Der Wiener Maler und Pastellzeichner Hans Robert Pippal (4.4.1915–6.11.1998) ist vermutlich nur am österreichischen Kunstmarkt Interessierten ein Begriff. Die beiden größten Wiener Auktionshäuser bieten in regelmäßigen Abständen Pippals Werke an, wobei sich die Veduten von Wien, Venedig und Paris offenbar größerer Beliebtheit erfreuen. In der Albertina bringt Kuratorin Eva Michel nicht nur deshalb eine thematische Ordnung in die Pastelle des gemäßigten Modernen.
Österreich | Wien: Albertina
22.1. - 28.3.2016
Auch wenn der im Krieg verletzte Autodidakt es nur drei Tage an der Akademie aushielt, bevor er entschied, an diesem Institut nichts mehr lernen zu können, sind seine in der Albertina präsentierten Pastelle technisch gekonnt und farbig harmonisch umgesetzt, während die feingliedrigen Zeichnungen wie ausgeworfene Netze wirken. Inspiriert durch die französische Avantgarde vom Impressionismus bis zum Kubismus, die in der Nachkriegszeit vor allem durch die französischen Besatzer erstmals in Österreich gezeigt wurde, schuf er v. a. atmosphärische Stadtveduten, in denen sich bunte Plakatwände von braun-grautoniger Urbanität abheben. Die Bewohner eilen als Repoussoir-Figuren durch die Straßen oder flanieren an Plakatwänden vorbei.
Überraschend sind dann doch seine Versuche in einer stärker formalistischen Malerei, die mit schwarzer Kontur und leuchtenden Farben einen völlig anderen Charakter hat, während die hübschen und auch dekorativen Damenbildnisse (mehr Puppen als lebendige Wesen) das Ideal der Fünfziger Jahre aufleben lassen. Klaus Albrecht Schröder betont in seinem Katalogbeitrag die Tristesse der „kleinbürgerlichen“ Bundeshauptstadt und setzt dieser die Vision einer „vom österreichischen Film verwalteten Hoffnung auf ein fröhliches, schönes, prosperierendes und – vor allem – nach dem Grauen des Kriegs friedliches Wien“1 entgegen. So zeigte Pippal – für das Cover des 1948 herausgegebenen „Österreich-Buches“ – die Fassade der Wiener Staatsoper vom Ring her, um die noch nicht ausgemerzten Bombenschäden hinter dem Hotel Bristol verstecken zu können. Mehr Idylle als Realitätsschilderung, mehr Neubeginn als Verletzung finden sich in den Pastellen, genauso wie er mehr Einflüsse von Impressionismus und Fauvismus, also Henri Matisse (→ Matisse und die Künstler des Fauvismus), Maurice Utrillo und Raoul Dufy, als Kubismus oder gar Abstraktion und Expressionismus (→ Farbenrausch. Werke des deutschen Expressionismus) in ihnen verarbeitete.2
Wie seine Tochter, die Malerin und Kunsthistorikerin Martina Pippal, und Kuratorin Eva Michel schlüssig darlegen, ging es Hans Robert Pippal um eine bewusste Wahl von Motiven und Stilmitteln. Einer doktrinären Auffassung von Moderne hielt er einen Stilpluralismus entgegen, der für sakrale Motive eine Formfindung nahe an Glasmalerei bzw. Georges Rouault3 vorsah, in frühen Illustrationen zu Milo Dors „Unterwegs“ (1947) sein Vorbild im nervösen Strich Alfred Kubins suchte, in Stillleben einen experimentelleren, kubischeren Expressionismus (um 1950) in der Nachfolge von Max Beckmann und den oben schon erwähnten Damen die rokokomäßige Lieblichkeit und Dekorationslust französischer Kunst in der Nachfolge von Henri Matisse pflegte. Wenn Hans Robert Pippal auch nicht die österreichische Kunstentwicklung in völlig neue Bahnen gelenkt hat, so zeigen diese Arbeiten doch den Zeitgeschmack der Fünfziger und Sechziger Jahre, stellte das Secessionsmitglied diese Werke doch auch im Ausstellungshaus der Vereinigung und zwei Mal auf der Biennale von Venedig aus.
Am 4. April 1915 wurde Hans Robert Pippal in Wien geboren.
1921–1929 Besuch der Volks- und Hauptschule.
1929–1936 Lehre als "Stanzenmacher", u. a. Tätigkeit als technischer Zeichner. Im Schlosspark von Schönbrunn und im Zoo lernte er das Zeichnen.
