Christian Krohg
Wer war Christian Krohg?
Christian Krohg (Vestre Aker 13.8.1852–16.10.1925 Oslo) war ein norwegischer Maler, Autor und Journalist zwischen Naturalismus 1875-1918 und Impressionismus. Christian Krohg war Mitglied der Künstlergemeinschaft der Skagen-Maler und übte einen erheblichen Einfluss auf die dänische Malerin Anna Ancher aus. Krohgs Stil machte ihn zu einer führenden Persönlichkeit im Übergang von der Romantik zum Naturalismus. Außerdem spielte er eine aktive Rolle in dem, was oft als „Durchbruch der Moderne“ in Skandinavien bezeichnet wird, eine literarische Bewegung, die Politik, Ästhetik und Ethik in dem Versuch zusammenführte, Veränderungen in der Gesellschaft zu bewirken. Mit seinem Roman „Albertine“ und dem gleichnamigen Gemälde wurde Krohg zu einem Vorreiter der Moderne und einem Vorbild für Edvard Munch. Zudem war er Direktor und erster Professor an der Norwegischen Akademie der Künste von 1909 bis 1925.
Kindheit und Ausbildung
Christian Krohg wurde am 13. August 1852 in Vestre Aker bei Oslo (heute Oslo), Norwegen, geboren. Er war eines von fünf Kindern des Beamten, Journalisten und Autors Georg Anton Krohg (1817–1873) und Sophie Amalia Holst (1822–1861). Sein Großvater war Christian Krohg (1777–1828), der als Regierungsminister gedient hatte. Krohgs Mutter starb, als er erst 8 Jahre alt war, und die Schwester seines Vaters übernahm die Verantwortung für den Haushalt und die Erziehung der Kinder. Ab 1861 besuchte Christian Krohg die Hartvig-Nissen-Schule.
Da sein Vater ihn gebeten hatte, eine juristische Laufbahn einzuschlagen, studierte Krohg zunächst Rechtswissenschaften an der Universität Oslo (damals Christiania). Er schloss sein Studium im Jahr 1873 als cand.jur ab. Im selben Jahr starb sein Vater.
Sein Interesse für Kunst stieg durch seine Freundschaft mit Eilif Peterssen (1852–1928). Von 1869 bis 1870 hatte er auch an der Kunstschule von Johan Fredrik Eckersberg in Lille Grensen in Christiania studiert. Im Jahr 1874 zog Christian Krohg nach Deutschland und studierte Kunst, zunächst an der Großherzoglich Badischen Kunstschule in Karlsruhe bei Hans Fredrik Gude (1825–1903), wo er Max Klinger (1857–1920) kennenlernte. Ab 1875 erhielt er auch eine Ausbildung bei Karl Gussow. Von 1875 bis 1878 war Krohg an der Königlichen Akademie in Berlin eingeschrieben.
Werke
Christian Krohg in Skagen
Christian Krohg erhielt das Schäffer-Vermächtnis (1876/77) und 1877/78 wie auch 1881 staatliche Reisekostenzuschüsse. Auf Anregung des Künstlers Frits Thaulow (1847–1906) besuchte er erstmals die Künstlerkolonie Skagen. In den Jahren 1882 bis 1884 sowie 1888 kehrte er nach Skagen zurück.
Krohgs Aufenthalt im kleinen dänischen Dorf Skagen im Jahr 1879 hinterließ einen bleibenden Eindruck. Die meisten Künstler:innen, die nach Skagen strömten, wollten die Landschaft und das Licht einfangen. Krohg hingegen malte lieber die Menschen, die dort lebten, und ihr einfaches Leben. Eine besonders enge Bindung hatte er mit der Familie Gaihede. Krohg malte viele Motive, die ihren Alltag darstellen, darunter die ältesten Mitglieder der Familie, Ane und Niels Gaihede, beim Brotschneiden, beim Ausbessern von Fischernetzen oder beim Ausruhen. Ihre Kinder und Enkelkinder werden beim Schlafen, beim Flechten von Haaren oder beim Wachen über ein krankes Kind dargestellt.
