Pablo Picasso
Wer war Pablo Picasso?
Pablo Picasso (Málaga 25.10.1881–8.4.1973 Mougins) war ein spanischer Maler, Grafiker und Bildhauer. Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Seine überbordende Produktivität brachte ein Gesamtwerk von mehr als 15.000 Gemälden, 3.200 Keramiken, 7.000 Zeichnungen, 1.200 Skulpturen und 20.000 Druckgrafiken. Picasso kam als Sohn des Malers und Zeichenlehrers José Ruiz Blasco und dessen Ehefrau Maria Picasso y Lopez in Malága zur Welt. Ab 1901 nutzte er den aus Italien stammenden Namen seiner Mutter als Künstlernamen, da ihn die zwei „S“ faszinierten und er ihn für wohlklingender hielt. Der Ruhm Picassos ist mit der Erfindung des Kubismus – gemeinsam mit George Braques – verknüpft. Sein Gemälde „Les Demoiselles d‘Avignon“ (März–Juli 1907, MoMA) avancierte in den 1920er Jahren zur Ikone der Moderne.
„Bilder, ob fertig oder nicht, sind Seiten meines Tagebuchs und als solche haben sie ihre Bedeutung. Die Zukunft wird die Seiten aussuchen, die sie für wichtig hält.“1 (Pablo Picasso)
Kindheit und früheste Werke
Pablo Picasso wurde am 25. Oktober 1881 als erstes Kind von José Ruiz Blasco (1838-1913) und Maria Picasso y Lopez in Málaga geboren.
Im September 1891 zog die Familie Ruiz Picasso nach La Coruna. Vier Jahre später wurde José als Lehrer an die Kunstakademie La Lonja in Barcelona berufen. Daher zog die Familie im September 1895 nach Katalonien. Im Sommer besuchte Picasso Madrid und verbrachte die Ferien in Málaga. Während einer Schiffsreise nach Barcelona entstanden kleine Seestücke. Im Winter schuf er sein erstes großes Bild im akademischem Stil: „Die Erstkommunion“ (Museu Picasso, Bacelona)
Im folgenden Jahr hielt sich Pablo Picasso wieder in Málaga auf, wo er sich mit Landschaften und Stierkampfbildern (erstmals) beschäftigte. Noch vor seiner glänzend bestandenen Aufnahmeprüfung an der Akademie San Fernando in Madrid im Oktober 1897 entstand das Gemälde „Wissenschaft und Barmherzigkeit“ (Museu Picasso, Barcelona).
Ausbildung
Im Oktober 1897 begann Picasso ein Malereistudium an der Akademie San Fernando. Das Wunderkind besuchte die traditionswürdige Institution sporadisch bis 1899.
Bereits im Mai/Juni 1898 kehrte Picasso nach Barcelona zurück. Den Sommer verbrachte er in Horta de Ebro, wo sein Freund Pallarès wohnte; zudem hielt sich Picasso mehrere Monate im Santa-Barbara-Gebirge auf. Erst im Februar 1899 kehrte der jugendliche Maler nach Barcelona zurück. Dort wurde er Mitglied der Gruppe „El Quatre Gats [Die vier Katzen]“, wo er Jaime Sabartès und Carles Casagemas kennenlernte. Im Februar 1900 stellte Picasso mit „El Quatre Gats“ aus.
Erste Aufenthalte in Paris
→ Pablo Picasso und Henri de Toulouse-Lautrec
Gemeinsam mit Casagemas reiste Picasso im Oktober 1900 erstmals nach Paris. Dort bezog er das frühere Atelier von Nonell am Montmartre. Er lernte den Kunsthändler Pedro Manach und Berthe Weill kennen und verkaufte drei Stierkampf-Aquarelle. Am 20. Dezember 1900 kehrten Picasso und Casagemas wieder nach Barcelona zurück.
Weihnachten verbrachte Picasso in Malága, Mitte Januar 1901 fuhr er nach Madrid. Dort hörte er vom Selbstmord Casagemas in Paris (17.2.). Bevor Picasso selbst wieder nach Paris reiste, verbrachte er noch den April in Barcelona. Im Mai ging Picasso wieder nach Frankreich und wohnte am Boulevard de Clichy, in jenem Haus, wo Casagemas sein Atelier hatte. 1901 hatte Picasso seiner erste große Ausstellung gemeinsam mit Iturrino in der Pariser Galerie Vollard (25.6.-14.7.). Im Rahmen des Aufenthalts lernte Picasso den Dichter Max Jacob kennen. In diesem Winter stellte sich Picasso im „Selbstbildnis“ (1901, Musée Picasso, Paris) dar. Erst Ende Januar 1902 kehrte er nach Barcelona zurück.
Picassos zweite Ausstellung in Paris - gemeinsam mit Bernard-Lemaire in der Galerie Berthe Weill (1.-15.4.1902) - wurde organisiert, während er sich in Barcelona aufhielt. Die Bedeutung von Paris für Picasso zeigt sich, dass sich der junge Maler bereits im Oktober 1902 wieder dort lebte. In dieser Phase entwickelte er die Blaue Periode.
Blaue und Rosa Periode
Der frühreife Künstler entwickelte nach dem tragischen Selbstmord seines Freundes Casagemas die sogenannte Blaue Periode, der 1906 die Rosa Periode folgte. Wählte Picasso in der Blauen Periode Bettler, Mütter mit Kindern (aus dem Gefängnis St. Lazare), Absinthtrinker als Motive seiner Bilder, so wandte er sich ab 1904/05 Mutterschaftsbildern, Gauklern, Harlekinen zu. Die charakteristische blaue bzw. rosa Färbung der Werke wird als Ausdruck von Melancholie und Hoffnung gedeutet. Die Gemälde „Das Leben“ und „Die Gauklerfamilie“ sind die Hauptwerke dieser ersten beiden Stilphasen im Werk von Pablo Picasso.
