Wenn sich die holländischen Maler des 16. und 17. Jahrhunderts auf den Weg nach Italien machten, dann hatte sie ein großes Ziel vor Augen: Rom, das einstige caput mundi. Wenn sie nach einigen Jahren Aufenthalt in der geschichtswürdigen Stadt wieder gen Norden aufbrachen, führten sie die Sonne im Herzen und italianisante Landschaften mit im Gepäck. Das milde Klima, die Sonne, das goldene Licht und anfangs auch die antiken Stätten veränderten – wenn auch manchmal nur kurzfristig – ihre Bildauffassungen und prägten einen Teil der niederländischen Malerei von Renaissance bis Barock. Denn während die Maler des 15. Jahrhunderts nur aus religiösen oder diplomatischen Gründen in den Süden zogen und von dem dort Gesehenen in ihrer Malerei unbeeindruckt blieben, so „infizierten“ gleichsam die antiken Überreste wie auch die südliche Atmosphäre die Landschaftsbilder ihrer Nachfolger.
Österreich | Wien: Gemäldegalerie der
Akademie der bildenden Künste Wien
9.11.2007 – 9.3.2008
Die ersten holländischen Künstler, die durch Bildungshunger getrieben mehrere Jahre in der Stadt verbrachten, lassen sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Rom nachweisen. Die antiken Überreste waren überwuchert, und das Forum Romanum war noch der Campo Vaccino, eine Viehweide. 1534 verewigten sich Maarten van Heemskerck, Herman Posthumus (Postma) und Lambert Sustris an den Wänden der verschütteten Domus Aurea des Nero. Herman Posthumus stellt zwei Jahre später eine solche Gruppe von Forschern mit ihren Fackeln in seinem Gemälde „Fantastische Landschaft mit römischen Ruinen“ am rechten Bildrand dar. Sie sind gerade im Begriff in die unterirdischen Höhlen abzusteigen. Die fantastische Komposition aus realen, erdachten und künstlich gealterten antiken Monumenten wird im Zentrum durch eine Inschrift kommentiert: „Oh du gefräßige Zeit und du, du neidisches Alter. Alles reißt ihr herunter.“ Davor ist ein Antiquar damit beschäftigt, die Basis einer Säule zu vermessen, sie zu studieren und zu dokumentieren. Das Interesse der Zeitgenossen an den antiken Bauwerken lässt sich nicht nur an solchen Ruinenlandschaften oder auch den in der Reproduktionsgrafik mit den weit verbreiteten Rom-Veduten ablesen, sondern auch an Korkmodellen von Antonio Chichi. Adelige Sammellust wie auch Antikenstudium vereinen sich in diesen minutiös nachgebildeten Architekturmodellen.
Als zentrale Errungenschaft gilt jedoch nicht das antiquarische Interesse der humanistisch interessierten Maler, sondern ihre beginnende Beobachtung der Tageslichtstimmung - deren unterschiedliche Färbung wie auch deren Auswirkung der Lichtsituation auf die Farben und Formen der Natur. Wegweisend waren die Landschaftsbilder des Franzosen Claude Gellée, genannt Claude Lorrain, der ab etwa 1630 mit Gegenlichtdarstellungen für Aufsehen sorgte. Zu den unmittelbarsten Umsetzungen der Landschaft Roms, der Campagna zählen seine Tuschelavierungen. Die Holländer Herman van Swanevelt und Jan Both waren seine gelehrigsten Schüler. Dass diese neue Art der Landschaftsdarstellung internationale Anerkennung genoss, belegt der Auftrag für das spanische Königshaus: Das Schloss Buen Retiro wurde in der zweiten Hälfte der 1630er mit großformatigen Landschaftsbildern dieser Künstler ausgestattet. Auch wenn sie auf dem ersten Blick reale Ansichten zu schildern scheinen, so repräsentieren diese Landschaftsgemälde mit ihren idyllischen Szenerien allesamt ein Idealbild Italiens.
Im Gegensatz dazu widmeten sich die sog. Bamboccianten in ihren Darstellungen dem Leben des einfachen Volks. In den „Hinterhöfen“ der ewigen Stadt beobachteten sich das tägliche Treiben von Wäscherinnen, Trinkern und Bettlern. Der Name dieser Gruppe von holländischen Künstlern ging auf den Spitznamen von Pieter van Laer zurück, der aufgrund einer Behinderung „bamboccio“, große Puppe, genannt wurde. Die Neuankömmlinge trafen sich in der Schilders Bent, der „Malerbande“, einer Solidargemeinschaft und Kontaktbörse. Ihre Mitglieder nannten sich Bent Vueghel, die Bandenvögel. In ihren kleinformatigen Kabinettbildern verstießen sie nach Ansicht der Akademiemitglieder Roms gegen jegliche Etikette, sie wären zu banal, zu naturalistisch. Nichtsdestotrotz wurden sie von römischen Sammlern geschätzt und unterstützt.
Die italianisante niederländische Landschaft lässt sich in der holländischen Kunst bis etwa 1720 nachweisen, denn Ende des 17. Jahrhunderts wurden die Bildfindungen von Nicolas Poussin und Gaspard Dughet, Meister der heroischen Landschaft, zu den wichtigsten Bezugspunkten. Stille und meditative Stimmung in den Landschaften wichen nun effektvoll inszenierten Motiven. Kontemplation und Ruhe wurden durch Dramatik und Theatralität ersetzt. In acht Kapiteln stellt die Ausstellung in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste niederländische Landschaftsbilder aus Italien vor. Ausgehend von der eigenen Sammlung und gemeinsam mit dem Liechtenstein Museum, das 20 Werke beisteuert, sowie Leihgaben aus Danzig, Warschau, Posen, Krakau und Sibiu führt die Schau etwa 110 Gemälde zusammen.