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Brooklyn Museum: Frida Kahlo. Der Schein kann trügen Werke und Leben der berühmten mexikanischen Künstlerin

Frida Kahlo, Selbstbildnis als Tehuana oder Diego in meinen Gedanken, Detail, 1943 (The Jacques and Natasha Gelman Collection) Mexican Art and The Vergel Foundation, Werk: © Banco de México, Diego Rivera & Frida Kahlo Museums Trust, México, D.F./VBK, Wien, 2010.

Frida Kahlo, Selbstbildnis als Tehuana oder Diego in meinen Gedanken, Detail, 1943 (The Jacques and Natasha Gelman Collection) Mexican Art and The Vergel Foundation, Werk: © Banco de México, Diego Rivera & Frida Kahlo Museums Trust, México, D.F./VBK, Wien, 2010.

Die weltberühmte mexikanische Künstlerin Frida Kahlo (1907–1954) wird 2019 im Brooklyn Museum in New York geehrt. Der einzigartige und sofort erkennbare Stil Kahlos war ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität. Kahlo definierte sich selbst über ihre ethnische Zugehörigkeit, Behinderung und Politik und stellte diese Themen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. „Frida Kahlo: Der Schein kann trügen“ ist die größte Ausstellung zur Künstlerin in den Vereinigten Staaten. Neben den malerischen Werken zeigt sie eine Sammlung von persönlichen Besitztümern, die seit Frida Kahlos Tod gesperrt und im Jahr 2004 nach Aufhebung der Sperre wiederentdeckt und inventarisiert wurden.

Neben bedeutenden Gemälden, Zeichnungen und Fotografien aus der berühmten Kunstsammlung Jacques und Natasha Gelman werden historische Filme und Ephemera gezeigt. Um die Sammlungsinteressen von Frida Kahlo und ihrem Ehemann, dem Wandmaler Diego Rivera, zu beleuchten, sind zudem Werke aus dem umfangreichen Bestand an mesoamerikanischer Kunst aus dem Brooklyn Museum zu sehen. Der Einblick in das Privatleben der Künstlerin offenbart, wie Politik, Geschlecht, Kleidung, nationale Identitäten und Behinderung als Teile von Frida Kahlos Selbstdarstellung in ihren Werken und ihrem Leben eingesetzt wurden.

Kahlos Artefakte

Zu Kahlos persönlichen Objekten gehören bemerkenswerte Beispiele von Kahlos Tehuana-Kleidung, zeitgenössischer und präkolonialer Schmuck, Kosmetika, Briefe sowie einige der handgemalten Korsetts und Prothesen, die die Künstlerin zu Lebzeiten verwendete. Diese Artefakte lagerten im Casa Azul [Blaues Haus], dem langjährigen Wohnsitz von Kahlo und Rivera in Mexiko-Stadt. Die Künstler bestimmten, dass ihr Besitz erst 15 Jahre nach Riveras Tod offengelegt werden sollte. Die Objekte werfen ein neues Licht auf die Art und Weise, wie Kahlo ihr Aussehen veränderte und so ihre persönliche und öffentliche Identität gestaltete, so dass sie ihr kulturelles Erbe und ihre politischen Überzeugungen widerspiegelte. Gleichzeitig wollte sich auch ihre körperlichen Behinderungen ansprechen und einbeziehen.

Zu den ausgestellten Gemälden gehören „Selbstporträt mit Halskette“ (1933), „Selbstporträt mit Zopf“ (1941) und „Selbstbildnis als Tehuana oder Diego in meinen Gedanken“ (1943, The Jacques and Natasha Gelman Collection), das Frida Kahlo in traditioneller Tehuana-Kleidung zeigt. Die äußerst kunstvolle Kopfbedeckung wird mit einem Miniaturportrait von Diego ergänzt, das sich über ihrer ikonischen Augenbraue befindet.

