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Henri de Toulouse-Lautrec: Biografie Leben und Werk des Malers und Grafikers am Montmartre

Maurice Guibert, Lautrec porträtiert Lautrec, um 1894, Aus einem Album mit 33 Photographien der Familie Toulouse-Lautrec, Collection Georges Beaute © Beaute, Réalmont; Photographe David Milh.

Maurice Guibert, Lautrec porträtiert Lautrec, um 1894, Aus einem Album mit 33 Photographien der Familie Toulouse-Lautrec, Collection Georges Beaute © Beaute, Réalmont; Photographe David Milh.

Henri de Toulouse-Lautrec (1864─1901) wurde in eine alte südfranzösische Adelsfamilie geboren und feierte ab 1890 internationale Erfolge als Plakatentwerfer berühmter Vergnügungslokale wie dem Moulin Rouge. Mit stark vereinfachten Darstellungen von Stars und Sternchen revolutionierte er das Bild der Straße. Nach Jahren der Überarbeitung und des Feierns zog sich Henri de Toulouse-Lautrec ins Nobelbordell zurück. Hier entstanden eindrucksvolle, weil intime Bildnisse der arbeitenden Frauen, ihren Verhältnissen zueinander, ihren Lebensbedingungen. Die Alkoholsucht des Malers führte zum frühen Tod mit knapp 36 Jahren.

Weitere Beiträge zu Henri de Toulouse-Lautrec

  • 1864

    Am 24. November 1864 kam Henri Marie Raymond de Toulouse-Lautrec-Monfa in Albi/Südfrankreich als Sohn des Grafen Alphonse Charles Jean Marie (1838–1913) und dessen Gattin Comtesse Adèle Zoë Marie Marquette (geb. Tapié de Céleyran, 1841–1930) im Hôtel du Bosc zur Welt. Die Welt seiner Kindheit und Jugend war geprägt von Pferden, Jagden und Dilettieren im Zeichnen und Modellieren.
  • 1867/68

    Am 28. August 1867 wurde sein Bruder Richard Constantine geboren, der am 27. August 1868 verstarb. Die Eltern, Cousin und Cousine, trennten sich.
  • 1871

    Erste Jagd- und Pferdezeichnungen sein erhalten, die von René Pinceteau korrigiert werden.
  • 1872

    Umzug nach Paris, wo Henri eine angemessene Erziehung erhalten sollte. Besuch des Lycée Fontanes (später: Condorcet) in der Rue de Havre 8. Lernte dort Maurice Joyant (1864–1930) kennen, der ein lebenslanger Freund, Berater, Sammler, Händler, Biograf und Nachlassverwalter von Toulouse-Lautrec wurde. Die Freundschaft seines exzentrischen Vaters, einem passionierten Jäger und Pferdeliebhaber, mit berühmten Künstlern prägte den Sohn. Er kam in Kontakt mit dem Tiermaler René Pinceteau (1839–1914), Jean Louis Forain (1852–1931), John Lewis Brown (1829–1890), dem Jagd- und Genremaler Edmond Petijean (1844–1925), dem Marienmaler Ulysse Butin (1822–1908) und dem Tierbildhauer Charles Marie du Passage (* 1843).
  • 1874

    Die Erkrankung Henris macht sich bereits bei dem Zehnjährigen durch langsames Wachstum und schlechte Gesundheit bemerkbar. Die Ärzte raten zu Badekuren und einer Behandlung der Beine mit Elektroschocks. Trotzdem ist das Kind munter und fröhlich. Wenn er in Albi bei der Großmutter ist, geht er am liebsten reiten und malt mit großem Geschick unter der Anleitung seines Onkels Charles Aquarelle.
  • 1878

    Am 22. Mai brach sich Henri den linken Oberschenkel, als er mit dem Stock von einem niedrigen Stuhl aufstehen wollte. Der Bruch verheilte trotz monatelangen Tragens eines Gipses und einer Kur in Barèges nur unvollkommen.
  • 1879

    Im Auguststürzte Henri in Barèges ein weiteres Mal und brach sich den rechten Oberschenkel.
  • 1880

    Im Winter war Henri de Toulouse-Lautrec so weit genesen, dass er sich wieder selbständig fortbewegen konnte. Er blieb 152 cm klein und seine Beine fast steif, zerbrechlich und kurz. Um sein Schicksal zu ertragen, malte und zeichnete er ohne Unterlass. Seit 1871 hatte er nahezu 2400 Studien gefertigt.
  • 1881