Blaue Periode
→ Pablo Picasso: Blaue Periode
Erstmals präsentierte Pablo Picasso Werke der Blauen Periode Ende 1902 in einer Gruppenausstellung bei Berthe Weill (15.11.-15.12.). Das Jahr 1903 verbrachte er in Barcelona. Im Frühjahr 1903 begann er mit der Arbeit an „Das Leben“ (Cleveland Museum of Fine Arts). Erst im Herbst 1904 kehrte Picasso nach Paris zurück und zog in Paco Durios frühes Atelier im Bateau-Lavoir. In diesem Jahr lernte der Spanier Guillaume Apollinaire, André Salmon und Fernand Olivier kennen.
Rosa Periode
Bereits im Herbst 1904 änderte Picasso seinen Stil und entwickelte mithilfe von Mutterschaftsbildern die sog. Rosa Periode. In der Pariser Galerie Serruier stellte er im Frühjahr 1905 erste Bilder dieser neuen Phase aus (25.2.-6.3.). Im Frühjahr darauf entstand „Die Gaukler“ (National Gallery, Washington) und im Sommer während eines Aufenthalts im holländischen Schoorl „Die drei Holländerinnen“ (Musée national d'art moderne/Musée Picasso, Paris). Im Herbst 1905 lernte Picasso das Sammler-Geschwisterpaar Gertrude und Leo Stein kennen. Kurze Zeit später wandte er sich den Harlekin-Bildern zu und begann im Winter das „Porträt von Gertrude Stein“ (The Museum of Modern Art, New York), das erst im folgenden Jahr vollendet wurde.
Über Getrude Stein lernte Pablo Picasso 1906 Henri Matisse kennen. Anfang März konnte er die meisten Bilder der Rosa Periode an den Kunsthändler Vollard verkaufen. Mit seiner Freundin Fernande Olivier reiste Picasso Anfang Mai nach Barcelona und Mitte Mai in das nordkatalonischen Gósol. Dort verbrachte Pablo Picasso einige Wochen und wandte sich der Aktmalerei zu. Neben den Akten mit voluminösen Körpern schuf Picasso auch das Gemälde „Zwei Brüder“.
Erfindung des Kubismus
Das Schlüsselwerk der Moderne ist Picassos Gemälde „Les Demoiselles d’Avignon“ (1907), auf dem er erstmals Figuren aus verschiedenen Perspektiven gleichzeitig zeigte. Damit legte er einen Grundstein für den ab 1908 gemeinsam mit Georges Braque entwickelten Kubismus. Ausgehend von den Überlegungen Paul Cézannes und afrikanischer Plastik, zerlegten Picasso und Braque die Bildgegenstände in Facetten und quaderförmige Strukturen. Volumen und Rhythmus wurden wichtiger als die Farbigkeit, die zugunsten einer nahezu monochromer Farbgebung reduziert wurde. Dem analytischen Kubismus folgte ab 1912 der synthetische, für den die beiden Maler die Methode des Collagierens in ihren Gemälden einsetzten. Mit ihren Experimenten lösten Picasso und Braque eine Welle an Begeisterung aus – zumindest in einer kleinen Gruppe Pariser Avantgardisten. Zu den Kubisten (zweiten Ranges) zählen Juan Gris, Robert Delaunay und Fernand Léger, die auch als die „Salonkubisten“ bekannt wurden.
Zurück zur Klassik und Liaison mit dem Surrealismus
Ab 1917 löste sich Pablo Picasso vom Kubismus und wandte sich dem Klassizismus von Ingres zu. Auslöser waren die erste öffentliche Präsentation von „Les Demoiselles d’Avignon“ und seine Arbeit für das Ballett „Parade“ für die Truppe von Sergei Diaghilev. Picasso gestaltete Bühnenbild, Kostüme und Vorhang – und traf seine erste Ehefrau, die Tänzerin Olga Khokhlova (→ Picassos erste Frau: Olga Picasso). Picasso ließ 1917 die harten Tage auf dem Montmartre hinter sich und wurde dank der Verbindungen seiner chilenischen Gönnerin Eugenia Errázuriz, die ihn seinem neuen Händler Paul Rosenberg vorstellte, zu einem der gefragtesten Maler in Paris.
Nach der Hochzeit 1918 und dem Ende des Ersten Weltkriegs war Picasso – neben Henri Matisse – zum führenden Maler Frankreichs avanciert. Auch seine internationale Reputation war während der 1910er Jahre enorm gestiegen. Maurice Raynal publizierte 1921 die erste Monografie über Pablo Picasso in München. 1923 erschien in der Zeitschrift „The Arts“ das erste bedeutende Interview von Picasso. Christian Zervos, der Gründer von „Cahiers d’art“ wurde ab 1932 der Herausgeber des Werkkatalogs. Der Künster zählte nun bereits seit zwei Jahrzehnten zur Avantgarde in Paris und prägte mit seinen schweren Figuren u.a. die Brasilianerin Tarsila do Amaral.
1922 lernte Picasso die dadaistischen und surrealistischen Dichter André Breton, Louis Aragon und Tristan Tzara kennen, wobei Breton nicht nur „Les Demoiselles d’Avignon“ an einen Gönner verkaufte, sondern Picasso auch für die Bewegung des Surrealismus anzuheuern versuchte. Der ältere Maler hatte bereits 1921 Besuch seines jüngeren Landsmannes Joan Miró erhalten. Pablo Picasso setzte sich in seiner Kunst mit dem Surrealismus auseinander und stellte mit der Gruppe aus, ohne sich je zur Gruppierung zugehörig zu fühlen.