Kahlo und die mexikanische Tradition

Um die Sammlungsinteressen von Frida Kahlo und Diego Rivera hervorzuheben, zeigt das Museum Arbeiten aus der Sammlung des Brooklyn Museum of Arts of Americas, darunter alte westmexikanische Keramiken wie eine Colima-Hundeskulptur und ein Paar männliche und weibliche Nayarit-Figuren, aztekische Skulpturen des Mais Göttin und des Windgottes. Die uralten Colima-Hunde waren für Kahlo von besonderem Interesse, da sie die mexikanischen haarlosen Hunde, die sogenannten Xoloitzcuintli, darstellen, die sie liebte. Keramik des frühen 20. Jahrhunderts aus dem Keramikzentrum von Tonalá in Guadalajara, Mexiko, ergänzen die Auswahl.

Kleidung und Behinderung

Kahlos Wahl der Kleidung ließ sie allgemein verständliche Aussagen zur Politik machen. Dennoch darf der Aspekt der Behinderung nicht vergessen werden. Frida Kahlo ist in ihrer Kindheit an Polio erkrankt, wovon ein Bein zeitlebens geschwächt zurückblieb. Mit achtzehn Jahren war sie in einen schrecklichen Bus-Unfall verwickelt, währenddessen ihre Wirbelsäule brach. Die Malerin musste sich während ihres Lebens mehr als 30 Operationen unterziehen. Jahrzehntelang erholte sich im Blauen Haus von den Behandlungen in Krankenhäusern.

Die traditionelle Tehuana-Kleidung, die Kahlo für sich wählte, gab ihr die Möglichkeit zu kontrollieren, wie die Menschen sie sahen. Sie fühlte sich in den langen Röcken und weiten Blusen wohl – und konnte ihre Behinderungen dadurch verstecken. Die gleichen Behinderungen waren aber auch ein wesentlicher Aspekt in ihrer Arbeit. In der Ausstellung wird die faszinierende Farbzeichnung gezeigt, die den Titel „Las apariencias engañan [Der Schein kann trügen]“ trägt: Im Selbstporträt ist Kahlos gebrochener Körper, der normalerweise unter ihrer Kleidung verborgen ist, durch eine transparente Bluse und einen ebensolchen Rock sichtbar.

Die Malerin Kahlo in New York

1931 reiste Frida Kahlo mit Diego Rivera, den sie 1929 geheiratet hatte, nach New York City. Rivera war beauftragt worden, im Rockefeller Center ein Wandgemälde zu malen. Mit diesem Projekt wurde der mexikanische Muralist über Nacht berühmt, wurde er doch 1934 für ein Bild des Kommunisten Wladimir Lenin, Revolutionär und Führer der Sowjetunion, gefeuert.

Während dieser einflussreichen Zeit im Leben der Künstlerin festigte sie ihre politischen Einstellungen und begann ihre Karriere als Malerin. Als Folge dieser Ereignisse und der großen Klassenunterschiede, die sie in den Vereinigten Staaten aus erster Hand erlebte, bekräftigte Frida Kahlo in ihren politischen Überzeugungen. Kahlo, die ein aktives Mitglied der Kommunistischen Partei war, wurde dadurch angeregt, sich als offen politisch und nationalistisch zu bezeichnen und die mexikanische Revolution zu unterstützen.