1936 Pippal ist als freischaffender Maler tätig und beteiligte sich an einer Ausstellung im Wiener Künstlerhaus. Unterstützt wird er in seiner Tätigkeit von dem Wiener Kunsthändler Benno Moser und dessen Lebensgefährten Hans Kühn, die ihm einen Kellerraum als Atelier zur Verfügung stellten, Zugang zu ihrer Bibliothek ermöglichten und ihn durch erste Ankäufe förderten.4
August 1939–Mai 1943 Militärdienst in der Versorgung, schwere Verwundung (20.5.1943), Oberschenkelamputation links und Entlassung aus der Wehrmacht (11.10.1944).
1943 Heirat mit der Architektin Eugenie Kottnig (1921–1998). Aufnahme seiner künstlerischen Tätigkeit als freischaffender Maler.
1945 Zerstörung von Pippals erstem Atelier durch den Krieg. Ab Kriegsende zahlreiche Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland; Mitglied der Wiener Secession.
1946 Im Sommer traf Hans Robert Pippal erstmals Milo Dor, dessen Erstlingswerk „Unterwegs“ (1947) er illustrierte.
1947 Einzelausstellung in der Galerie Würthle (Filiale der Galerie Welz in Salzburg), Beginn von Hans Robert Pippals Engagement als Buchillustrationen, u. a. für das von Ernst Marboe herausgegebene „Österreichbuch“ (1948), sowie Entwürfe für fast 200 Bucheinbände für die Verlage Zsolnay, Neff, Globus, Kindler, Prestel, Artemis etc. Die vom Hochkommissariat der Republik Frankreich in den Räumen des Kunstgewerbemuseums veranstaltete Ausstellung „Classiques de la peinture française“ besuchte er mehrfach und besaß neben dem Katalog auch eine Publikation von René Huyghe über zeitgenössische französische Malerei.
1949 Einzelausstellung in der neu eröffneten Wiener Secession. Die Eröffnungsrede hielt Josef Hoffmann. Beginn vieler Reisen nach Italien, Frankreich, Spanien, Holland, Schweden, Norwegen, England, in die USA etc. Die im Mai veranstaltete Ausstellung zur französischen Grafik der Gegenwart mit Werken von Georges Braque, Raoul Dufy, Fernand Léger, Pablo Picasso und Georges Rouault sah Pippal ebenso.
1950 Erste Beteiligung an der Biennale von Venedig.
1951 Einzelausstellung im Jämtlands läns museum in Ostersund (Schweden)
1954 Hans Robert Pippals Einzelausstellung in der Secession wurde durch Albert Paris Gütersloh eröffnet. Zweite Beteiligung an der Biennale von Venedig.
1955 Beginn von Pippals Aufträgen für angewandte Kunst im öffentlichen Raum in Wien („Kunst am Bau“), überwiegend in Mosaiktechnik, darunter zwei Goldmosaikplafonds für das wiederaufgebaute Wiener Burgtheater. Einzelausstellung in Hamburg.
1956 Verleihung des Berufstitels Professor h. c. durch den Bundespräsidenten der Republik Österreich.
1957 Geburt der Tochter Martina.
1958/59 Ausführung (durch die Wiener Gobelinmanufaktur) des von Pippal entworfenen „Staatsvertragsgobelins“ für das Weiße Haus in Washington DC, mit dessen feierlicher Übergabe an Präsident Dwight D. Eisenhower sich die Republik Österreich für die aus den USA erhaltene Unterstützung bei der Erreichung der Eigenstaatlichkeit bedankte.
1960 Beginn seines Interesses für die Kunst vergangener Epochen, insbesondere für die Malerei der italienischen Renaissance, die er auf vielen Reisen studierte.
1964 Gobelin "Zerstörung und Wiederaufbau 1945-1965" für den Steinernen Saal des Wiener Rathauses.
1967–1988 verfertigt er neben Ölbildern und Zeichnungen etliche Entwürfe für angewandte Kunst im Auftrag der Stadt Wien und der Wiener Städtischen Bestattung. An der Ausführung in Mosaik, getriebenem Kupfer, Email, Überfangglas, Textil etc. ist oftmals auch die Familie des Künstlers beteiligt. Zudem erfolgen Porträtaufträge für Persönlichkeiten des Wiener öffentlichen Lebens.
Am 8. November 1998 Tod von Hans Robert Pippal kurz nach dem Ableben seiner Gattin aufgrund eines Aortarisses in Wien.
Klaus Albrecht Schröder, Eva Michel (Hg.)
104 Seiten, durchgehen farbig illustriert
ISBN 978-3-9504101-1-2