„Einige Anhänger der surrealistischen Schule haben in meinem Skizzenbuch einige Federzeichnungen überrascht, wo nur Punkte und Linien waren. Der Punkt ist, ich bewundere Astronomiekarten sehr. Sie erscheinen mir schön, abgesehen von ihrer ideologischen Bedeutung.“2 (Pablo Picasso, 1926)
In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre beschäftigte sich Picasso auch erneut mit Skulptur:
„Es gibt nur einen Turm einer Kathedrale, der uns einen Punkt am Himmel signalisieren kann, an dem unsere Seele in Schwebe bleibt. [...] Wie in der Angst der Nacht uns die Sterne die Hoffnungspunkte am Himmel anzeigen, so zeigt uns auch dieser bewegungslose Pfeil eine unendliche Zahl. Diese Punkte im Unendlichen waren die Vorläufer dieser neuen Kunst: „im Raum zeichnen.“3 (Julio González, 1931/32)
Das Liebesleben von Picasso war lebenslang von seiner überbordenden Männlichkeit geprägt, wobei sich der Maler durchaus darin gefiel, wenn sich zwei Frauen um ihn im wahrsten Sinn des Wortes prügelten. 1927 traf er die damals 15-jährige Marie-Thérèse Walter (1909–1977), die zuerst sein Modell und dann seine Geliebte wurde. Als sie 1935 ihre gemeinsame Tochter María de la Concepción, genannt Maya, zur Welt brachte, ließ sich die Affäre nicht mehr verheimlichen, und Olga verließ mit Paulo Picasso. Zwischen 1936 und 1943 hatte er eine Beziehung mit Dora Maar, dann folgten Françoise Gilot (1943–1953) und Jacqueline Roque, die Picasso nach Olgas Tod am 2. März 1961 heiratete.
Erste Retrospektiven und Guernica
Die nationale wie internationale Bekanntheit des Malers aus Spanien war Anfang der 1930er Jahre so gestiegen, dass er 1932 zwei selbst kuratierte Einzelausstellungen ausgerichtet bekam: Der ersten Retrospektive in der Galerie Georges Petit in Paris (16.6.–30.7.) folgte eine zweite im Kunsthaus Zürich (11.9.–13.11. → Picasso. Die erste Museumsausstellung 1932). Diese Erfolge wurden vom Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936 überschattet. Zum Direktor des Prado ernannt, beauftragte ihn die republikanische Regierung mit dem Gemälde „Guernica“ für den spanischen Weltausstellungspavillon 1937 (→ Picasso: Guernica). Während des Zweiten Weltkriegs hielt sich Picasso in Südfrankreich auf und trat am 5. Oktober 1944 der Kommunistischen Partei Frankreichs bei.
Picasso im Zweiten Weltkrieg
Die Phase 1939 bis 1945 im Werk von Picasso ist weniger bekannt und populär als andere Phasen in dessen Karriere (→ Düsseldorf | K20: Picasso 1939–1945). Auffallend an den Gemälden und Plastiken ist, dass sie keine Opfer, Waffen oder Kämpfe zeigen. Stattdessen beschäftigte sich der Künstler tagtäglich mit Stillleben, Porträts, Landschaftsbildern und Akten. Die dunklen Vanitas-Motive der Stillleben erzählen auf ihre Weise von Tod und Tragödien. Das lässt an eine Beobachtung von Christian Zervos denken. Picassos Biograf stich die „beispiellose Fähigkeit, sich für die Dinge in seiner Umgebung zu begeistern“ hervor. Er zählte zwischen 1937 und 1945 über 2.200 Gemälde, was die energiegeladene Produktivität des Spaniers eindrucksvoll unter Beweis stellt. Und dennoch: Schlichtheit und Banalität der gewählten Themen prallt auf eine formale Gewalt und Zerstörung der Integrität so mancher Form. In der jüngeren Forschung wurden drei Werke benannt, die unmittelbar den Krieg thematisieren: das Theaterstück „Wie man Wünsche beim Schwanz packt“ (1941), die Skulptur „Mann mit Schaf“ (1943) und das Gemälde „Das Leichenhaus“ (1945).
Die Kriegsjahre 1939 bis 1945 bedeuteten im Werk Picassos einen Wendepunkt. Picasso hatte sich – im Unterschied zu vielen anderen Künstlern – bewusst entschieden, in Paris zu bleiben. Die Allgegenwart von Tod, Leiden und Angst sublimierte der Maler in einem rauen, schonungslosen und bisweilen wenig gefälligen Stil. Auffallend sind die ungestümen Verzerrungen, die Picasso den Bildgegenständen und Menschen in seinen Bildern auferlegte. Zum Symbol der Hoffnung wird für ihn der „Mann mit Schaf“, eine antiheroische Figur als Beschützer der Schwachen und damit ein Gegenbild zu Brekers Skulpturen, die Picasso im Juli 1942 in der Orangerie des Tuileriengartens gesehen hatte. Als Reaktion darauf schuf er „Mann mit Schaf“, und stellte sich damit in Nachfolge von Auguste Rodins „Johannes der Täufer“.
Obschon während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Paris Picassos Werke als „entartet“ diffamiert wurden – genauer: ab dem 22. November 1940 – und aus diesem Grund nicht mehr ausgestellt werden durften, arbeitete der Maler wie besessen an Ölgemälden und Plastiken weiter. Unmittelbar vor Kriegsbeginn am 3. September 1939 war Picasso von Paris aus nach Südwestfrankreich geflohen, kehrte aber im August 1940 in die von den Deutschen besetzte Hauptstadt zurück. Bis zur Befreiung von Paris im August 1944 lebte er dort zurückgezogen in seinem Atelier.
„Ich habe nicht den Krieg gemalt, weil ich nicht zu der Sorte von Malern gehöre, die wie ein Fotograf etwas darzustellen suchen. Aber ich bin sicher, dass der Krieg Eingang genommen hat in die Bilder, die ich geschaffen habe.“4 (Pablo Picasso in einem Interview mit Peter Whitney, August 1944)
Von der „Fliegenden Taube“ zur Friedenstaube
Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte Pablo Picasso zu den berühmtesten lebenden Künstlern seiner Zeit. Er nahm mehrfach an Weltfriedenskongressen teil (1948, 1950). Für den Weltfriedenskongress in Sheffield 1950 entwarf er die Lithografie „Fliegende Taube“, die als Friedenstaube zum Symbol des Friedens schlechthin wurde (→ Picasso: die Erfindung der Friedenstaube).
