“. Diese Reise führte Kiefer näher an die jüdische Mystik. Das zeigte sich in der Bleibibliothek mit dem Titel „Chevirat Ha-Kelim [Der Bruch der Vasen]“, die sich auf den Schöpfungsmythos der Kabbala bezieht. Im Mai verlieh ihm die Knesset (Jerusalem) den Preis der Wolf Foundation für seine Arbeit über Menschlichkeit und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Völkern. Weiters erhielt er den Kunstpreis der Stadt Goslar (D) wo er im Kloster mit „Johannis-Nacht“ eine ständige Installation schuf. Es ist die erste außerhalb von Kiefers Atelier! Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen „Anselm Kiefer Bücher 1969–1990“ (29.9.-18.11.)
  • 1991

    Dreijährige Malpause und Reisen durch Nepal und Thailand, nach China, Korea, Australien, Japan und Mexiko, Guatemala. Kiefer widmete sich nun dem Fotografieren und dem Schreiben. Ende der ersten Ehe. Die BBC drehte eine Dokumentation über ihn. Kiefer entwickelte einige Aktionen für diese Aufnahmen wie „Lion de Mer“ über die militärische Invasion der Deutschen in England am Beginn des Zweiten Weltkriegs.
  • 1992

    Kiefer verließ Deutschland (ohne seine Ehefrau und die drei Kinder) und übersiedelte nach Barjac in Südfrankreich (in der Nähe von Nîmes). Er wählte eine alte Seidenweberei, die er „La Ribaute“ nannte. Er baute Barjac zu einem Gesamtkunstwerk aus. Auf den 25 Hektar Land renovierte Kiefer das Hauptgebäude, baute Tunnel und Übergänge, ein Amphitheater, „Häuser“, die als Behälter seiner Werke dienen und Türme aus Beton. Der Rhythmus seiner Ausstellungen verlangsamte sich dadurch notgedrungen, da diese Phase auch durch neue Reisen über die ganze Welt gekennzeichnet ist (USA, Thailand, Australien und Indonesien).
  • 1993

    Aufenthalt in Indien, Besuch von Assam, Nationalpark von Kaziranga, die Vogelheiligtümer von Manas und Jatinga, die Tempel von Gawahati; weiter nach Japan, wo das Sezon Museum of Art in Tokyo, das Kyoto National Museum of Modern Art und in Hiroshima das City Museum of Contemporary Art ihm eine Ausstellung widmeten. Ende des Jahres Reisen nach China, Pakistan und Nepal. Bezog das weitläufige Areal der aufgelassenen Seidenspinnerei La Ribaute im südfranzösischen Barjac, wo Anselm Kiefer einen riesigen Kunstbereich einrichtete.
  • 1994/95

    Kiefer bereiste Europa und die USA.
  • 1996

    Anfang des Jahres zweite Reise Kiefers nach Indien, während dessen er die wichtigsten Städte des Landes besuchte, hielt sich in Ägypten und Marokko auf. Die Fotografien von verschiedenen Architekturen gingen in die nun entstehenden riesigen Gemälde ein. Kiefers Werke, im Gegensatz zu jenen der 1980er Jahre, stellten reale Architekturen frontal dar und sie scheinen aus den gleichen Werkstoffen gefertigt zu sein. Zwei Typen dominierten diese Phase: die Pyramide, Echo seines Aufenthaltes im Jemen, Mexiko und Ägypten, und Backsteinbauten aus Südindien. Anselm Kiefer entwickelte über diese Ruinenarchitekturen eine Poesie der vergangenen Zeit, des Verschwindens und der Melancholie. In Barjac begann er eine Serie, für die er heute sehr bekannt ist, die Sternenbilder. Diese Gemälde, wie „Für Ossip Mandelstam. Das Rauschen der Zeit“ (1996) oder „Sternenfall“ (1998) beinhalten zahlreiche Referenzen auf die Klassifikation der Sterne mit Nummern, um ihre Entfernung zur Erde auszudrücken. Die Person von Robert Fludd erschien außerdem in seiner Arbeit: Kiefer widmete ihm viele Bücher und Gemälde. Fludds Theorie über die Beziehung von Makrokosmos und Mikrokosmos erschien in „Utriusque cosmi maioris scilicet et minoris metaphysica, physica atque technica Historia“ (1617–1624) und wurde von Kiefer für diesen Fragestellung zum Verhältnis von Mensch und Universum herangezogen.
  • 1997

    Das Museo Correr in Venedig präsentierte die Retrospektive „Anselm Kiefer: Himmel-Erde“ (Juni bis November), die Germano Celant organisierte. Gleichzeitig nahm Kiefer an der 47. Architektur-Biennale teil. Er stellte zwei Bücher aus: „For Robert Fludd“ (1996) und „L’Auvergne“ (1996), weiters das großformatige Gemälde „Dein und mein Alter und das Alter der Welt“ (1997).
  • 1998