Durch seinen regelmäßigen zukünftigen Aufenthalt in Skagen beeinflusste er andere Künstler, darunter Anna Ancher und Michael Ancher, und unterstützte Edvard Munch schon früh.
Paris
Christian Krohg reiste von 1881 bis 1882 nach Paris, wo er stark durch die Kunst von Édouard Manet (1832–1883) und dem Impressionismus beeinflusst wurde. Er hatte lebenslang eine enge Beziehung zu Frankreich und beschäftigte sich auch nach diesem ersten Kontakt u.a. intensiv mit dem französischen Naturalismus.1
Seine Begegnung mit der französischen Kunst lässt sich in einigen der späteren Werke aus seiner Zeit in Skagen erkennen, beispielsweise in dem Werk „Trett“ (1885) und „En mor flitter sin lille datters hår“ (1888), in welchem Mutter und Tochter den Betrachter:innen auf ungewöhnliche Weise den Rücken zukehren. Krohgs deutlich hellere Farbpalette, die breiten Pinselstriche sowie die kontrastierenden Blau-, Rot- und Grüntöne geben dem Bild eine starke Tiefenwirkung.
Von 1901 bis 1909 lebte Krohg hauptsächlich in Paris, wo er an der Académie Colarossi lehrte. Inspiriert von den neuen Trends der Zeit änderte Krohg seinen präzisen, realistischen Stil zu einem Ansatz, der durch diffusere Formen und lockerere Pinselstriche gekennzeichnet war. In seinen Motiven waren die Modelle des Künstlers prominenter als zuvor.
Kristiania Boheme
Anfang der 1880er Jahre begann sich eine Gruppe junger Künstler, Schriftsteller und Intellektueller in den Cafés der Hauptstadt zu treffen. Sie rebellierten gegen die vorherrschende Gesellschaftsstruktur und diskutierten lautstark über Moral, Sex, Drogen und freie Liebe. Die Mitglieder der Gruppe waren in der Presse, als Dichter und Romanautoren aktiv.
Krohg und der Schriftsteller Hans Jæger waren die führenden Persönlichkeiten dieser Gruppe der „Bohemiens von Kristiania“. Krohg und Jæger gründeten gemeinsam die Zeitung „Impressionisten [Der Impressionist]“ (1886–1890). Darin stellte Jæger seine neun Gebote vor, die Lebensregeln für einen guten Bohemien.
Eines der Mitglieder der Gruppe war Oda Engelhart, die Krohg 1888 heiratete. Christian und Oda Krohg waren die Eltern des Künstlers Per Krohg und die Großeltern des Künstlers Guy Krohg.
In seinem Artikel „Om det ene fornødne i kunsten [Über das eine Notwendige in der Kunst]“ (1888) stellte Christian Krohg fest, dass der Künstler seine Werke für das Volk schaffen müsse. Denn wenn die Kunst für die Demokratie wichtig sein und als lebendiges Glied in der Kulturentwicklung wirken soll, dann muss der Künstler ein Zeuge seiner Zeit sein:
„[Es ist] notwendig, dass der Künstler mit dem, was er schafft, nicht allein ein Kind der Zeit ist, in der er lebt, sondern fast des Tages, an dem er lebt. Was nicht bedeutet, dass das Motiv aus den Ereignissen der letzten Tage stammen muss, sondern […] Der gleiche Pulsschlag, der dem ganzen großen Leben gemeinsam ist, das wir die Gegenwart nennen, der muss ein wenig in dem Kunstwerk zu spüren sein, wenn es Bedeutung für die Gegenwart haben soll.“2
Müde
Eines von Krohgs frühesten sozial ausgerichteten Motiven ist seine Darstellung der Näherin, die bei der Arbeit eingeschlafen ist: „Trett [Müde]“ (1885, Nationalmuseum für Kunst, Architektur und Design, Oslo). In mehreren Versionen hat er ein junges Mädchen dargestellt, das die ganze Nacht damit verbracht hat, an einem Auftrag zu nähen, und dann an seiner Nähmaschine eingeschlafen ist. Das Licht vom Fenster neben ihr zeigt, dass der Tag bereits wieder angebrochen ist. Wir begegnen der Näherin wieder in einem von Krohgs wichtigsten Projekten, seiner Geschichte über Albertine, an der er zur gleichen Zeit arbeitete.