„Meinen letzten Besuch machte ich am 21. Juni 1944, vor fast einem Jahr! Zwei Monate später, am 25. August, wurde Paris befreit, und vom gleichen Tage an setzte ein Sturm auf Picassos Atelier ein […] Seine mutige Haltung hatte ihn zum Vorbild gemacht, und die ganze Welt wollte ihn als Symbol der wiedergewonnenen Freiheit begrüßen. Dichter, Maler, Kunstkritiker, Museumsdirektoren und Schriftsteller kletterten als Offiziere oder einfache Soldaten der alliierten Armeen die steile Treppe in Scharen hinauf. Man stieß und drängte sich bei ihm. Picasso ist in China, in Sowjetrussland nun ebenso berühmt wie er es schon seit seiner großen New Yorker Ausstellung in den Vereinigten Staaten war. Seit Monaten genießt er gutmütig seinen weltweiten Ruhm, er ist liebenswürdig zu den Journalisten, zu den Fotografen und selbst zu den Neugierigen, die ihn ‚leibhaftig‘ sehen wollen.“5 (Brassaï über Pablo Picasso, 12. Mai 1945)
Späte Werke
Ab 1953 wurde der Jahrhundertmaler in unzähligen Retrospektiven geehrt. Daraufhin beschäftigte er sich in seinem Spätwerk mit berühmten Bildern aus der Kunstgeschichte wie „Die Frauen von Algier“ von Eugène Delacroix, „Las Meninas” von Diego Velázquez, „Der Raub der Sabinerinnen“ nach Poussin und Jacques-Louis David oder „Frühstück im Freien“ nach Edouard Manet (→ Picasso. Malen gegen die Zeit). Der Abstraktion öffnete sich der Malerstar jedoch zeitlebens nie, obwohl er bei einigen bahnbrechenden künstlerischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts impulsgebend war:
„Es gibt keine abstrakte Kunst. Man muss immer mit etwas anfangen. Nachher kann man alle Spuren der Wirklichkeit entfernen. Dann besteht ohnehin keine Gefahr mehr, weil die Idee des Dinges inzwischen ein unauslöschliches Zeichen hinterlassen hat." (Pablo Picasso über seine Ablehnung der Abstraktion)
Pablo Picasso und Jacqueline Roque lernten einander 1952 kennen, als Jacqueline Gehilfin der Keramikerin Suzanne Ramié (1905–1974) war. Im gleichen Sommer kühlte die Beziehung Picassos zu Françoise ab und er kehrte Ende Oktober 1952 allein nach Paris zurück. Mehrere Monate hinweg wechselte er seine Aufenthaltsorte zwischen Vallauris und Paris. Im August 1953 führt Picasso auf Einladung des Ehepaares Lazerme mit Maya und Paul nach Perpignan am Fuß der östlichen Pyrenäen, wo er die inzwischen geschiedene Jacqueline wiedertraf. Nach der Rückkehr trennte sich Françoise von ihm und kehrte mit den Kindern nach Paris zurück. Erst im folgenden Jahr stand Jacqueline erstmals Modell für Pablo Picasso (Juni und Oktober 1954). In einer Reihe von Porträts kombinierte er Elemente des Kubismus und des synthetischen Stils, der für ihn charakteristisch war. Die Bildnisse sind als formale Kontraste aufgefasst: großflächige Gestaltung (v.a. im Hintergrund) steht neben zeichnerisch durchgearbeiteten Partien, kubistische Formzertrümmerung im Gesicht und antikisches Volumen, dekorative Muster treffen auf spärlich bemalte Leinwand. Die Bilder sind allesamt präzise auf den Tag genau datiert, was die hohe Produktivität des inzwischen über 70-jährigen Malers offenlegt – aber auch dessen fast zwanghaftes Arbeiten im Atelier. Im September trennte er sich endgültig von Françoise und zog mit Jacqueline und deren Tochter Catherine in Paris zusammen.
Jacqueline wurde das Modell für Picassos Abwandlungen der „Frauen von Algier“ (1954) nach Eugène Delacroix (15 Gemälde und zwei Lithografien), die vom Tod Henri Matisses inspiriert waren. Nach dem Tod seiner Ehefrau Olga (11. Februar) erwarb der nunmehr weltberühmte Künstler die Villa „La Californie“ mit einem weitläufigen Garten mit tropischen Bäumen über Cannes. Hier drehte der Dokumentarfilmer Henri-Georges Clouzot im Atelier den Film „Le mystère Picasso“, der den zeichnenden Picasso bei der Arbeit beobachtet. Eines der wichtigsten Bilder des folgenden Jahres ist „Jacqueline im Atelier“ (2.–8. April, Sammlung Rosengart, Luzern), gefolgt von der 58-teiligen Serie zu „Las Meninas“ (17.8.–30.12.) nach Diego Velázquez, Bildnisse von Jacqueline als „Lola aus Valence“ von Edouard Manet.
Im September 1958 tausche Picasso die „Villa Californie“ gegen das Schloss Vauvenargues aus, da immer mehr Zaungäste den „Mythos Picasso“ sehen wollten. Schloss Vauvenargues liegt am Fuß der Mont Sainte-Victoire in der Nähe von Aix-en-Provence. Der letzte Lebens- und Arbeitsort Picassos sollte ab Juni 1961 die Villa Notre-Dame-de-Vie in der Nähe des Dorfes Mougins in den Bergen oberhalb von Cannes werden. Kurz zuvor, am 2. März 1961 hatten er und Jacqueline geheiratet. Im folgenden Jahr entstand am 6. Januar „Sitzende Frau mit gelbgrünem Hut“ (6.1.1962, Sammlung Catherine Hutin-Blay), dem allein in diesem Jahr über 70 Porträts in den Medien Malerei, Zeichnung, Keramik und Grafik folgten. In den folgenden elf Jahren, die Picasso bis zu seinem Tod am 8. April 1973 noch blieben, kreiste sein Werk um die Alten Meister – wie Rembrandt van Rijn – und Jacqueline. Am Abend vor seinem Tod überarbeitete er noch den stark abstrahierten „Liegenden weiblichen Akt und Kopf“ (Privatbesitz). Die überbordende Sexualität und Virilität von Picassos Spätwerk, wird hier in einer geometrisch-stilisierenden Darstellung gebändigt.
