Die weltberühmte mexikanische Künstlerin Frida Kahlo (1907–1954) wird mit 50 Gemälden und 90 Arbeiten auf Papier, ergänzt durch eine Auswahl von historischen Fotografien, in einer ersten Retrospektive in Österreich vorgestellt. Kahlos Selbstinszenierung und ihr persönliches Schicksal werden in einer Vielzahl von Selbstporträts, Fotos und „surrealen“ Visionen greifbar, ihre Beschäftigung mit der mexikanisch-aztekischen Tradition in Bildern von den Gestirnen Sonne und Mond als Symbole für Männlich- und Weiblichkeit.
Österreich/ Wien: Bank Austria Kunstforum
1.9.-5.12.2010
So ist es in ihrem Werk und Nachruhm immer schwierig zwischen Legende, Mythos, Selbstdarstellung und Lebensrealität zu unterscheiden. Denn wie kann eine seit einem Unfall 1925 jahrelang unter chronischen Schmerzen leidende, 46-jährige Frau knapp ein Jahr vor ihrem Tod in ihr Tagebuch schreiben? „Trotz meiner langen Krankheit fühle ich eine riesige LEBENSLUST.“ (30. Januar 1953) Wie kann eine liebende Ehefrau die ständigen Affären ihres Mannes Diego Rivera, den sie sich in einem Selbstbildnis sogar auf die Stirn tätowierte, ertragen? Welches Selbstbild suchte sie in ihren Bildern zu vermitteln?
Das Werk Frida Kahlos entwickelt sich – und darauf zielt die Hängung der Ausstellung ab – zwischen Neue Sachlichkeit und Surrealismus. Einerseits wird ihr Bestreben spürbar, die sichtbare Welt in Porträts und Stillleben gleichsam wie eine Fotografin einzufangen und festzuhalten. In den Zeichnungen wird deutlich, dass klar gezogene Umrisse und das Herausarbeiten der Körperlichkeit mittels Licht und Schatten zu den wichtigsten malerischen Kriterien ihres frühen Werks zählen. Im Laufe der Jahre entwickelte Frida Kahlo auch Interesse an der Wiedergabe von Texturen und Oberflächen. Einige Arbeiten wirken „naiv“ und am Porträttypus der italienischen Frührenaissance orientiert, beispielsweise nimmt das „Selbstbildnis mit Samtkleid“ (1926) durch Haltung und Hintergrundlandschaft auf Botticellis „Geburt der Venus“ Bezug.
Andererseits machen viele ihrer Bilder ab 1931 eine „surreale“ Welt visuell zugänglich, die der Künstlerin zufolge keine Träume sondern ihre Lebenswirklichkeit, vielleicht am besten als ihre Gedankenwelt beschreibbar, wiedergeben. Auch wenn André Breton 1938 anlässlich eines Besuchs in Mexiko fasziniert vom „genuinen Surrealismus ihrer Werke“ war, so bestand die Malerin auf ihre Unabhängigkeit. In diesem Sinne empfand sie sich selbst nicht als Surrealistin, stattdessen schlug sie vor, ihre Gemälde autobiografisch zu interpretieren. Dass sich das Werk der Mexikanerin jedoch nicht nur aus persönlich Erlebt- und vor allem Erleidetem speist, wird schnell klar. Es verrät eine mehrfache kulturelle Prägung: Spuren archaisch-ägyptischer (siehe das Fragment eines Freskos, das stark an Mumienporträts erinnert), christlicher (Ikonenmalerei) aber auch zeitgenössischer Malerei, präkolumbianischer, folkloristisch-mexikanischer, mystischer und zivilisatorischer Diskurse sind nachweisbar. Frida Kahlo gelingt es zudem, diese Themenkomplexe in Bilder voll leuchtender Farben zu fassen.
Seit den 1980ern erlebt das Werk der Antikapitalistin und Kommunistin einen weltweiten, ungebrochenen Boom. Eine internationale „Fridamanie“ war ausgebrochen, die malende Frau von Diego Rivera „bekam“ eine eigene Geschichte. Ihr Vermächtnis wird jedoch bis heute weniger in politischen Dimensionen gelesen als im Persönlichen verortet. Die von ihr verwendeten Symbole für Mutterschaft, Abfolge von Generationen, Werden und Vergehen, für Liebe, Schmerz und Leid aber auch für das Geheimnis des Lebens sind gleichermaßen verständlich wie abgründig. Diese Intimität der Themen, die Direktheit ihrer Vermittlung und ihre geheimnisvoll-bekannte, immer aber individuelle Bildsprache machen die Faszination ihres Werks aus - über die Bewunderung einer offenbar starken und leidenschaftlichen Frau mit schillernder Persönlichkeit und hoher Sensibilität für Selbstdarstellung hinaus.