    Im Frühjahr Rückkehr nach Paris. Erfolgloses Antreten zum Baccalauréat. Verbrachte seine Zeit mit den Künstlern in der Rue du Faubourg, in den Theatern und im Zirkus Fernando am Boulevard Rochechouart 63. Von den Salon-Künstlern schätzte er Alexandre Cabanel (1823–1889), John-Lewis Brown und Jules Bastien-Lepage (1848–1884). Im November schloss er in Toulouse seine Schulausbildung ab und setzte bei seiner Mutter durch, Maler werden zu dürfen.
  • 1882

    Im April erhielt Toulouse-Lautrec einen Studienplatz im Atelier von Léon Bonnat (1833–1922), dem „Maler der Millionäre“. Das Atelier in der Avenue de Clichy 30 befand sich in Montmartre. Obwohl sich Toulouse-Lautrec bemühte, die akademischen Vorgaben seines Lehrers anzunehmen, durfte er im Sommer nicht an die École des Beaux-Arts wechseln. Toulouse wechselte ins Atelier von Cormon (eigentlich Fernand Piestre), einem Historienmaler, der dennoch seinen Studenten empfahl möglichst viel im Freien zu studieren.
  • 1883

    Er schloss in den folgenden Jahren Freundschaften mit: Louis Anquetin (1861–1932), François Gauzi (1861–1933), Emile Bernard (1868–1941) und im Jahr 1886 Vincent van Gogh (1853–1890). Er mietete in Montmartre ein Atelier in der Rue Lepic.
  • 1884

    Gegen ein Honorar von 500 Franc half Toulouse seinem Lehrer Cormon bei den Illustrationen von Victor Hugos „Légende des Siècles“. Er zog aus der Wohnung seiner Mutter aus und mietete sich bei dem Ehepaar René und Lili Grenier ein. Mit den Freunden machte er den Montmartre unsicher. Gleichzeitig löste er sich von seinem Lehrer und fand seine Modelle in direkter Umgebung. Zu den neuen Vorbildern zählten Pissarro (1830–1903, wegen der Pinselführung), Renoir (1841–1919, wegen der Farbigkeit) und Raffaëlli (1850–1924, wegen des unbearbeiteten Grundes), am meisten verehrte er aber Edgar Degas, der von 1879 bis 1886 sein Atelier in unmittelbarer Nachbarschaft zu Toulouse-Lautrec hatte. Toulouse traute sich jedoch nicht, bei Degas vorzusprechen.
  • 1885

    Toulouse-Lautrec entscheidet sich gegen die Landschaftsmalerei.
  • 1886

    Da Cormon sein Studio auflöste, musste sich Toulouse-Lautrec ein Atelier suchen. Entgegen des Wunsches seines Vaters fand er es am Montmartre, wo er im selben Haus einzog wie Federigo Zandomeneghi (1841–1917) und Suzanne Valadon (1867–1938). Valadon war von Puvis de Chavannes entdeckt worden und wurde das Modell von Renoir und Toulouse-Lautrec. Sie lebte in diesem Haus seit Dezember 1883, nachdem sie ihren Sohn Maurice Utrillo geboren hatte und ihr Degas geraten hatte, selbst mit dem Malen zu beginnen.
  • 1888

    Erste Erfolge stellten sich ein: Einladung zur fünften Jahresausstellung der Les XX in Brüssel. Die Presse reagierte wohlwollend. Das Leben am Montmartre hinterließ aber schon seine ersten Spuren, Warnungen von Freunden schlug Toulouse-Lautrec sarkastisch aus.
  • 1889

    Am 5. Oktober wurde das Moulin Rouge eröffnet. Dessen Besitzer Joseph Oller präsentierte ein großformatiges Zirkusbild von Toulouse-Lautrec in der Eingangshalle. Toulouse-Lautrec wurde zum ersten Stammgast mit reserviertem Tisch. Hier fand er seine berühmtesten Motive, die ab 1890 zu Bildern wurden!
  • 1891

    Im Sommer erhielt Henri de Toulouse-Lautrec den Auftrag, ein Plakat für den Saisonbeginn des Moulin Rouge im Herbst zu entwerfen. Damit entdeckte Toulouse-Lautrec ein Medium mit großer Strahlkraft für sich. Mit dem Plakat „Moulin Rouge, La Goulue“ wurde Toulouse-Lautrec stadtbekannt.
  • 1892

    Teilnahme am Salon der Unabhängigen. In der Folge entstanden 351 Lithografien und neun Kaltnadelradierungen.
  • 1893

