Leben und Werke von Amedeo Modigliani (1884–1920) werden in der Tate Modern neu beleuchtet. Unter den 100 Arbeiten der Ausstellung sind die zehn ausgestellten Frauenakte Modiglianis einerseits die berühmtesten Bilder, andererseits provozierte der Maler mit ihnen seinen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen am meisten (→ Amedeo Modigliani: Biografie).
Großbritannien | London: Tate Modern
23.11.2017 – 2.4.2018
Modiglianis explizite Darstellungen nackter Frauen liegend oder sitzend wurden kontroversiell diskutiert und führten zur Zensurierung der einzigen Ausstellung seines Lebens: Berthe Weill hatte den aufstrebenden Künstler aus Livorno zu einer Einzelpräsentation in ihre Galerie eingeladen, wo der Maler 30 weibliche Akte zeigte. Am 3. Dezember 1917 wurde die Ausstellung mit einer Vernissage mit geladenen Gästen eröffnet. Die Galerie lag gegenüber einer Polizeistation und ein Kommissar wurde auf den Menschenauflauf aufmerksam, der sich infolge eines im Schaufenster präsentierten Aktes bildete. Er rief Berthe Weill zu sich und forderte sie auf, die Ausstellung zu beenden und die Bilder abzuhängen, weil diese zu freizügig seien. Um eine Beschlagnahmung der Bilder zu verhindern, kam Weill der Aufforderung nach.
Mit seinen Bildern modernisierte Amedeo Modigliani die figurative Malerei. Der aus Italien stammende, jüdisch stämmige Maler lebte ab 1906 in Paris. Hier traf er auf Maler wie Paul Cézanne, Henri de Toulouse-Lautrec und Pablo Picasso. Modigliani begann in seinen Gemälden – meist Porträts – zu experimentieren und seine eigene Bildsprache zu entwickeln: „Büste einer jungen Frau“ (1908, Lille Métropole Musée d'Art Moderne, Villeneuve-d'Ascq) und „Der Bettler von Leghorn“ (1909, Privatsammlung). Modigliani bewegte sich in einem Kreis von Künstlern, Dichtern, Händlern, Schriftstellern und Musikern, von denen viele auch für seine Porträts posierten, darunter für „Diego Rivera“ (1914, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf), „Juan Gris“ (1915, Metropolitan Museum of Art, New York) und „Jean Cocteau“ (1916, The Henry and Rose Pearlman Foundation, Princeton University Art Museum). Die Rolle der Frauen in Modiglianis Arbeitspraxis wird von Kuratorin Nancy Ireson besonders beleuchtet werden. Vor allem die Schriftstellerin und Dichterin Beatrice Hastings steht als Muse und Networkerin in der Kunstszene von Paris im Zentrum der Betrachtung.
Noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs beschäftigte sich Amedeo Modigliani intensive mit der Bearbeitung von Stein. Die Hinführung zur Bildhauerei ermöglichten Freunde wie Constantin Brâncuși und Jacob Epstein. Die weniger bekannte Serie von „Köpfen“ wird in der Tate London durch eine Gruppe von Werken vorgestellt.
1918 verließ Modigliani Paris in Richtung Süden, um seinen durch Krankheit und Drogensucht geschwächten Körper Erholung zu gönnen. Hier entwickelte er eine hellere Farbpalette und wandte sich der ländlichen Bevölkerung zu, die ihm für Porträts saß. Die Ausstellung in der Tate bringt „Junge Frau des Volkes“ (1918, Los Angeles County Museum of Art) und „Knabe mit blauer Jacke“ (1919, Indianapolis Museum of Art).
Den Abschluss der Modigliani Ausstellung bilden Porträts seiner engsten Freunde. Sie versorgten ihn mit dem nötigen Geld und boten emotionale Stützen während seines turbulenten und kurzen Lebens. Darunter befand sich auch sein Händler und enger Freund Léopold Zborowski sowie dessen Freundin Hanka, und natürlich Jeanne Hébuterne, die Mutter von Modiglianis Kind und eine der wichtigsten Frauen in seinem Leben. Als Amedeo Modigliani 1920 an TB Meningitis verstarb, verübte Jeanne Selbstmord.
Kuratiert von Nancy Ireson, Curator of International Art, Tate Modern and Simonetta Fraquelli, Independent Curator, with Emma Lewis, Assistant Curator.