Elisabeth Jerichau-Baumann

Wer war Elisabet Jerichau-Baumann?

Elisabeth Jerichau-Baumann (Warschau 21.11.1819–11.7.1881 Kopenhagen) war eine deutsch-dänische Malerin der Düsseldorfer Malerschule und Vertreterin des Naturalismus und Orientalismus. Mit ihren Harmensbildern aus eigener Anschauung fügte sich Elisabeth Jerichau-Baumann in die Erwartungshaltung des europäischen Publikums, fügte dem Sujet jedoch eine Spur Realismus hinzu. Sie war mit dem dänischen Bildhauer Jens Adolf Jerichau verheiratet.

Kindheit

Elisabeth Jerichau-Baumann wurde als Anna Maria Elisabeth Lisinska Baumann am 21. November 1819 im außerhalb Warschaus gelegenen Sommerferienort Jolibord [Żoliborz] geboren (ehemals Russisches Kaiserreich, heute: Polen). Baumann wuchs hier und in Danzig, der Heimat der Mutter, auf. Ihr Vater Philip Adolph Baumann (1776–1863) war ein deutscher Kartenmacher in Warschau, die Mutter war Johanne Frederike, geborene Reyer (1790–1854). Ihre Schwester Rosa Baumann wurde in Warschauer als Altistin bekannt.

Ausbildung

Im Alter von 19 Jahren kam Elisabeth Baumann nach Düsseldorf (1838), nachdem sie zuvor von Julius Hübner d. Ä. in Berlin aufgrund mangelnden Talents als Schülerin abgelehnt worden war. Bis 1845 bildete sie sich als erste Privatschülerin bei Karl Ferdinand Sohn und Hermann Stilke in Düsseldorf zur Bildnis- und Historienmalerin aus. Auch durch Theodor Hildebrandt, Carl Friedrich Lessing und Wilhelm von Schadow wurde sie betreut. Hans Christian Andersen überliefert die Einschätzung Peter von Cornelius‘, der Baumanns Gemälde sehr bewunderte. Er meinte, „sie sei der einzige echte Mann in der Düsseldorfer Schule“.

Bereits 1840 zeigte Elisabeth Baumann ihr erstes Gemälde, „Kirchgang einer Braut“. Weiteren Erfolg hatte sie 1842 mit dem Gemälde „Die Heilige Caecilie“ sowie 1844 mit den durch die polnischen Aufstände angeregten und unter Leitung von Carl Ferdinand Sohn entstandenen Bildern „Die polnische Mutter mit ihren Kindern“ (erworben von Graf Atanazy Raczyński in Berlin) und „Die Polenfamilie auf den Trümmern ihres Hauses“ (erworben von Lord Lansdowne in London). Thematisch schloss sie sich damit einer realistischen Malerei mit sozialkritischen Tendenz an, wie sie auch in dem im selben Jahr entstandenen Gemälde „Die schlesischen Weber“ von Carl Wilhelm Hübner oder „Arbeiter vor dem Stadtrat“, 1848, von Johann Peter Hasenclever, anklingt. Darüber hinausgehend, ergänzte Baumann noch eine idealistische und sensualistische Note, die sie zu ihrem Markenzeichen machte.

Rom

Im Jahr 1845 erfüllte sich Elisabeth Baumann ihren größten Wunsch und ging nach Rom, wo sie ihren späteren Mann, den dänischen Bildhauer Jens Adolf Jerichau kennenlernte und 1846 dort heiratete. Wenn das Künstlerpaar nicht auf Reisen war, verbrachte die Malerin viele Stunden am Tag in ihrem Studio. Sie malte mit Vorliebe Bilder aus dem Volksleben Roms und war besonders begeistert von der Thematik des italienischen Karnevals.

Kopenhagen

Elisabeth Jerichau-Baumann folgte 1849 ihrem Gatten nach Dänemark, wo er eine Professur an der Königlich Dänischen Kunstakademie erhielt (später war er auch Präsident der Königlichen Kunstakademie). Durch ihren internationalen Hintergrund und insbesondere als Deutschstämmige hatte Jerichau-Baumann im Dänemark der Jahrhundertmitte einen schweren Stand, da der Schleswig-Holsteinische Krieg von 1848 bis 1851 das Verhältnis zu Deutschen schwer belastete. Ihre Haltung, trotz der Geburt von neun Kindern weiterhin zu malen, wurde als nicht adäquat empfunden. Genauso warf man ihr die starken Farben vor und bezeichnete ihre Malweise als „süßlichen“ und „pathetischen“ Stil. All dies galt in der dänischen Kunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als „undänisch“.