Albertine im Wartezimmer des Polizeiarztes
Sein Gemälde „Albertine i politilægens venteværelse [Albertine im Wartezimmer des Polizeiarztes]“ (1885–1887, Nationalgalerie Oslo) zeigt eine Szene aus seinem Roman „Albertine“ (1886), in dem das Thema Prostitution behandelt wird: Albertine ist ein armes junges Mädchen, das von einem Polizisten vergewaltigt und anschließend der Prostitution angeklagt wird. In dem monumentalen Gemälde zeigt er, wie seine Heldin gezwungen wird, im Wartezimmer des Polizeiarztes zu erscheinen – zusammen mit den Prostituierten. Albertine hält sich für eine demütigende Unterleibsuntersuchung dort auf, um sich auf Geschlechtskrankheiten untersuchen zu lassen. Damit wird sie als Prostituierte abgestempelt. Gleichzeitig setzte sich Krohg zugleich detailliert mit dem erotischen Bewusstsein der jungen Frau auseinander.3
Obwohl Prostitution in Norwegen gesetzlich verboten war, gab es eine Behörde, die die Prostituierten kontrollierte, unter anderem mussten sie sich von einem Polizeiarzt auf Geschlechtskrankheiten untersuchen lassen. Der Umgang mit Prostitution durch den Staat war also im besten Fall durch eine Doppelmoral geprägt, die Christian Krohg in Buch und Gemälde angriff. Er kritisierte den Umgang mit den Frauen, indem er für Albertine Partei ergriff. Das Erscheinen des Buchs löste einen Skandal aus; es wurde zunächst beschlagnahmt und verboten.
Als „Albertine im Wartezimmer des Polizeiarztes“ im März 1887 zum ersten Mal ausgestellt wurde, löste das Gemälde einen Skandal aus, heute wird es als Hauptwerk des Realismus gewertet. Das Werk erregte viel Aufmerksamkeit sowohl in der Bourgeoisie als auch in der Arbeiterklasse. Es löste eine hitzige Debatte aus, die weit auseinander gehende Ansichten aufdeckte.
Krohg stellte maßstabsgetreu eine Alltagssituation unter den Prostituierten der Stadt dar. Es ist, als hätte der Maler die Wand des Wartezimmers in der Møllergata eingerissen, womit er ein Tabu bricht. Christian Krohg war offenbar furchtlos und wollte eine gesellschaftliche Debatte anstoßen. Nur wenige Monate zuvor war sein Roman „Albertine“ erschienen. Darin behandelte er das Schicksal eines armen Arbeitermädchens, das nach einer Vergewaltigung durch einen Polizeikommissar zum Polizeiarzt gerufen wird. Anschließend wird sie zur Prostituierten. Der Roman wurde unmittelbar nach Veröffentlichung vom Justizministerium beschlagnahmt. Insbesondere die Vergewaltigungsszene und die Beschreibung der gynäkologischen Untersuchung durch den Polizeiarzt wurden als ungeeignet für einen Roman erachtet.
Prostitution war in Kristiania seit 1842 illegal. Dennoch akzeptierten die Behörden dies still, indem sie obligatorische ärztliche Untersuchungen und Gesundheitskontrollen vorsahen. Es wurde argumentiert, dass die Untersuchungen von Prostituierten notwendig seien, um die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten zu verhindern. Krohg sah darin eine Doppelmoral und wollte dieser Regelung und der systematischen erniedrigenden und rechtswidrigen Behandlung, der verarmte Frauen ausgesetzt waren, ein Ende setzen. Auf dem Gemälde ist Albertine im Hintergrund platziert. Sie ist sichtlich beschämt und verlegen. Sie fürchtet sich vor der Untersuchung, so wie es die jungen Frauen zweifellos auch in der Realität getan haben.