Tod
Pablo Picasso starb am 8. April 1973 in Mougins im Alter von 91 Jahren an einem Herzinfarkt. Er wurde im Garten seines Schlosses Vauvenargues bei Aix-en-Provence beigesetzt.
„Jedes Mal, wenn ich ein Bild beginne, habe ich das Gefühl, mich ins Leere zu stürzen. Ich weiß nie, ob ich wieder auf die Beine komme. Erst später beginne ich, die Wirkung meiner Arbeit genauer einzuschätzen.“6 (Pablo Picasso, 1932)
Picasso hinterließ kein Testament, weshalb unter den Erben ein erbitterter Rechtsstreit losbrach. Der französische Staat zog die Erbschaftssteuer in Form von Gemälden ein und begründete damit das Picasso-Museum in Paris (1985 eröffnet). Picassos viele Beziehungen und unehelichen Kinder wie der Fotograf Claude Picasso und die Designerin Paloma Picasso aus der Beziehung mit Francoise Gilot sowie die Enkel seines ehelichen Sohn Paulo Picasso sind erbberechtigt.
1976 wurde der Nachlass des Künstlers auf 3,75 Milliarden Franc (ca. 696 Millionen Euro) geschätzt. Dazu gehörten Häuser, Grundbesitz, Ateliers, diverse Immobilien und Picassos eigene private Kunstsammlung mit wertvollen Bildern von befreundeten oder von ihm sehr bewunderten Künstlern, wie Matisse, Miró, Modigliani, Cézanne und van Gogh. Der eigene künstlerische Nachlass des berühmten spanischen Malers wird auf einen Wert von 1,275 Milliarden Franc geschätzt. Er umfasst: 1885 Gemälde, 7.089 Zeichnungen, 19.134 Grafiken, 3.222 Keramik-Arbeiten, 1.228 Skulpturen und Objekte, sowie 175 Skizzenbücher mit rund 7.000 Zeichnungen, die Picasso häufig als Skizzen zu großen Arbeiten angefertigt hat.
Der Erben war kein glückliches Leben beschieden. Pablito, Picassos Enkel, versuchte sich unmittelbar nach dem Tod des Großvaters zu vergiften. Er starb mehrere Monate später. Picassos Sohn, Paulo (1921-1975), erlag 1975 seiner Drogen- und Alkoholsucht. Marie-Thérèse Walter, die langjährige Geliebte des Malers, erhängt sich 1977; und Picassos zweite Ehefrau, Jacqueline Roque, erschoss sich 1986.
Literatur zu Pablo Picasso
- Fernande & Françoise. Erinnerungen an Picasso Kunstmuseum Pablo Picasso Münster, hg. v. Markus Müller für das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster (Ausst.-Kat. 1.10.2022–22.1.2023), Münster / Köln 2022.
- Picasso. Blaue und Rosa Periode, hg. v. Raphaël Bouvier (Ausst.-Kat. Fondation Beyeler, Basel, 3.2.-26.5.2019; Musée d’Orsay, Paris, 18.9.2018-6.1.2019), Berlin 2019.
- Werner Spies, Picasso. Das plastische Werk, Stuttgart 1998.
- John Richardson, in Zusammenarbeit mit Marilyn McCully, Picasso. Leben und Werk 2, 1907–1917, München 1997.
- Picassos Welt der Kinder, hg. v. Werner Spies (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 9.9.-3.12.1995;
Staatsgalerie Stuttgart, 16.12.1995-10.3.1996) München 1995. - John Richardson, Picasso, Leben und Werk 1, 1881–1906, München 1991.
- Fernande Olivier, Souvenirs intimes, hg. v. Gilbert Krill, Paris 1988.
- Pierre Daix, Picasso créateur. La Vie intime et l’œuvre, Paris 1987.
- Brassaï, Gespräche mit Picasso, Reinbek bei Hamburg 1985.
- Picasso. Über Kunst. Aus Gesprächen zwischen Picasso und seinen Freunden, ausgewählt von Daniel Keel, Zürich 1982.
- Josep Palau i Fabre, Picasso. Kindheit und Jugend eines Genies. 1881–1907, München 1981.
- Françoise Gilot und Carlton Lake, Leben mit Picasso, München 1980.
- Pierre Daix, Picasso. Der Mensch und sein Werk, Paris 1973.
- Pierre Daix und Georges Boudaille, Picasso. Blaue und Rosa Periode, München 1966.
- Fernande Olivier, Picasso und seine Freunde, Zürich 1957.
Pablo Picassos Frauen: Ehefrauen und Freundinnen
- Fernande Olivier (1881–1966): Pablo Picasso und die geschiedene Pariserin Fernande Olivier lernten einander im Herbst 1904 kennen. Bis 1911 führten sie eine Beziehung und lebten miteinander.
- Eva Gouel (geb. Marcelle Humbert, 1885–1915): 1911–1915
- Olga Chochlowa (1891–1955): 1. ⚭ 1918, russische Tänzerin und Mutter von Paulo Picasso; 1937 trennte sich Pablo Picasso von ihr und lebte mit Marie-Thérèse Walter und ihrer gemeinsamen Tochter zusammen. Dennoch ließ er sich nie von Olga scheiden. → Picassos erste Frau: Olga Picasso
- Marie-Thérèse Walter (1909–1977): 1926–1936; erste Begegnung am 8. Januar 1927 vor den Galeries Lafayette, Modell und Mutter von María de la Concepción, genannt Maya Picasso (* 5. Oktober 1935)
- Dora Maar (1907–1997): 1936–1943, Fotografin und Malerin, Surrealistin und Kommunistin. Dora Maar dukomentierte die Arbeit an „Guernica“.
