Jean Fouquet (um 1420–1477/81) ist der wichtigste französische Maler des 15. Jahrhunderts. Fouquet zählte zu den berühmtesten Porträtmalern seiner Zeit und auch in Italien bekannt. Zwischen 1445 und 1447 hatte Fouquet Italien bereist und in Rom Fra Angelico, Filarete und andere Renaissancekünstler des Quattrocento kennengelernt: Papst Eugen IV. gab bei ihm sogar ein Bildnis in Auftrag, verband er doch als einziger nordeuropäischer Künstler der Jahrhundertmitte niederländische Erfindungen mit italienischen Renaissance-Formen. Seine Arbeit für die französischen Könige Karl VII. und Ludwig XI. ist dokumentiert, eine Urkunde von 1475 bezeichnet ihn als Hofmaler („peintre du roi“) von Ludwig XI. Jean Fouquets berühmtestes Werk ist das Diptychon von Melun, in dem er das Porträt mit einer religiösen Thematik verband: Der Stifter Étienne Chevalier, Schatzmeister des Königs, wird vom hl. Stephanus der Muttergottes vorgestellt. Die irdische Szene befindet sich auf dem linken Flügel in Berlin, die von Engeln umgebene Maria mit Kind auf der rechten in Antwerpen. Erstmals seit 80 Jahren werden beide Flügel des Diptychons wieder miteinander vereint!
Deutschland / Berlin: Kulturforum, Gemäldegalerie
15.9.2017 – 7.1.2018
Jean Fouquets Diptychon aus der Stiftskirche von Melun ist eines der Hauptwerke der französischen Malerei und der Kunst des 15. Jahrhunderts. Es hing ursprünglich über dem Grab von Étienne Chevalier und seiner Frau Catherine Budé in der Kollegiatskirche Notre-Dame, südlich von Paris. Als die Domherren 1775 Geld zur Restaurierung ihrer Kirche benötigten, verkauften sie das Bild entgegen den letztwilligen Bestimmungen des Stifters. Sein ehemals linker Flügel mit dem Bildnis des Stifters Étienne Chevalier und dem hl. Stephanus befindet sich seit 1896 im Besitz der Gemäldegalerie, während der rechte, die Madonna darstellende Flügel seit dem frühen 19. Jahrhundert dem Museum für Schöne Künste in Antwerpen gehört (1840).
Hinzu kommt das im Louvre aufbewahrte Emailmedaillon mit dem Selbstbildnis des Künstlers, das einst den Rahmen des Diptychons schmückte. Dieses nicht einmal sieben Zentimeter kleine Selbstbildnis ist mit Gold auf eine schwarze Emailplatte gemalt und das einzige erhaltene Beispiel für ein Porträt in dieser Technik. Es geht zurück auf ähnliche, jedoch in Grau gemalte niederländische Emailarbeiten und zu Lebzeiten Fouquets gefundene antik römische Porträts. Der Rahmen setzte sich ursprünglich aus kostbaren, mit Perlen besetztem blauen Samt und dem Selbstporträt zusammen.
Die linke Tafel des Diptychons von Melun zeigt den Stifter bei der Anbetung der Jungfrau Maria. Sein Schutzpatron, der hl. Stephanus mit Kopfwunde, Stein und Buch, präsentiert den mächtigen Minister Étienne Chevalier der Madonna. Jean Fouquet differenzierte zwischen der irdischen und visionären Sphäre, indem er die Figuren höchst kunstvoll und im Charakter unterschiedlich herausarbeitete: Das Porträt des Stifters Chevalier ist höchst präsent und detailliert wiedergegeben. Desgleichen auch der Stein des Heiligen. Stilistisch steht Jean Fouquet damit in der Tradition von Jan van Eyck und Rogier van der Weyden, es wird aber immer wieder auch die Skulptur von Claus Sluter als wichtige Bezugsquelle angeführt. Dadurch entwickelt die Figur eine körperliche Anwesenheit, die im starken Kontrast zur stilisierten Wiedergabe der Madonna steht.
Hinter dem Stifter und seinem Namenspatron schuf Jean Fouquet einen steil in die Tiefe fluchtenden Raum. Die Architektur ist hell und voller klassizierender Ornamente. Die Kenntnis der mathematischen Perspektive konnte sich der französische Hofmaler wenige Jahre zuvor in Italien angeeignet haben, wo er nachweislich in Florenz und Rom mit den führenden Künstlern der Zeit zusammengetroffen war.