    Das Metropolitan Museum in New York erwarb ein Ensemble von 54 Arbeiten auf Papier, die in der Ausstellung „Anselm Kiefer. Works on Paper, 1969–1993“ präsentiert wurden.
  • 1999

    Erhielt den Praemium Imperiale, den Preis der japanischen Künstlervereinigung, für sein malerisches Werk (gleichzeitig Louise Bourgeois für Skulptur, Fumihiko Maki für Architektur, Oscar Peterson für Musik und Pina Bausch für Theater und Film)
  • 2000

    Während des Festival d’automne in Paris wurde Anselm Kiefer die Kapelle Saint-Louis de la Salpêtrière anvertraut, wo er die Intervention „Chevirat Ha-Kelim/Le Bris des vases“ als Referenz auf die Kabbala (entwickelt von Isaac Louria zur Schöpfung der Welt und dem Dogma des Tzimtzum). Kiefer entwickelte die Idee dieses Dogmas als künstlerischem Schöpfungsakt auf sechs monumentalen Gemälden: „Chevirat Ha-Kelim“, Tzimtzum“, „Tikkoun“, „Émanation“, „Sefiroth“ und „Die Ordnung der Engel“ stellte er ein neues Werk aus der Serie „20 Jahre Einsamkeit“ dazu, etwa 30 weiße Bücher mit Spuren von Sperma, Zeichen, handgeschriebenen Notizen, auf Sockeln aus Bleilaub im Presbyterium der Kapelle.
  • 2003

    Schuf das Bühnenbild für Sophokles‘ „Ödipus auf Kolonos“ am Burgtheater Wien und „Elektra“ am Teatro di San Carlo in Neapel (Inszenierungen von Klaus Michael Grüber). Die Société des amis du musée national d’art moderne schenkte anlässlich ihres hundertjährigen Bestehens zehn Gemälde mit dem Titel „La Vie secrète des plantes“ (2001/02), die 2002 in der Galerie Yvon Lambert in Paris präsentiert worden waren.
  • 2004

    Zur Eröffnung der Fondazione Hangar Bicocca in Mailand schuf Anselm Kiefer die permanente Installation „I Sette Palazzi Celesti“, erneut eine Bezugnahme auf die sieben Paläste in der hebräischen Tradition von Sefer Hechaloth. Sie besteht aus sieben Betontürmen mit dem Gewicht von 90 Tonnen und einer Höhe von 14 bis 18 Meter. „Anselm Kiefer“ im Museo Archeologico Nazionale in Neapel, organisiert von Eduardo Cicelyn und Mario Codognato.
  • 2005

    Einzelausstellungen in Nord-Amerika im Fort Worth Museum of Modern Art, Texas, im Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in Washington, DC, im San Francisco Museum of Modern Art und im Musée d’art contemporain in Montréal. White Cube in London stellte die aktuellsten Arbeiten von Kiefer aus, der sich vom russischen Autor Vélimir Khlebnikhov inspirieren ließ. Kiefer erhielt das Ehrenkreuz der BRD und das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst.
  • 2007

    Anselm Kiefer gab sein Atelier in Südfrankreich auf und siedelte in ausgedienten Lagerhallen des Pariser Kaufhauses La Samaritaine in Croissy-Beaubourg vor den Toren von Paris. Im Mai war er der erste Künstler, der an der Monumenta teilnahm, die jedes Jahr einen zeitgenössischen Künstler einlädt, ein Original für Hauptschiff des Grand Palais in Paris zu schaffen. Mit der Intervention „Sternenfall“ würdigte Anselm Kiefer die Schriftsteller Paul Celan und Ingeborg Bachmann. Im Herbst bezog er sein neues Atelier in Marais. Im Oktober Eröffnung des Werks „Athanor“ (14 x 4 Meter) und die beiden Skulpturen „Danae“ und „Hortus Conclusus“ im Musée du Louvre, Ägyptische Abteilung (Sully Flügel, Nordstiege, erster Stock der Kolonnade).1. Umzug in ein Atelier im Pariser Vorort Croissy-Beaubourg in den Lagerhallen eines ehemaligen Pariser Kaufhauses, die 36.000 Quadratmeter umfassen.
  • 2008

    Anselm Kiefer drehte „Merkaba, Türme“, einen Film über La Ribaute und seine Beton-Türme. Gewann den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels auf der Frankfurter Buchmesse. Kaufte ein weiteres Lager in Croissy-Ost.
  • 2009