- Françoise Gilot (*26.11.1921): 1943–1953, französische Malerin und Grafikerin. Gilot lebte ab 1948 mit Picasso in Vallauris in Südfrankreich. Sie ist die Mutter von Paloma und Claude Picasso.
- Jacqueline Roque (1927–1986): 2. ⚭ 2. März 1961, Als Jacqueline Picasso kennenlernte, war sie 46 Jahre jünger als der Malerstar und Keramikverkäuferin bei Madoura in Vallauris, in dessen Atelier Picasso seit 1946 keramische Arbeiten schuf.
Kinder
- Paulo Picasso (4.2.1921–5.6.1975)
- María de la Concepción, genannt Maya Picasso (*5.10.1935)
- Claude Picasso (*15.5.1947)
- Paloma Picasso (*19.4.1949)
Beiträge zu Pablo Picasso
Picasso
Pablo Picasso
Wer war Pablo Picasso?
Pablo Picasso (1881–1973) war ein spanischer Maler, Grafiker und Bildhauer. Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts, dessen Produktivität ein Gesamtwerk von mehr als 15.000 Gemälden hervorbrachte. Picasso kam als Sohn des Malers und Zeichenlehrers José Ruiz Blasco und dessen Ehefrau Maria Picasso y Lopez in Malága zur Welt. Ab 1901 nutzte er den aus Italien stammenden Namen seiner Mutter als Künstlernamen, da ihn die zwei „S“ faszinierten und er ihn für wohlklingender hielt. Der Ruhm Picassos ist mit der Erfindung des Kubismus – gemeinsam mit George Braques – verknüpft. Sein Gemälde „Les Demoiselles d‘Avignon“ (März–Juli 1907, MoMA) avancierte in den 1920er Jahren zur Ikone der Moderne.
Blaue und Rosa Periode
Der frühreife Künstler löste sich 1901 vom Akademismus und den Avantgarden in Barcelona und Paris (→ Pablo Picasso und Henri de Toulouse-Lautrec). Er entwickelte nach dem Selbstmord seines Freundes Casagemas die sogenannte Blaue Periode (→ Pablo Picasso: Blaue Periode), der 1906 die Rosa Periode (→ Pablo Picasso: Rosa Periode) folgte. Wählte Picasso in der Blauen Periode Bettler, Mütter mit Kindern (aus dem Gefängnis St. Lazare), Absinthtrinker als Motive seiner Bilder, so wandte er sich ab 1906 Gauklern, Harlekinen zu. Die charakteristische blaue bzw. rosa Färbung der Werke wird als Ausdruck von Melancholie und Hoffnung gedeutet. Im Sommer 1906 verbrachte Pablo Picasso mit Fernande Olivier einige Wochen im katalonischen Gosol, wo er sich der Aktmalerei zuwandte und zu voluminösen Körpern gelangte. Die Gemälde „Das Leben“ und „Die Gauklerfamilie“ sind die Hauptwerke dieser ersten beiden Stilphasen im Werk von Pablo Picasso.
Erfindung des Kubismus
Das Schlüsselwerk der Moderne ist Picassos Gemälde „Les Demoiselles d’Avignon“ (1907), auf dem er erstmals Figuren aus verschiedenen Perspektiven gleichzeitig zeigte. Damit legte er einen Grundstein für den ab 1908 gemeinsam mit Georges Braque entwickelten Kubismus. Ausgehend von den Überlegungen Paul Cézannes und afrikanischer Plastik, zerlegten Picasso und Braque die Bildgegenstände in Facetten und quaderförmige Strukturen. Volumen und Rhythmus wurden wichtiger als die Farbigkeit, die zugunsten einer nahezu monochromer Farbgebung reduziert wurde. Dem analytischen Kubismus folgte ab 1912 der synthetische, für den die beiden Maler die Methode des Collagierens in ihren Gemälden einsetzten. Mit ihren Experimenten lösten Picasso und Braque eine Welle an Begeisterung aus – zumindest in einer kleinen Gruppe Pariser Avantgardisten. Zu den Kubisten (zweiten Ranges) zählen Juan Gris, Robert Delaunay und Fernand Léger, die auch als die „Salonkubisten“ bekannt wurden.
Zurück zur Klassik und Liaison mit dem Surrealismus
Ab 1917 löste sich Pablo Picasso vom Kubismus und wandte sich dem Klassizismus von Ingres zu. Auslöser waren die erste öffentliche Präsentation von „Les Demoiselles d’Avignon“ und seine Arbeit für das Ballett „Parade“ für die Truppe von Sergei Diaghilev. Picasso gestaltete Bühnenbild, Kostüme und Vorhang – und traf seine erste Ehefrau Olga (→ Picassos erste Frau: Olga Picasso). Nach der Hochzeit 1918 und dem Ende des Ersten Weltkriegs war Picasso – neben Henri Matisse – zum führenden Maler Frankreichs avanciert. Auch seine internationale Reputation war während der 1910er Jahre enorm gestiegen. Maurice Raynal publizierte 1921 die erste Monografie über Pablo Picasso in München. 1923 erschien in der Zeitschrift „The Arts“ das erste bedeutende Interview von Picasso. Christian Zervos, der Gründer von „Cahiers d’art“ wurde ab 1932 der Herausgeber des Werkkatalogs.
1922 lernte Picasso die dadaistischen und surrealistischen Dichter André Breton, Louis Aragon und Tristan Tzara kennen, wobei Breton nicht nur „Les Demoiselles d’Avignon“ an einen Gönner verkaufte, sondern Picasso auch für die Bewegung des Surrealismus anzuheuern versuchte. Der ältere Maler hatte bereits 1921 Besuch seines jüngeren Landsmannes Joan Miró erhalten. Pablo Picasso setzte sich in seiner Kunst mit dem Surrealismus auseinander und stellte mit der Gruppe aus, ohne sich je zur Gruppierung zugehörig zu fühlen.
