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Giorgio de Chirico: Das Geheimnis der Arkade Erinnerungen und Reflexionen des Malers

Giorgio de Chirico: Das Geheimnis der Arkade. Erinnerungen und Reflexionen, München 2011 (Schirmer/Mosel)

Giorgio de Chirico: Das Geheimnis der Arkade. Erinnerungen und Reflexionen, München 2011 (Schirmer/Mosel)

„Das Geheimnis der Arkade. Erinnerungen und Reflexionen“ fasst bislang unbekannte Texte von Giorgio de Chirico (1888–1978), Begründer der italienischen Pittura Metafisica, erstmals in guter deutscher Übersetzung zusammen. Das Buch teilt sich in fünf Kapitel: Auf die französischen Manuskripte folgen Texte über sich selbst und andere Maler, sowie über Dichter, Sammler, Städte, Möbel und immer wieder das Malen.

„Nichts ist wie das Geheimnis der Arkade – von den Römern geschaffen – das Geheimnis all dessen, was römisch sein kann.“ (Giorgio de Chirico)

Die ersten Schriften datieren in die Pariser Anfangsjahre de Chiricos zwischen 1911 und 1913/14. Die Manuskripte wurden bei Paul Éluard und Jean Paulhan, zwei Hauptvertretern des Surrealismus in Paris, gefunden. Der nach seinem Stil suchende, junge Maler denkt in Bildern, lässt Sätze abrupt aufeinanderprallen. Für ihn ist das Leben ein großer Traum voller Geheimnisse, rätselhaften Visionen, Unbekanntes und Liebesleid. Gemälde müssen der Widerschein eines tiefen Gefühls sein, wobei der Begriff „Offenbarung“ eine Hauptrolle in der Terminologie und Auffassung de Chiricos spielt. Nietzsches „Zarathustra“, so wird ebenso schnell klar, ist das wichtigste Referenzwerk für den Maler. Das Denken, so der Künstler, müsse sich von Logik und Sinn lösen, sich aus allen menschlichen Fesseln befreien. Diese Suche nach etwas ganz Neuem basiert zudem auf de Chiricos Faszination an Klinger und Böcklin. Der neue Stil beruht auf seiner Überzeugung, dass es keine Sujets mehr gebe.  Die Formen der Ewigkeit und des Unendlichen sucht er in der römischen und griechischen Architektur (S. 40): Tempelruinen, verstümmelte Statuen eines Gottes in einer mysteriösen Sprache gesprochen. Als Ziel der Malerei der Zukunft definiert de Chirico, Gefühle zu vermitteln, die man vorher nicht kannte.

Giorgio de Chirico: Commedia dell`arte (1918–1943)

Die zwischen 1918 und 1943 geschrieben und 1945 erstmals publizierten Überlegungen zeigen Giorgio de Chirico als Kunsthistoriker und –kritiker. Die Vorbilder Schopenhauer und Nietzsche hätten als Erste die „tiefe Bedeutung der Sinnlosigkeit des Lebens“ gelehrt, welche in Kunst verwandelt werden könne. Die Metaphysiker versuchten daher den Sinn in der Kunst auszuschalten, indem sie Ruhe und sinnlose Schönheit der Materie, die Klarheit der Farben, die Genauigkeit ihrer Maße  einsetzen. Die Architektur, vor allem die Arkaden mit bogenförmigen Öffnungen und die geradlinigen Anlage von Plätzen und Straßen der italienischen Städte, bildete das Fundament der metaphysischen Ästhetik.

Über sich selbst und über andere Maler

Über sich selbst schreibt Giorgio de Chirico teils unter Pseudonym und in dritter Person. Er wendet sich vehement gegen den Impressionismus und votiert für eine Rückkehr zur Zeichnung nach dem Vorbild von Raffael und Michelangelo Buonarroti (1921). Verbalattacken wechseln sich mit hellsichtigen Analysen von Künstlerœuvres, die für ihn wichtig sind. Die Futuristen bezeichnet er als Agitatoren und utopistische Reaktionäre. Der Kubismus ist für ihn nur formal neu, die Themen althergebracht. Erst die Metaphysik hätte, de Chirico zufolge, eine neue Poesie, einen streng soliden Bau der Bilder hervorgebracht. Carlo Carrà ist der Vertreter einer „speziellen italienischen Melancholie“, Arnold Böcklins „Offenbarungen von etwas Unerklärlichem“ lobt er wegen dessen außerordentlichem malerischen Könnens. Gustave Courbet steht für Phantasie, Gedächtnis, Aufnahmefähigkeit, Poesie, Realist ohne vulgär zu sein. Giorgio Morandi widmet sich der „Metaphysik der alltäglichen Gegenstände“.

Fazit: Giorgio de Chirico „Das Geheimnis der Arkade. Erinnerungen und Reflexionen“ bringt eine Reihe von Texten zusammen, deren Lektüre nicht nur einen Weg zur Denkweise Giorgio de Chiricos ermöglicht, sondern darüber hinaus auch sein Verhältnis zu einigen Weggefährten und Zeitgenossen klärt. Die mit vielen Bildern angereicherte Sprache de Chiricos aber auch sein unbedingter Wille, seine Überzeugung von der metaphysischen Kunst sind Grundlage für ein tieferes Verständnis seiner Bilder.

Giorgio de Chirico: Das Geheimnis der Arkade

Herausgegeben und übersetzt von Marianne Schneider
mit einem Nachwort von Laszlo Glozer
384 Seiten, 33 Abbildungen, München 2011
39,80 [D] | 41,00 [A] | 56.90 SFR [CH]
ISBN 978-3-8296-0535-9
Schirmer/Mosel

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.