    Erste Einzelausstellung in der Galerie Boussod. Der Montmartre verlor an Glanz, Toulouse verlagerte sein Nachtleben an den Champs Elysées, in die Oper, die Comédie Française, im Thêàtre Libre und im Thêàtre de la Renaissance (Sarah Bernhardt!). Gleichzeitig begann er immer öfter ins Bordell zu ziehen.
  • 1894

    Zog in die Erdgeschosswohnung Rue Caulaincourt 27. Ausstellungsbeteiligung in Brüssel bei La Libre Estétique (auch 1895, 1896, 1897). Einladung bei Henry van de Velde, dessen moderne Raumgestaltung ihn nicht beeindruckt. 12.-20. Februar Reise in die Niederlande, wo er die Malerei von Rembrandt und Frans Hals studierte.
  • 1895

    Entwarf das Bühnenbild für das Sanskritdrama „Der Tonkarren“, aufgeführt im Thêàtre de l’Œuvre. Nur das Programmheft und ein Gemäldeentwurf sind erhalten. Im Frühjahr malte er für La Gouloue die Dekoration für deren Schaubude (Anfang Juni vollendet). Im Sommer Umzug in die Rue Fontaine 30. In Begleitung von Maurice Guibert reiste Toulouse-Lautrec von Le Havre nach Bordeaux. Er verliebte sich in die Mitreisende der Kabine 54 und wollte ihr nach Afrika folgen. Erst in Lissabon konnte ihn Guibert von Bord schaffen. Rückreise ins Seebad Taussat über Madrid und Toledo, wo Toulouse die Gemälde von Diego Velázquez, Francisco de Goya und El Greco bewunderte.
  • 1896

    Ausstellungen seiner Gemälde und Lithografien verlaufen erfolgversprechend, die Preise sind über jenen von Van Gogh, Gauguin und Cézanne angesetzt. Im Frühjahr erschien die Folge „Elles“ (100 Exemplare), die sich nicht verkaufen ließ. Zu den Interessenten gehörte aber Edvard Munch (1863–1939). Illustrationen für Edmond de Goncourts Roman „La Fille Elisa“, damit Toulouse vom Trinken abgehalten würde. Die unrealistische Schilderung Goncourts ließ das Interesse Toulouses rasch dahinwelken. Allerdings lernte er über den Autor die japanische Holzschnittkunst kennen und erwarb „Uta-makura“ („Das Kopfkissengedicht“) von Utamaro. Im Herbst zweite Spanienreise: San Sebastian, Burgos, Madrid, Toledo, zurück nach Bordeaux.
  • 1897

    Nachlassen der Arbeitskraft feststellbar. Farblithografien nach Gemälden. Umzug am 11. Mai in eine Wohnung mit kleinem Atelier in der Avenue Frochot 15 bei der Place Pigalle.
  • 1898

    Toulouse-Lautrec ist kaum mehr nüchtern. Seine Werke werden von der Kritik als schamlos verunglimpft. Die Londoner Verleger Bliss und Sands geben die Mappe von Yvette Guilbert heraus (350 Stück).
  • 1899

    Angstneurosen, Wutausbrüche, tiefe Depressionen und Wahnvorstellungen prägen den Seelenzustand von Toulouse-Lautrec. Seine Mutter verließ Paris, um ihre eigene Mutter in Albi zu pflegen. Ende Februar Delirium tremens, vorläufige Internierung in der privaten Nervenklinik in Nueilly von Dr. Sémelaignes. Radikale Entziehungskur. Am 17. März bat er um Lithosteine, ein Aquarellkästchen mit Sepia. Pinsel, Lithokreiden und Tusche sowie Papier. Am 17. Mai befanden die Ärzte, dass Toulouse’s Zustand sich gebessert hätte, er aber überwacht werden müsste. Reise nach Le Crotoy am Ärmelkanal mit Paul Viaud, einem entfernten Verwandten und Freund. Im Herbst Rückkehr nach Paris, wo er sich wieder für Pferde interessierte.
  • 1900

    Rückfall. Als Jurymitglied der Pariser Weltausstellung, Abteilung Lithografie wurde er mit dem Rollstuhl durch die Ausstellungshallen gefahren. Im Sommer am Meer und im Herbst keine Rückkehr nach Paris.
  • 1901

    Ende März Gehirnblutung und Lähmung der Beine; Rückkehr nach Paris Ende April, um sein Atelier aufzulassen und einige Werke zu vollenden. Abreise nach Süden am 15. Juli. Schlaganfall und halbseitige Lähmung. Henri de Toulouse-Lautrec starb am 9. September 1901 im Alter von 36 Jahren.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.