Das Liebesleben von Picasso war lebenslang von seiner überbordenden Männlichkeit geprägt, wobei sich der Maler durchaus darin gefiel, wenn sich zwei Frauen um ihn im wahrsten Sinn des Wortes prügelten. 1927 traf er die damals 15-jährige Marie-Thérèse Walter (1909–1977), die zuerst sein Modell und dann seine Geliebte wurde. Als sie 1935 ihre gemeinsame Tochter María de la Concepción, genannt Maya, zur Welt brachte, ließ sich die Affäre nicht mehr verheimlichen, und Olga verließ mit Paulo Picasso. Zwischen 1936 und 1943 hatte er eine Beziehung mit Dora Maar, dann folgten Françoise Gilot (1943–1953) und Jacqueline Roque, die Picasso nach Olgas Tod am 2. März 1961 heiratete.
Erste Retrospektiven und Guernica
Die nationale wie internationale Bekanntheit des Malers aus Spanien war Anfang der 1930er Jahre so gestiegen, dass er 1932 zwei selbst kuratierte Einzelausstellungen ausgerichtet bekam: Der ersten Retrospektive in der Galerie Georges Petit in Paris (16.6.–30.7.) folgte eine zweite im Kunsthaus Zürich (11.9.–13.11. → Picasso. Die erste Museumsausstellung 1932). Diese Erfolge wurden vom Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936 überschattet. Zum Direktor des Prado ernannt, beauftragte ihn die republikanische Regierung mit dem Gemälde „Guernica“ für den spanischen Weltausstellungspavillon 1937 (→ Picasso: Guernica). Während des Zweiten Weltkriegs hielt sich Picasso in Südfrankreich auf und trat am 5. Oktober 1944 der Kommunistischen Partei Frankreichs bei.
Von der „Fliegenden Taube“ zur Friedenstaube
Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte Pablo Picasso zu den berühmtesten lebenden Künstlern seiner Zeit. Er nahm mehrfach an Weltfriedenskongressen teil (1948, 1950). Für jenen in Sheffield 1950 entwarf er die Lithografie „Fliegende Taube“, die als Friedenstaube zum Symbol des Friedens schlechthin wurde (→ Picasso: die Erfindung der Friedenstaube).
Späte Werke
Ab 1953 wurde der Jahrhundertmaler in unzähligen Retrospektiven geehrt. Daraufhin beschäftigte er sich in seinem Spätwerk mit berühmten Bildern aus der Kunstgeschichte wie „Die Frauen von Algier“ von Eugène Delacroix, „Las Meninas” von Diego Velázquez, „Der Raub der Sabinerinnen“ nach Poussin und Jacques-Louis David oder „Frühstück im Freien“ nach Edouard Manet (→ Picasso. Malen gegen die Zeit). Der Abstraktion öffnete sich der Malerstar jedoch zeitlebens nie, obwohl er bei einigen bahnbrechenden künstlerischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts impulsgebend war:
„Es gibt keine abstrakte Kunst. Man muss immer mit etwas anfangen. Nachher kann man alle Spuren der Wirklichkeit entfernen. Dann besteht ohnehin keine Gefahr mehr, weil die Idee des Dinges inzwischen ein unauslöschliches Zeichen hinterlassen hat.“ (Pablo Picasso über seine Ablehnung der Abstraktion)
Pablo Picasso und Jacqueline Roque lernten einander 1952 kennen, als Jacqueline Gehilfin der Keramikerin Suzanne Ramié (1905–1974) war. Im gleichen Sommer kühlte die Beziehung Picassos zu Françoise ab und er kehrte Ende Oktober 1952 allein nach Paris zurück. Mehrere Monate hinweg wechselte er seine Aufenthaltsorte zwischen Vallauris und Paris. Im August 1953 führt Picasso auf Einladung des Ehepaares Lazerme mit Maya und Paul nach Perpignan am Fuß der östlichen Pyrenäen, wo er die inzwischen geschiedene Jacqueline wiedertraf. Nach der Rückkehr trennte sich Françoise von ihm und kehrte mit den Kindern nach Paris zurück. Erst im folgenden Jahr stand Jacqueline erstmals Modell für Pablo Picasso (Juni und Oktober 1954). In einer Reihe von Porträts kombinierte er Elemente des Kubismus und des synthetischen Stils, der für ihn charakteristisch war. Die Bildnisse sind als formale Kontraste aufgefasst: großflächige Gestaltung (v.a. im Hintergrund) steht neben zeichnerisch durchgearbeiteten Partien, kubistische Formzertrümmerung im Gesicht und antikisches Volumen, dekorative Muster treffen auf spärlich bemalte Leinwand. Die Bilder sind allesamt präzise auf den Tag genau datiert, was die hohe Produktivität des inzwischen über 70-jährigen Malers offenlegt – aber auch dessen fast zwanghaftes Arbeiten im Atelier. Im September trennte er sich endgültig von Françoise und zog mit Jacqueline und deren Tochter Catherine in Paris zusammen.
Jacqueline wurde das Modell für Picassos Abwandlungen der „Frauen von Algier“ (1954) nach Eugène Delacroix (15 Gemälde und zwei Lithografien), die vom Tod Henri Matisses inspiriert waren. Nach dem Tod seiner Ehefrau Olga (11. Februar) erwarb der nunmehr weltberühmte Künstler die Villa „La Californie“ mit einem weitläufigen Garten mit tropischen Bäumen über Cannes. Hier drehte der Dokumentarfilmer Henri-Georges Clouzot im Atelier den Film „Le mystère Picasso“, der den zeichnenden Picasso bei der Arbeit beobachtet. Eines der wichtigsten Bilder des folgenden Jahres ist „Jacqueline im Atelier“ (2.–8. April, Sammlung Rosengart, Luzern), gefolgt von der 58-teiligen Serie zu „Las Meninas“ (17.8.–30.12.) nach Diego Velázquez, Bildnisse von Jacqueline als „Lola aus Valence“ von Edouard Manet.