Mutter Dänemark und Der kranke Soldat

Erst mit der malerischen Thematisierung von Kriegserfahrung und Nationalstolz gelang es Elisabeth Jerichau-Baumann offizielle Anerkennung zu erhalten. So stellte die Malerin sowohl die siegreiche Allegorie von „Moder Danmark [Mutter Dänemark]“ (1851, Ny Carlsberg Glyptoteket, Kopenhagen) als auch „Der kranke Soldat“ (1865, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen) gekonnt ins Bild.

Die Allegorie Dänemarks zeigt Jerichau-Baumann als blonde Frau im Profil nach rechts gedreht, gekleidet in skandinavische Volkstracht mit geschulterter dänischer Fahne (Dannebrig), Wikinger-Schmuck, am Kopf am Hals und am rechten Arm sowie zu Boden gesunkenem, antikem Schwert – wie eine Walküre, die über ein Getreidefeld schreitet. Die Künstlerin spielt damit auf den Sieg der Nation über Deutschland in der Schlacht bei Isted 1850 an. Elisabeth Jerichau Baumann stellte das Gemälde 1851 in Charlottenborg aus. Danach kam es in den Besitz des Kaufmanns Conrad Stegmann, der es 1880 dem Besitzer der Carlsberg Brauerei, Carl Jacobsen, vermachte. Jacobsen war so erfreut von dem Bild, dass er es im Büro der Brauerei aufhing.

Das Bild „Mutter Dänemark“ wurde u.a. auf Schokolade und Zündholzschachteln reproduziert. Frauen aus Schleswig, deren Heimat nach dem Krieg 1864 annektiert worden war, trugen diese Reproduktionen an ihren Kleidern, wenn sie Kopenhagen besuchten. Auch ein dänisches Silber mit dem Motiv war während beider Weltkriege sehr beliebt.

Porträts

Elisabeth Jerichau-Baumann war zwar sehr produktiv und malte zahlreiche Porträts, wie das der Brüder Grimm, welches als Vorlage für den 1.000-Mark-Schein der vierten und letzten Serie der Deutschen Mark diente. Hierzu korrespondierte sie mit Herman Grimm, Sohn von Wilhelm Grimm. Weiters porträtierte sie bedeutende Dän:innen, wie die Schauspielerin Johanne Luise Heiberg und die dänische Königsfamilie: Louise von Dänemark (1817–1898) und deren Töchter, die Prinzessinnen Alexandra und Dagmar.

Doch trotz dieser königlichen Schirmherrschaft blieb die dänische Kunstwelt ihrerseits unterkühlt und die Königliche Gemäldesammlung erwarb nur eines ihrer Bilder: Das Bild „Der verwundete Soldat“ wurde 1866, auf ihre Empfehlung an den Kultusminister, für die Königliche Sammlung angekauft. Dennoch sollte der königliche Porträtauftrag der Malerin einen wichtigen Kontakt einbringen: Sie freundete sich mit Prinzessin Alexandra an, die die Ehefrau des zukünftigen britischen Königs Edward VII. wurde. Diese Beziehung half der Malerin in ihrer weiteren Beziehung mit dem britischen Publikum.

Internationaler Erfolg

Eine Bestätigung als Malerin in Dänemark, die seit 1861 ein Mitglied der Königlichen Kunstkadademie war, erhielt Elisabeth Jerichau-Baumann nicht zu ihren Lebenszeiten. Stattdessen hatte die Kosmopolitin Jerichau Baumann großen Erfolg im Ausland mit mehreren Ausstellungsbeteiligungen in verschiedenen europäischen Städten. So war Jerichau-Baumann als einzige Malerin 1851 in der Ausstellung der Düsseldorfer Malerschule der Düsseldorf Gallery in New York vertreten. Ihre Malerei war auch sehr beliebt in Frankreich, wo sie sich im Frühjahr 1860 und 1861 aufhielt, während sie zweimal auf der Weltausstellung in Paris vertreten war, 1855 und 1867. Der Kunstkritiker Théophile Gautier meinte nach der 1867 Ausstellung, dass nur drei Künstlerinnen in Europa den „Titel Malerin“ verdienen würden: Rosa Bonheur, Henriette Browne und Elisabeth Jerichau.

Im Vergleich nahm London in ihrem Leben eine Sonderstellung ein, da Elisabeth Jerichau-Baumann sich hier mehr als zehn Mal lange aufhielt. Sie stellte beispielsweise an der Royal Academy aus, war in der kommerziellen „Französischen Galerie“ vertreten und nahm an der Weltausstellung von 1862 teil.
Bei ihrem ersten Besuch im Juni 1852 stellte Elisabeth Jerichau-Baumann in der Bridgewater Gallery aus. Dies weckte die Aufmerksamkeit von Königin Victoria, welche die Malerin einlud, im Buckingham Palace eine private Präsentation zu organisieren. Dort führte Jerichau-Baumann ein Porträt von Königin-Witwe von Dänemark vor aber auch des dänischen Autors Hans Christian Andersen. Gleichzeitig stellte sie ihre Werke. Unter den Gemälden war ein Porträt des international bekannten Dichters H.C. Andersen. Königin Victoria erwarb ein Gemälde einer isländischen Frau, heute bekannt als „Die Norwegische Witwe“ (1851, Royal Collection, London). Im Jahr 1861 stellte sie der königlichen Familie das Bildnis von Prinzessin Alexandra vor, die im gleichen Jahr ihren zukünftigen Gemahl, den Prince of Wales, kennenlernte. Bis Mitte der 1870er Jahre reiste Jerichau-Baumann nach London.