    Operndirektor Gerard Mortier beauftragte Kiefer und den deutschen Komponisten Jörg Widmann für das 20jährige Jubiläum der Neueröffnung der Pariser Opéra Bastille mit der visuellen und musikalischen Performance „Am Anfang“. Kiefer schrieb, inszenierte, entwarf die Kostüme und das Bühnenbild. Erhielt in Paris den Adenauer-de Gaulle-Preis.
  • 2010

    Im Wintersemester 2010/2011 lud ihn das berühmte Collège de France zu Vorlesungen ein. Seither lehrt er dort als Professor. Sein Antrittssemester war unter das Thema „L’art survivra à ses ruines“ gestellt, die Vorlesungen hielt er gemeinsam mit Olivier Kaeppelin, Roland Recht, Danièle Cohn, Germano Celant, Daniel Buren und Antoine Compagnon.
  • 2011

    Kiefer wurde von Kulturminister Frédéric Mitterrand zum Commandeur de l’Ordre des arts et lettres geschlagen.
  • 2012

    Nach vielen Zusammenarbeiten mit der Galerie Gagosian in New York, Los Angeles und Rom, weihte Anselm Kiefer die neuen Galerieräumlichkeiten in Bourget bei Paris mit der Schau „Morgenthau Plan“ ein. Im Titel bezog er sich auf einen nie verwirklichten Plan des amerikanischen Finanzministers Henry Morgenthau, der vorschlug, Deutschland zu entindustrialisieren und in eine Agrarregion zu verwandeln. Der Künstler setzte diese historische Episode in großformatigen Gemälden voller blühender Landschaften um. Die Galerie Thaddaeus Ropac präsentierte in Pantin „Die Ungeborenen“.
  • 2014

    Im Juni stellte Kiefer anlässlich der Wiedereröffnung des Mönchehaus Museum Goslar „Johannis-Nacht“ aus. Im September eröffnete die Royal Academy of Arts in London eine Retrospektive. Gemeinsam mit Alexander Kluge drehte er die Dokumentation „Anselm Kiefer in Barjac“, wo Kiefer eine Residency eröffnete. Der erste Eingeladene ist Wolfgang Laib, der für seine spektakulären Installationen aus Bienenwachs und Pollen bekannt ist. Scheidung von seiner zweiten Ehefrau, der österreichischen Fotografin Renate Graf.
  • 2015

    Im März eröffnete die Galerie Thaddaeus Ropac in Salzburg „Im Gewitter der Rosen“, für die sich Anselm Kiefer von Gedichten Ingeborg Bachmanns „Im Gewitter der Rosen“ (1953), der mittelalterlichen Liebeslyrik „Under der Linden“ (um 1170–1230) von Walther von der Vogelweide und Arthur Rimbauds „Le Dormeur du val“ (1870) inspirieren ließ. Stellte in der Galerie White Cube in São Paulo (April) aus. Im Oktober eröffnete die BNF-François Mitterrand „Anselm Kiefer – L’Alchimie du Livre“ mit den Künstlerbüchern Kiefers (1968 bis heute). Im Dezember Eröffnung der Retrospektive „Anselm Kiefer“ im Centre Pompidou, der ersten in Frankreich seit 1984 im Musée d’art moderne de la Ville de Paris..
  • 2015/16

    Zum 70. Geburtstag richten die Albertina, das Centre Pompidou, die Bibliothèque Nationale in Paris und das Museum der bildenden Künstle Leipzig Anselm Kiefer eine vierteilige Retrospektive aus.
  • 2018

    Anselm Kiefer wurde österreichischer Staatsbürger (Januar).
  • 2019

    Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart und den Deichtorhallen in Hamburg: „Baselitz - RIchter - Polke - Kiefer. Die jungen Jahre der Alten Meister“ (2019/20)
  • 2021

    „Anselm Kiefer. Pour Paul Celan“ im Grand Palais Éphémère, Paris, anlässlich der Übernahme der EU-Präsidentschaft durch Frankreich (16.12.2021–11.1.2022).
  • 2023

    Einzelausstellung „Finnegans Wake“ in der White Cube Gallery in London. Anselm kiefer erhielt den mit 30.000.-€ dotierten Deutschen Nationalpreis 2023. Der Künstler gibt das Preisgeld an die Empfänger des diesjährigen Förderpreises, die Jugendorchester-Projekte Hangarmusik und Démos aus Berlin und Paris weiter. Im Herbst kommt die Dokumentation „Anselm - Das Rauschen der Zeit“ von Wim Wenders ins Kino (12.10.). Am 8. November präsentiert die Wiener Staatsoper den neuen, von Anselm Kiefer gestalteten Eisernen Vorhang.
  • 2024

  • Anselm Kiefer lebt und arbeitet in Paris
  1. Neben Anselm Kiefer wurden Cy Twombly für den Bronzesaal und François Morellet für die Stiege Lefuel beauftragt.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.