Im September 1958 tausche Picasso die „Villa Californie“ gegen das Schloss Vauvenargues aus, da immer mehr Zaungäste den „Mythos Picasso“ sehen wollten. Schloss Vauvenargues liegt am Fuß der Mont Sainte-Victoire in der Nähe von Aix-en-Provence. Der letzte Lebens- und Arbeitsort Picassos sollte ab Juni 1961 die Villa Notre-Dame-de-Vie in der Nähe des Dorfes Mougins in den Bergen oberhalb von Cannes werden. Kurz zuvor, am 2. März 1961 hatten er und Jacqueline geheiratet. Im folgenden Jahr entstand am 6. Januar „Sitzende Frau mit gelbgrünem Hut“ (6.1.1962, Sammlung Catherine Hutin-Blay), dem allein in diesem Jahr über 70 Porträts in den Medien Malerei, Zeichnung, Keramik und Grafik folgten. In den folgenden elf Jahren, die Picasso bis zu seinem Tod am 8. April 1973 noch blieben, kreiste sein Werk um die Alten Meister – wie Rembrandt van Rijn – und Jacqueline. Am Abend vor seinem Tod überarbeitete er noch den stark abstrahierten „Liegenden weiblichen Akt und Kopf“ (Privatbesitz). Die überbordende Sexualität und Virilität von Picassos Spätwerk, wird hier in einer geometrisch-stilisierenden Darstellung gebändigt.
Picasso Museen
Bis heute weithin sichtbares Zeichen von Picassos Bedeutung sind die drei Museen in seinem Namen: 1960 machte das Museu Picasso in Barcelona den Anfang (Eröffnung 1963), gefolgt vom Musée Picasso Antibes 1966 und dem Musée Picasso Paris 1985. Als Pablo Picasso am 8. April 1973 in Mougins verstarb, war er 1971 der erste lebende Künstler, dem die Ehre zuteilwurde im Louvre auszustellen: Anlässlich seines 90. Geburtstags wurden die Werke des Altmeisters in der Großen Galerie des Musée du Louvre präsentiert.
„Kunst wäscht den Staub des Altags von der Seele.“ (Pablo Picasso)
Pablo Picassos Frauen: Ehefrauen und Freundinnen
- Fernande Olivier (1881–1966): Pablo Picasso und die geschiedene Pariserin Fernande Olivier lernten einander im Herbst 1904 kennen. Bis 1911 führten sie eine Beziehung und lebten miteinander.
- Eva Gouel (geb. Marcelle Humbert, 1885–1915): 1911–1915
- Olga Chochlowa (1891–1955): 1. ⚭ 1918, russische Tänzerin und Mutter von Paulo Picasso; 1937 trennte sich Pablo Picasso von ihr und lebte mit Marie-Thérèse Walter und ihrer gemeinsamen Tochter zusammen. Dennoch ließ er sich nie von Olga scheiden. → Picassos erste Frau: Olga Picasso
- Marie-Thérèse Walter (1909–1977): 1926–1936; erste Begegnung am 8. Januar 1927 vor den Galeries Lafayette, Modell und Mutter von María de la Concepción, genannt Maya Picasso (* 5. Oktober 1935)
- Dora Maar (1907–1997): 1936–1943, Fotografin und Malerin, Surrealistin und Kommunistin. Dora Maar dukomentierte die Arbeit an „Guernica“.
- Françoise Gilot (* 1921): 1943–1953, französische Malerin und Grafikerin. Gilot lebte ab 1948 mit Picasso in Vallauris in Südfrankreich. Sie ist die Mutter von Paloma und Claude Picasso.
- Jacqueline Roque (1927–1986): 2. ⚭ 2. März 1961, Als Jacqueline Picasso kennenlernte, war sie 46 Jahre jünger als der Malerstar und Keramikverkäuferin bei Madoura in Vallauris, in dessen Atelier Picasso seit 1946 keramische Arbeiten schuf.
Kinder
- Paulo Picasso (1921–1975)
- María de la Concepción, genannt Maya Picasso (* 5.10.1935)
- Claude Picasso (* 15.5.1947)
- Paloma Picasso (* 19.4.1949)
Beiträge zu Pablo Picasso
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- Picasso. Über Kunst. Aus Gesprächen zwischen Picasso und seinen Freunden, ausgewählt von Daniel Keel, Zürich 1982, S. 8; zit. n. Markus Müller, Gemalte und geschriebene Tagebücher. Das Bild Picassos aus Perspektive seiner schreibenden Musen, in: Fernande & Françoise. Erinnerungen an Picasso Kunstmuseum Pablo Picasso Münster, hg. v. Markus Müller für das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster (Ausst.-Kat. 1.10.2022–22.1.2023), Münster / Köln 2022, S. 9.
- Zit. n. Pablo Picasso, Lettres sur l'art, in: Ogoniok, Moskau, Nr. 20, 16. Mai 1926. Aus dem Russischen von C. Motchoulsky übersetzt, in: Formes, Nr. 2, Februar 1930.
- Zit. n. Julio González, Picasso und die Kathedralen, Picasso-Bildhauer, 1931–1932, Manuskript, IVAM-Archiv, Julio González Center, Valencia.
- Zitiert nach: Peter D. Whitney, Picasso is safe: The artist was neither a traitor to his painting nor his country, in: San Francisco Chronicle, 3. September 1944. Whitney, Kriegskorrespondent dieser Zeitung, war der erste US-amerikanische Journalist, der Picasso nach der Befreiung von Paris interviewte. Nachdruck von Alfred Barr, 1945, zit. nach: Gertje Utley, Picasso. The Communist years, New Haven 2000, S. 31.
- Brassaï, Gespräche mit Picasso, Reinbek bei Hamburg 1985, S. 113.
- Zit. n. Pablo Picasso, in Christian Zervos, Pablo Picasso. I. Werke von 1895 bis 1906, Paris, Cahiers d'Art; 1932, S. XVII.