Jens Adolf und Elisabeth Jerichau hatten neun Kinder, von denen sieben das Erwachsenenalter erreichten. Anerkannte Maler wurden Harald Jerichau (1851–1878) und Holger (1861–1900), der überwiegend impressionistische Landschaften malte.

Jerichau-Baumann im Nahen Osten

Die Malerin trat mit diesen Orientreisen und ihren exotischen Bildmotiven in die Fußstapfen von Jean Auguste Dominique Ingres, Jean-Léon Gérôme und Eugène Delacroix, sowie den Orientalisten Frederick Leighton, John Frederick Lewis, Ludwig Deutsch, Gustav Bauernfeind und Edwin Lord Weeks. Noch in den 1850ern war Jerichau-Baumann mit ihrem Ehemann nach Persien, in den Mittleren Osten und Nordafrika gefahren, um sich zu unterhalten.

In den Jahren 1869/70 und 1874/75 reiste Elisabeth Jerichau-Baumann mehrfach in den östlichen Mittelmeerraum und in den Nahen Osten. Nun besuchte sie besonders das Osmanische Reich, Griechenland und Ägypten, um orientalistische Motive zu finden. Jerichau-Baumann reiste gemeinsam mit ihrem Sohn Harald diese Reise, da seine Tätigkeit an der Kunstakademie ihren Mann in Dänemark hielten. Leider verstarb ihr Sohn kurz nach der Reise, da er an Malaria und Typhus erkrankt war.

Als Elisabeth Jerichau-Baumann 1869 Istanbul erstmals besuchte, hatte sie vor allem Bildnisse von den Kindern des Vizekönigs Ismail anzufertigen; der Auftrag, so schrieb die Malerin nach Haus brachte ihr „unglaublich viel Geld“ ein. Über die Vermittlung von Prinzessin Alexandra erhielt die Malerin Zugang zur Elite in Athen, Konstantinopel, Smyrna und Kairo, wo sie Paschas, Khediven, Gouverneure, Sultane, Prinzessinnen und Odalisken verewigte. In der islamischen Welt erfreuten sich Jerichau-Baumanns Porträts großer Beliebtheit, da die westliche Porträtmalerei und ihre Techniken zunehmend populär wurden. Die Malerin verkaufte ihre Porträts nicht nur an die Dargestellten, sondern nahm Skizzen und Kopien nach Europa mit, wo sie sie u. a. in der New Bond Street Gallery 1871 ausstellte, um sie britischen, französischen und deutschen Käufer:innen anzubieten.

Elisabeth Jerichau-Baumann erhielt zudem Zugang zu den Harems des Osmanischen Reichs, was männlichen Orientalisten verwehrt blieb. 1869 wurde ihr der Zugang zu dem Harem von Mustafa Fazil Pascha gewährt. Bereits im Vorfeld hielt das „Art Journal“ fest, dass das Interesse an diesen Werken „nicht überschätzt werden“ kann. Jerichau-Baumann konnte daher die orientalischen Kulissen des Haremslebens aus eigener Anschauung malen. Jerichau-Baumann stellte meist lebensgroße Figuren dar, wie „Griechischer Hirt am Parthenon“ oder romantisierende Darstellungen ägyptischer Frauen im Harem. Im „Art Journal“ von 1871 wurden Jerichau-Baumanns Bilder von halbnackten Frauen mit ihrem „prononcierten ethnografischen“ Stil sowie ihrer akkuraten Darstellung von „Nationalität“ erklärt. Nacktheit, so lässt sich schlussfolgern, ist demnach eine authentische (pseudo-)wissenschaftliche Voraussetzung ihrer exotischen Motive.

Jerichau-Baumann verarbeitete ihre Reiseerlebnisse in zwei Büchern. Darin schildert sie ihre Besuche in den Harmes von Konstantinopel, Smyrna und Kairo: „Brigede Rejsebilleder“ (Kopenhagen 1881)

Tod

Elisabeth Jerichau-Baumann starb am 11. Juli 1881 in Kopenhagen.

Die Malerin fand ihre letzte Ruhestätte auf dem Solbjerg Parkkirkegård in Frederiksberg, in dem auch ihr Ehemann bestattet ist.