„Jo. Giullianus Fecit 1743 ... Semi Cecus” - “Gio. Giuliani hat (mich) 1743 gemacht ... halbblind“ So signierte der Barockbildhauer Giovanni Giuliani den letzten seiner in einem Zeitraum von fünfzig Jahren entstandenen, kleinen Tonbozzetti, einen Hl. Joseph mit dem Christusknaben (→ Barock). Wissend, dass der Ausführende bereits 79 Jahre zählte, verwundert die fast stolz klingende Beifügung der letzten Jahre nicht. Nach dem Tod des Künstlers am 5. September 1744 erbte das Stift Heiligenkreuz, wo er seit 1711 als Familiaris (= Laienbruder) gelebt hatte, seinen gesamten Nachlass. Seine Sammlung von Tonbozzetti konnte wohl nur dadurch für die Nachwelt gerettet werden. Die Skulpturen im Stiegenhaus des Liechtensteinischen Stadtpalais können ab Frühjahr 2013 erstmals wieder besichtigt werden.
Österreich | Wien:
Liechtenstein Museum
16.3. - 2.10.2005
Die unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Luigi Ronzoni erarbeitete Ausstellung des Liechtenstein-Museums zeigt erstmals die unglaubliche Fülle an erhaltenen Werkstattmodellen des italienisch stämmigen Künstlers Giuliani. Dieser war 1664 in Venedig als Sohn eines Bäckers geboren, erhielt seine Ausbildung in Venedig, Bologna und München, bevor er sich in Wien 1690 selbständig machte. Er arbeitete offenbar sofort für einige der bedeutendsten Wiener Adelshäuser wie die Fürsten Montecuccoli und Liechtenstein, den Prinzen Eugen sowie den Reichsvizekanzler Graf Dominik Andreas Kaunitz wie schon für das Stift Heiligenkreuz. Sein ausgeführtes Œuvre umfasst jegliche Art der skulpturalen Ausstattung von Palästen, Gärten und Kirchen und zeigt ein für die Barockzeit typisches Repertoire an christlichen und mythologischen Themen.
Die ausgestellten Tonbozzetti zeigen die persönliche Handschrift des Bildhauers ähnlich den Ölskizzen des Peter Paul Rubens. Noch ohne Mithilfe von Werkstattmitarbeitern oder Schülern (dazu gehörte auch Georg Raphael Donner) gestaltete der Meister tönerne Modelle der Skulpturen als Entwürfe und Präsentationsobjekte für den Auftraggeber, während an der Ausführung der Skulpturen aus Stein die gesamte Werkstatt tätig war. Häufig fand man daher an den gebrannten Tonbozzetti des Giovanni Giuliani Fingerabdrücke, sowie Zeichnungen oder Ritzungen mit Graphitstift, um etwaige Veränderungen zu dokumentieren und den Maßstab der Vergrößerung einzutragen. Da in manchen Fällen das Brennen nicht erfolgreich angewandt wurde, war eine umfassende Restaurierung der Objekte vor Ausstellungsbeginn nötig. Nun erstrahlen sie wieder in gutem Erhaltungszustand in einem „seiner“ Häuser, bereit der Nachwelt von der außergewöhnlichen Kunstfertigkeit des barocken Bildhauers zu künden.
Einen besonders engen Kontakt pflegte Giovanni Giuliani mit Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein, der als der größter Bauherr des barocken Wien gilt. Für ihn gestaltete er die Portale und das Stiegenhaus des Majoratshauses in der Bankgasse (Stadtpalais → Stadtpalais des Fürsten von und zu Liechtenstein), die Gartenskulpturen und Ausstattung des Gartenpalais in der Rossau sowie den Stallungen am böhmischen Familiensitz der Liechtenstein in Eisgrub. Über zehn Jahre währte die Zusammenarbeit von Künstler und Fürst, der dem Venezianer – v.a. in Bezug auf die Gartenskulpturen des Palais in der Rossau – nicht nur die Aufgabe stellte, „in gutem Geschmack“ zu entwerfen, sondern auch besonders geschätzte, italienische Kleinbronzen oder Entwürfe in monumentale Formen zu übertragen. So sind die Werke des Giovanni Giuliani nicht nur als Objekte der Sonderausstellung präsent, sondern können auch im originalen, architektonischen Kontext des ausstellenden Hauses besichtigt werden.
1711 trat Giovanni Giuliani als Laienbruder in das Zisterzienserstift von Heiligenkreuz ein, Grund hierfür wird in einer persönlichen Krise angenommen: 1705 trennte er sich von seiner Frau Anna Felicitas Grässl, und 1711 musste er wegen Schulden Wien verlassen. Im Vertrag mit den Zisterziensern erklärte sich der Bildhauer bereit, für das Stift zu arbeiten – die Dreifaltigkeitssäule, der Josephsbrunnen, Skulpturen für den Leeb`schen Garten und die Stiftskirche entstanden in der Folge – und diesen seinen gesamten Besitz zu vererben, wobei die Versorgung des Künstlers ab diesem Zeitpunkt dem Stift oblag.
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