Christian Krohg glaubte wie viele andere, dass die Beschlagnahmung seines Romans einen Verstoß gegen Artikel 100 der norwegischen Verfassung zum Schutz der Meinungsfreiheit darstelle. Er brachte den Fall vor den Obersten Gerichtshof, verlor jedoch und musste eine Geldstrafe zahlen. Das Gemälde wurde nicht beschlagnahmt, aber die Tatsache, dass das Motiv eng mit dem verbotenen Buch verbunden war, führte dazu, dass mehrere Veranstaltungsorte die Ausstellung des Bildes verweigerten, und einige Zeitungen es ablehnten, Artikel über den Fall zu drucken. Schließlich drehte sich die Debatte neben der im Buch und im Bild kritisierten Situation, dass die öffentliche Prostitution trotz ihres gesetzlichen Verbots noch nicht abgeschafft sei, um die Meinungsfreiheit.
Krohg malte mehrere Szenen aus Albertines Leben, die auf Geschichten basierten, die er gehört hatte, und auf Menschen, denen er begegnet war. Nur wenige norwegische Künstler:innen lösten mit ihren Werken eine solche Debatte aus.
Porträts
Krohg war ein produktiver Künstler, der sich ein breites Spektrum an Motiven erarbeitete. Besonders hervorzuheben sind seine vielen Porträts. Er konnte mit gleicher Liebe zum Detail Ministerpräsidenten Sverdrup oder einen kleinen, schüchternen Jungen auf einem Stuhl mit Spindellehne porträtieren. Aufgrund seiner Fähigkeit, den Charakter seiner Modelle wiederzugeben, war er als Porträtist sehr gefragt.
Kunstakademie
Als 1909 Norwegens erste Kunstakademie eröffnet wurde, die Statens Kunstakademi, war Krohg ihr erster Direktor und Professor. Diese Position hatte er bis zu seinem Tod 1925 inne.
Auszeichnungen
Christian Krohg erhielt im Laufe seiner Karriere zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen.
- 1889: Ritter der französischen Ehrenlegion
- 1894: Aufnahme in den belgischen Leopoldsorden
- 1894: norwegischer Kommissar bei der „Exposition Internationale d'Anvers“ in Antwerpen
- ab 1900: Mitglied der „Societe Nouvelle de Peintres et de Sculpteurs“
- 1900: Ritter 1. Klasse des St. Olavsordens
- 1910: Kommandokreuz des St. Olavsordens
Familie
Krohg heiratete im Oktober 1888 die Malerin Oda Krohg (1860–1935), die auch seine Schülerin war. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Die Tochter Nana (1885–1974) und der Sohn Per (1889–1965), der sich ebenfalls der Malerei zuwandte.
Von 1890 bis 1910 arbeitete Christian Krohg als Journalist bei der Tageszeitung Verdens Gang. Von 1909 bis 1925 war er Professor an der Staatlichen Kunstakademie in Oslo, deren Direktor er zudem war.
Tod
Christian Krohg starb am 16. Oktober 1925 in Oslo.
Beiträge zu Christian Krohg
- Zu Krohgs Verhältnis zum Naturalismus siehe Øystein Sjåstads, Christian Krohg’s Naturalism, Seattle/London 2017.
- Veröffentlicht im dänischen „Kunstbladet. Nordisk tidsskrift“, Nr. 12 (31. Juli 1888), S. 168–171.
- Vgl. Gerd Woll, „Ein schüchternes Modell oder Femme fatale?“, in: Edvard Munch. Rätsel hinter der Leinwand, hg. von Dorothee Hansen (Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen), Köln 2011, S. 20–27, hier S. 25.