Antonella da Messina (um 1430–1479) war ein führender Maler der italienischen Frührenaissance und führte als einer der ersten Künstler die flämische Technik der Ölmalerei ein (→ Renaissance). Der um 1430 in Sizilien geborene Maler dürfte vermutlich die Ölmalerei in Neapel erlernt haben. Bereits der „Salvator Mundi“ in London, das erste mit 1465 datierte Werk Antonellos, zeigt die Beherrschung der Technik.
Österreich / Wien: Kunsthistorisches Museum
Der für die Kirche San Cassiano in Venedig geschaffene Altar wurde von seinen Zeitgenossen bewundert und beeinflusste die Künstler der Serenissima, unter anderem Giovanni Bellini und Tizian. 1620 wurde die ursprünglich hochrechteckige Tafel zersägt, wodurch der ehemalige Eindruck der vielfigurigen Sacra Conversazione im Innenraum einer Kirche verloren ging. 1636 wurde die Tafel im Besitz des Kunsthändlers und Sammlers Bartolomeo della Nave (gest. 1636) in Venedig dokumentiert und gelangte über die Sammlung des schottischen Aristokraten James Hamilton, I. Duke of Hamilton (1606–1649), in die Niederlande, wo sie 1659 von Erzherzog Leopold Wilhelm erworben wurde.
Der Patrizier Pietro Bon beauftragte Antonello da Messina mit der Ausführung dieses bedeutenden Altars, was dieser in acht Monaten zwischen August 1475 und Anfang April 1476 auch tat. Die Daten sind in einem Brief des Auftraggebers an Galeazzo Maria Sforza vom 16. März 1476 überliefert. In diesem Schreiben entschuldigt Bon Antonellos späte Abreise nach Mailand, da die Pala di San Cassiano noch nicht vollendet worden war.
Erhalten sind in Wien drei Fragmente mit der thronenden Madonna mit Kind sowie den Heiligendarstellungen darunter flankierend. Die vier heute noch erhaltenen Heiligen stellen von links nach rechts den hl. Nikolaus, die hl. Maria Magdalena, die hl. Ursula und den hl. Dominikus dar. Ursprünglich waren acht Heilige (hl. Georg in Rüstung links außen und der hl. Sebastian rechts) – je vier links und rechts – rund um den Thron angeordnet und ganzfigurig zum „heiligen Gespräch“, so die wörtliche Übersetzung des italienischen Begriffs „sacra conversazione“ zusammengestellt. Von der einst die Gruppe vereinenden Vierung ist heute nichts mehr sichtbar. 1928 hat Johannes Wilde vorgeschlagen, die Raumordnung an die „Pala di Montefeltro“ (1466–1474, Brera) von Piero della Francesca anzulehnen, die Szene jedoch mit einer Kuppel zu bekrönen. Der dritte in den 1470er Jahren gemalte Altar, der die Trias der bedeutendsten Bilder dieses Jahrzehnts vollendet, war ein nicht erhaltener Altar für eine venezianische Kirche von Giovanni Bellini, der von Kopien bekannt ist. Alle drei behandeln die Raumdarstellung als Erweiterung des Kirchenraums in die Komposition des Gemäldes.
Das Christuskind hat seine Linke auf ein aufgeschlagenes Buch gelegt und segnet mit seiner Rechten. Die Madonna hält in ihrer offenen Hand einige rote Kirschen, was Antonello da Messina bereits in den Fragmenten zum „Polyptychon von San Gregorio“ (1473, Messina) eingesetzt hat und als ein Symbol für den späteren Opfertod zu deuten ist. Bereits Berenson beschrieb die ungeheure Auswirkung, die diese Komposition mit ihrer reichen Stofflichkeit, ihren Verkürzungen, ihrer Räumlichkeit auf Künstler wie Giovanni Bellini (in der Pala di San Giobbe), Cima da Conegliano, Giorgione und Albrecht Dürer (Madonnengesichter). Stilistisch wie technisch bezog sich Antonello da Messina auf flämische Vorbilder von Jan van Eyck bis Hans Memling. Als er diesen Altar im Herbst/Winter 1475/76 malte, hielt sich der Maler aus Messina (Sizilien) wohl bereits das zweite Mal in Venedig auf.
Der aus dem Bildraum Blickende hl. Nikolaus links im Vordergrund ist in einen kostbaren, mit Goldstickereien versehenen Ornat gekleidet, trägt einen Bischofsstab, eine Mitra und hält in seiner rechten, behandschuhten Hand ein in rotes Leder gebundenes Buch, auf dem drei goldene Kugeln platziert sind. Sowohl der bestickte Ornat wie auch die Schließe sind mit äußerster Sorgfalt und Präzision gemalt, so wie sie nur mit Hilfe der Ölmalerei und der flämischen Maltechnik zu erreichen sind. Diese Handhabung von Material und Technik sowie die Komposition als Ganzes wurde in ganz Italien gerühmt und fand viele Nachfolger. Antonello da Messina kehrte als geachteter Mann nach Sizilien zurück, wo er drei Jahre später verstarb.
Bei dem im linken Bildvordergrund dargestellte Heiligen handelt es sich um Nikolaus von Myra (Bari). Geboren 270 im kleinasiatischen Lykien entschied er sich für das Priestertum und wurde zum Bischof von Myra ernannt, wo er um 342 verstarb. Sein Wirken fiel in die Zeit des Endes der Christenverfolgung und den Beginn der Anerkennung dieser neuen Religion, die durch den ab 313 regierenden Kaiser Konstantin (272–337) Unterstützung fand. Die von Plinius und Strabo beschriebene Stadt Myra war von einer fruchtbaren Landschaft umgeben und stellte kulturell ebenso wie durch regen Handel ein wichtiges Zentrum dar. Zu Ehren des Heiligen wurden mehrere Gebäude errichtet, bis im 9. und 11. Jahrhundert die Sarazenen die Siedlung zerstörten und damit den langsamen Niedergang Myras einleiteten. Schließlich wurden im Jahr 1087 wurden seine Reliquien nach Bari in Apulien verbracht und eine neue Grabeskirche errichtet, San Nicola.
Aufgrund seiner Mildtätigkeit ist Nikolaus einer der beliebtesten Heiligen, der von der Westkirche und der Ostkirche gleichermaßen verehrt wird. Unter den vielen Wundertaten, die man ihm seit dem Mittelalter zuschreibt, ist die Jungfrauenlegende eine der berühmtesten Erzählungen. Antonello da Messina stellte den Heiligen mit jenen Symbolen dar, die die Geschehnisse andeuten. Diese wertvollen Gegenstände soll Nikolaus verwendet haben, um die drei Töchter eines armen Mannes zu beschützen. Der Vater sah aufgrund der Armut keine Alternative, als die Mädchen zur Prostitution zu zwingen. So warf der aus einem reichen Haus stammende Nikolaus drei goldene Kugeln an drei aufeinanderfolgenden Nächten durch das Fenster des Mannes. Er ermöglichte damit die Heirat der Töchter.
Die Einwohner Baris ehren den Heiligen noch heute mit einer lebensgroßen, im 17. Jahrhundert geschaffenen Skulptur mit drei Säcken Gold, die an seinem Festtag durch die Stadt getragen wird. Nikolaus gilt als Überbringer von Geschenken, als Patron der Seefahrer und der Kaufleute.