Vor 100 Jahren konnten die ersten Frauen ein reguläres Studium an der Berliner Kunstakademie aufnehmen und das erste Mal ihr Wahlrecht ausüben. Dies nimmt die Ausstellung „Kampf um Sichtbarkeit. Künstlerinnen der Nationalgalerie vor 1919“ zum Anlass, die Werke von Malerinnen und Bildhauerinnen in den Blick zu nehmen, die es trotz aller Widrigkeiten in die Kunstöffentlichkeit geschafft und Eingang in die Sammlung der Nationalgalerie gefunden haben. Die Ausstellung und die begleitende wissenschaftliche Publikation widmen sich erstmals ausführlich allen vor 1919 entstanden Werken von Malerinnen und Bildhauerinnen und ist eine Revision der eigenen Sammlung unter dem wichtigen Aspekt heutiger Diskurse um Gleichberechtigung.
Deutschland | Berlin: Nationalgalerie
11.10.2019 – 8.3.2020
Gelang zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch einigen wenigen Künstlerinnen eine exzeptionelle Karriere innerhalb eines vorwiegend männlichen Kunstbetriebs, so verschärften sich die Restriktionen für Künstlerinnen ab der Jahrhundertmitte. Der Zugang zu Kunstakademien, Stipendiensystemen und wichtigen Auftragsarbeiten wurde ihnen verwehrt. In ihrem „Kampf um Sichtbarkeit“ engagierten sie sich in künstlerischen Vereinigungen, erkämpften sich Ausstellungsmöglichkeiten und zunehmend auch die Aufmerksamkeit wichtiger Förderer sowie die damit verbundenen prestigeträchtigen Aufträge und Ankäufe. Zu den wenigen Künstlerinnen, die vor 1900 den Durchbruch schafften, zählt vor allem Käthe Kollwitz oder auch Dora Hitz.
Die Ausstellung zeigt über 60 malerische und bildhauerische Werke von Künstlerinnen aus 140 Schaffensjahren, die alle vor 1919 entstanden sind. Einige davon sind seit Jahrzehnten Bestandteil der Dauerausstellung wie die Gemälde von Caroline Bardua, Elisabeth Jerichau-Baumann oder Dora Hitz und Paula Modersohn-Becker. Auch die Berliner Bildhauerin Renée Sintenis war seit den 1950er Jahren präsent. Andere werden nach langen Jahren im Depot erneut in der Alten Nationalgalerie zu sehen sein, darunter Arbeiten der Porträt- und Historienmalerinnen Friederike O’Connell oder Paula Monjé. Ein großer Teil wurde noch nie in den Räumen auf der Museumsinsel präsentiert. Zahlreiche einst erfolgreiche Künstlerinnen sind im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten, wie die norwegische Bildhauerin Ambrosia Tønnesen, die auch in den USA erfolgreiche Salonmalerin Vilma Parlaghy oder die russische Avantgarde-Pionierin Natalja Gontscharowa (Natalija Gončarova). In ihrer Vielfalt leisteten die Künstlerinnen einen wesentlichen Beitrag zum Kunstgeschehen ihrer Zeit.
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Ausstellungs- und Bestandskatalog mit ausführlichen Biografien der vertretenen Künstlerinnen.
Reimer Verlag