1938 veranstaltete der surrealistische Dichter André Breton in New York die erste Galerieausstellung der Künstlerin in der einflussreichen Julien Levy Gallery. Der durchschlagende Erfolg bei den New Yorker Kritikern eröffnete Kahlos internationale Karriere. Ein ikonisches Farbporträt Frida Kahlos, das der Fotograf Nickolas Muray 1939 im Greenwich Village aufgenommen hatte, dokumentiert diese Zeit in New York. Deutlich sichtbar wird, wie Kahlo sich durch ihre Kleidung, die ethnische Zugehörigkeit, Behinderung und Politik definierte – und diese Aspekte in den Mittelpunkt ihrer Arbeit als Künstlerin stellte. Als Tochter eines deutsch-ungarischen Vaters und einer halb-spanischen, halb indigenen Tehuana-Mutter wurde Kahlos sorgfältig orchestrierter persönlicher Stil ein mutiges Statement zu kultureller Identität, Nationalismus und Geschlecht darstellt. In den Jahren nach der mexikanischen Revolution (1910–1920) wurde die regionale Vielfalt zum Symbol des Nationalstolzes in Mexiko. Bis 1930 übernahm Kahlo das traditionelle bunte Gewand der Region Tehuana, einer matriarchalischen Gesellschaft in Oaxaca, Mexiko, die Kahlo für die Schönheit ihrer Kultur und die Macht, die sie den Frauen anvertraute, verehrte. Die bodenlangen Röcke, wehenden Blusen und aufwendigen Kopfbedeckungen der Tehuana-Frauen wurden zu Kahlos unverkennbaren Kleidungsstücken und dienten dazu, ihre politischen Überzeugungen und ihren Stolz auf die mexikanische Kultur zu bekräftigen – insbesondere in den 1930er Jahren, als ihre Politik radikaler wurde.

Frida Kahlo in der Fotografie

Frida Kahlo nutzte die Fotografie, um ihr Bild in der Öffentlichkeit zu streuen und zu kontrollieren. Die frühesten Aufnahmen stammen von ihrem Vater, dem Fotografen Guillermo Kahlo. Später schossen Bilder von der Künstlerin und ihrem Mann: Manuel Álvarez Bravo, Lola Álvarez Bravo, Gisela Freund, Nickolas Muray und Edward Weston.

Frida Kahlo im Brooklyn Museum

Die Kahlo-Ausstellung im Brooklyn Museum 2019 erweitert das Verständnis für die Künstlerin und ihre Werke, indem sie die einzigartige Kraft hinter ihrer Selbstdarstellung in der Welt und der Kunst beleuchtet. „Frida Kahlo“, so Lisa Small, Senior-Kuratorin des Brooklyn Museum, „ist neben Georgia O’Keeffe vielleicht die einzige Künstlerin, deren Kleidungsstil nicht nur mit ihrer persönlichen Identität und künstlerischen Praxis verbunden war, sondern auch ihren Status als kulturelle Ikone seit den 1980er Jahren zementierte.“

Die zu ihren Lebzeiten wenig bekannte Künstlerin entwickelte sich zu einer Feministin. Für Catherine Morris, Senior-Sackler-Kuratorin, ist wichtig, dass „die vorherrschende Erzählung, dass Frauen zu oft durch ihre Kleidung, ihr Aussehen und ihre Schönheit definiert werden, von Kahlo durch die ermächtigenden und absichtlichen Entscheidungen für sich selbst umgemünzt wurde. Sie bediente sich der Kleidung zur Gestaltung ihrer eigenen Identität.“

„Frida Kahlo: Appearances Can Be Deceiving” wird von Catherine Morris, Senior-Sackler-Kuratorin des Elizabeth A. Sackler Center for Feminist Art, und Lisa Small, Senior-Kuratorin für Europäische Kunst im Brooklyn Museum, kuratiert. Die Ausstellung basiert auf einer Schau im V & A London. Die Brooklyn-Ausstellung wird in Zusammenarbeit mit dem Banco de México, dem Diego Rivera und Frida Kahlo Museum Trust sowie mit der Jacques und Natasha Gelman Collection für Kunst des 20. Jahrhunderts und der Vergel Foundation organisiert.

Brooklyn Museum: Frida Kahlo. Der Schein kann trügen: Bilder

  • Frida Kahlo, Selbstbildnis als Tehuana oder Diego in meinen Gedanken, 1943 (The Jacques and Natasha Gelman Collection) Mexican Art and The Vergel Foundation, Werk: © Banco de México, Diego Rivera & Frida Kahlo Museums Trust, México, D.F./VBK, Wien, 2010.

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.