Gunter Damisch, Kohlstangengeflechtrurm, Detail, 2013, Aluminium, 320 x 125 x 110 cm, Foto: Alexandra Matzner.
Die Galerie Hilger präsentiert ca. 50 Arbeiten von Gunter Damisch (Steyr 20.5.1958–30.4.2016 Wien) unter dem Titel „Überblick & Ausschnitt“ in ihrer Dependance im 10. Bezirk. Die Gemälde, Druckgrafiken und Skulpturen stammen aus den Jahren 2012 bis 2014 und demonstrieren mit welcher Vitalität der gebürtige Oberösterreicher über das Thema Natur nachzudenken versteht.
Die Kompositionen von Gunter Damisch sind zweifelsohne ausbalanciert. Er arbeitet schon mit den Betrachterstandpunkten, mit Nähe und Ferne, wenn seine Werke einerseits vor Detailfülle und Materialdichte nur so strotzen und andererseits aus der Entfernung als nahezu abstrakte Kompositionen eines All-over von menschlichen, vegetabilen und tierischen Formen funktionieren.
Österreich / Wien: Hilger NEXT Wien 10, Absberggasse 27/2.3, 1100 Wien
11.9. - 25.10.2014
Eintritt frei
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Gunter Damisch. MACRO. MICRO (Albertina)
Der spielerische Umgang mit den Naturmaterialien, die er zu Aluminiumbögen und –stelen verarbeitet, teils bemalt, teils silbern schimmernd, steht dem zweckorientierten Denken im Umgang mit Natur diametral entgegen. Artischocken und Sonnenblumen schätzt der Künstler wohl wegen ihrer interessant stacheligen Formen. Auf Tannenzapfen, Baumstämmen und Weltenbögen tummeln sich kleine Figuren. Ihre Titel spiegeln scheinbar ihre additive Genese wieder: „Zapfenkürbisstele“ (2012), „Sonnenblumensteherorte“ (2012), „Sonnenblumenkopf Beulenstele“ (2013) verschlingen genannte Pflanzen mit lokalen Bezeichnungen. Ihre konzeptuelle Nähe zu manieristischen Kunstkammerstücken der Prager Hofkunst, in denen Naturabgüsse zu absonderlich-spannenden Formen kombiniert wurden, macht eine interessante Assoziationskette auf.
Damisch‘s undogmatischer Zugang – „Kunst kann alles und muss nichts“1 – lässt ihn mit offenen Augen durch die Welt spazieren und seine Wahrnehmung auf die Individualitäten der Pflanzen wertschätzen. Damisch arbeitet mit dem Prinzip der Selbstähnlichkeit, das bei gleichbleibender Form eine Vielfalt an Gestalten beschreibt. Ihre Unregelmäßigkeiten innerhalb eines offensichtlichen Bauplans faszinieren ihn genauso wie das Wuchern im heimischen Garten. Einerseits schätzt er die Bedeutung dieser evolutionären Offenheit und andererseits lässt sich das Prinzip auch auf sein eigenes Schaffen anwenden. In den Gemälden wie in den Druckgrafiken interessiert sich der Künstler für Variationsmöglichkeiten, innerhalb derer Entwicklung möglich ist.
Felder, Welten, Wege, Flämmler und Steher als Sinnbilder für den Menschen prägen Damisch‘s Bildwelten bereits seit den 1980er-Jahren, als er, als „Junger Wilder“ apostrophiert, relativ schnell Erfolg hatte.2 Zu den neuen Ansätzen in seinem Werk zählen in der Galerie Hilger jene Arbeiten, mit denen er Strukturen der jüngst in der Albertina gezeigten Holzschnitt-Collagen mit Malerei verbindet (→ Gunter Damisch. MACRO. MICRO). In ihnen schlägt er eine Brücke von eigener Naturwahrnehmung zur (traditionellen) Naturwiedergabe. Archiv und eigene Anschauung reihen sich aneinander, „Helles Köpflerpilzcollagenfeld“ (2014, Öl auf Leinwand und Collage, 150 x 160 cm) vereint Illustrationen von Pilzen, Pilzbilder und eine Flämmerlerinvasion. Die Spannung zwischen Naturwissenschaft und Kunst scheint friedvoll gelöst. Geht es darum, eine möglichst allgemeine Form spezieller Pilzarten zu finden, oder um die emotionale Beziehung des Malers und schlussendlich der Betrachter_innen zu diesen eykariotischen Lebewesen? Damisch verbindet auf ambivalente Weise Innenschau und Weltbeziehung, oder wie es Michael Fried genannt hat, ein Eintauchen in das Thema („Immersion“) mit dessen Reflexion („Specularity“)3 und sucht so, die Wissensgestaltung der auf klar definierten Methoden basierenden Naturwissenschaft durch die Offenheit künstlerischer Produktion zu erweitern. Die Aufnahme von pflanzlichen Simulakren in den Aluminiumgüssen, das Integrieren von Naturabbildungen und die skulpturale bzw. malerische Überarbeitung zeigen sich demzufolge als zwei Seiten ein und derselben Medaille: Sie sind Stellvertreter der Welt und der Menschen und stellen schlussendlich die philosophische Frage nach der Existenz.