Maria und Kind sind fast skulptural blass, in einem silbrigen Grundton wiedergegeben. Sie wird von Cherubim und Seraphim begleitet, die Engel sind ein Hauptwerk der Camaieu-Malerei in Blau und Rot. Die fast symmetrische Antwerpener Tafel „ordnet an einem deutlich erkennbaren Gerüst von Senkrechten, Waagerechten und Schrägen die Fülle der Naturformen, die schon zugunsten des Bedeutenden, Großen reduziert sind“1, beschrieb Jan Białiostocki in der Propyläen Kunstgeschichte diese Beobachtung. Einzig Krone und Thron sind detailreich herausgearbeitet. Sonst konzentrierte sich Jean Fouquet auf monumentale Wirkung der plastisch modellierten Figuren. Besonders ins Auge stechend ist die kugelförmig ausgebildete linke Brust der Madonna, die entblößt dem daran wenig interessierten Christuskind angeboten wird.
Seit Jahrhunderten wird die Darstellung der Madonna als ein Kryptoporträt von Agnes Sorel angesehen. Die Mätresse des Königs, so die Legende, hätte als die schönste Frau der Welt gegolten und wäre auch vom Stifter Étienne Chevalier auf höchst irdische Weise angebetet worden.
Weitere Objekte umreißen den künstlerischen Kontext des Buch- und Tafelmalers Jean Fouquet und veranschaulichen seine künstlerische Herkunft. An erster Stelle steht dabei das „Bildnis des Narren Gonella“ aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, wenn auch dessen Zuschreibung an Jean Fouquet seit 40 Jahren diskutiert wird. Dazu gesellt sich die lebensgroße Bildniszeichnung des Kanzlers Guillaume Jouvenel des Ursins aus dem Berliner Kupferstichkabinett, das einzige erhaltene Blatt, das Fouquet fraglos zugeschrieben werden kann. Hinzu kommt seine nur in Kopie erhaltene Porträtzeichnung der Agnes Sorel, der Geliebten des französischen Königs Karl VII., deren Züge man in der Madonna des Diptychons erkennen will (höchstwahrscheinlich eine Legende). Gemälde von Jan van Eyck, Petrus Christus und Rogier van der Weyden sowie Zeichnungen von Benozzo Gozzoli und Barthélemy d’Eyck werden in der Berliner Ausstellung die für Fouquet grundlegende niederländische Porträtmalerei seiner Zeit sowie seine möglichen italienischen Anregungen repräsentieren.
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation, die neue Forschungen zum Werk, seinen Entstehungsumständen und dem Künstler präsentiert. Sie enthält Essays von elf internationalen Spezialisten, die unter anderem dem Stifter Etienne Chevalier und seinem Mäzenatentum, Fouquets gemalten Architekturen, den künstlerischen Quellen des Malers sowie den technischen Eigenheiten seiner Gemälde und Zeichnungen nachgehen.
Kuratiert von Stephan Kemperdick
Um 1420 wurde Jean Fouquet wahrscheinlich in Tours geboren.
Ausbildung bei einem Miniaturisten der franko-flämischen Schule, wie dem Boucicaut-Meister und dem Bedford-Meister.
Aufenthalt in Bourges, wo er mit der lokalen Monumentalplastik, der Tradition der Brüder Limburg und den für Karl VII. und Jacques Coeur tätigen flämischen Malern in Berührung kam. Fouquet war vor allem als Buchmaler, aber auch als Tafel- und Emailmaler tätig. Schuf Entwürfe für Glasmalereien, Grabplastiken und Festdekorationen. Als Maler Ludwigs XI. war Fouquet vor allem für höfische Kreise tätig.
Um 1444/45 Porträt von Karl VII. (Paris, Louvre)
1446–1450 Jean Fouquet hielt sich für mindestens drei Jahre in Italien auf: gesicherte Aufenthalte in Rom und Florenz, in Venedig nicht ausgeschlossen, in Neapel unwahrscheinlich. In Rom malte Fouquet das heute nicht mehr erhaltene Porträt des Papstes Eugen IV.
1450 Nach seiner Rückkehr richtete sich Jean Fouquet in Tours eine große Werkstatt ein, in der später auch seine beiden Söhne Louis und François tätig waren.
Um 1453 „Stundenbuch des Étienne Chevalier“
Um 1455 „Diptychon von Melun“ (Berlin/Antwerpen)
Um 1460 „Porträt von Guillaume Jouvenel des Ursins“ (Zeichnung Berlin; Porträt Louvre)
Um 1458 Illustrationen zu „Cas des Nobles Hommes et Femmes“ (München, Bayerisches Staatsbibliothek)
Um 1460 „Grandes Chroniques de France“ (Paris, Bibliotheque Nationale)
1469/70 Titelblatt für die Statuen des Michaelsordens (Paris, Bibliotheque Nationale)
Um 1470–1476 „Antiquités Judaiques“ von Josephus Flavius
Um 1475 Vier einzeln ausgeschnittene Blätter zur „Histoire Ancienne jusqu’à César“ (Paris, Louvre)
Um 1470/80 „Pietà“ (Nouans)
Um 1480 Jean Fouquet ist in Tours gestorben.