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Österreichische Künstler im Orient Ausstellung Orient und Okzident im Belvedere | 2012

Hubert Sattler, Die 60 Fuß hohen Colosse des Memnon zur Zeit der Ueberschwemmung in Ober-Egypten, Detail, 1846, Öl auf Leinwand, 104,5 x 132,5 cm (Salzburg, Salzburg Museum), Foto: Alexandra Matzner.

Hubert Sattler, Die 60 Fuß hohen Colosse des Memnon zur Zeit der Ueberschwemmung in Ober-Egypten, Detail, 1846, Öl auf Leinwand, 104,5 x 132,5 cm (Salzburg, Salzburg Museum), Foto: Alexandra Matzner.

Österreichische Künstler im Orient? Gab es überhaupt Orientmalerei in der Habsburgermonarchie? Die Ausstellung im Unteren Belvedere führt einige der schönsten „Orientbilder“ der hauseigenen Sammlung zusammen – und lässt dabei schmerzlich eine kritische Auseinandersetzung mit den Fragen des Kolonialismus vermissen. Der sprachkundige Orientforscher Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856) etablierte als Diplomat, Publizist und Übersetzer das Fach der Orientalistik in Mitteleuropa. Dass im 19. Jahrhundert infrastrukturelle Veränderungen zu einer vermehrten Reisetätigkeit bzw. Tourismus in den Orient führten, brachte nicht nur neue Bilder vom Orient nach Europa, sondern wurde zu allererst durch den zunehmenden politischen und wirtschaftlichen Einfluss der Kolonialmächte durchgesetzt.  Das Belvedere setzt sich jedoch nicht zum Ziel, die Rolle der österreichischen Künstler in diesem Mächtespiel zu analysieren, sondern reiht – einem Reiseführer gleich – die Exponate einer Fantasiereise von West nach Ost.

Orientreisen – Daten und Fakten

Auslöser für die Orientmode des 19. Jahrhunderts war der Feldzug Napoleons in Ägypten (1798-1801), bei dem das Militär durch Forscher und Künstler unterstützt wurde. Zwischen 1809 und 1829 erschien die „Description de l`Egypte“ von Denon in 22 Bänden und löst eine Ägyptenmode aus. Ab den 1820ern florierte auch die Orientmalerei in Frankreich. Fantasien von arabischen Sklavenhändlern, schönen Frauen im Harem und gleißender Sonne inspirierte von Eugène Delacroix bis Jean-Léon Gérôme und Henri Matisse eine Reihe von herausragenden Künstlern sowohl der akademischen Malerei wie auch der Moderne.

In der Folge kam es 1827 zur Gründung des Baedeker-Verlags und 1837 zur Eröffnung der Österreichische Lloyd. Damit wurde es leicht möglich, ein Mal pro Woche mit dem Dampfer nach Konstantinopel und die Levante zu reisen. In den 1840ern organisierte Thomas Cook die ersten Gruppenreisen. Mit der Eröffnung des Suezkanals 1869 vereinfachte sich das Reisen in den fernen Osten und 1873 war eine Ägyptenreise ab Deutschland buchbar. Bereits Ende der 1850er hatte die Nilreise dem Aufenthalt in Italien den Rang abgelaufen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wird das Reisen touristisch – und Tourist ein Schimpfwort! Österreicher reisten in großer Anzahl erst ab 1870 in den Orient.

 

 

August von Pettenkofen und Leopold Carl Müller

Die Ausstellung „Orient und Okzident“ gliedert das Bildmaterial in drei große, geographische Räume. So finden sich Ungarn, Dalmatien, Korfu, sowie Nordafrika, Palästina und das Osmanische Reich, aber auch Indien und Ceylon. Die Entscheidung mit Ungarn als exotisch empfundenen Land zu beginnen, obwohl es Teil des Habsburgerreiches war, ist v.a. der Freundschaft zwischen August von Pettenkofen (1822-1889) und dem wichtigsten aller österreichischen Orientmaler Leopold Carl Müller (Dresden 1834-1892 Wien) geschuldet. Müller reiste 1873 erstmals nach Ägypten und bis 1886 folgten weitere acht Aufenthalte im Land am Nil nach. Pettenkofen konnte sich nie überwinden, seinen besten Freund zu begleiten, da er von einer ausgeprägten Angst vor Wasser und Schiffen geplagt wurde. Ein wunderbarer Brief von Müller an Pettenkofen vom 28.Februar 1881 illustriert dessen Bemühungen, dem Freund seine Entdeckungen zeigen zu können:

 

„Lieber Freund! (…) Ich war in den Tropen – habe ganz Oberegypten gesehen und einen Theil Nubiens. Ich versichere Dich, es ist wenig, wenn ich sage, daß ich jeden Tag mindestens einmal an Dich dachte, wenn ich die oberegyptischen Därfer und Städte durchzog. Es ist eine zum Himmel schreiende Sünde, daß du nicht hier her kommst. Oberegypten ist Deine Domaine, ist für Dich erfunden worden. Niemand könnte Oberegypten so gut packen, als Du es könntest. Und wie gesund Du hier werden würdest! Welch einen herrlichen Winter habe ich durchlebt! In Assuan, wo ich einen Monat mich aufgehalten haben, und das von Cairo so weit weg ist, wie etwa Rom von Wien habe ich den ganzen Jänner und Anfang Feb im Nile gebadet, habe nie Wolken gesehen, und eine Temperatur genossen, wie man sich eine schönere und angenehmere nicht wünschen kann. (…) Die Stadt, in der ich mich gegenwärtig befinde, ist unglaublich malerisch – mit jedem Schritte bietet sich ein neues schönes Bild. Und die Menschen! Verrückt könnte man werden, wenn man die Gruppen auf den Plätzen und in den Strassen sieht. Gherga ist eine Bauernstadt, wie beinahe alle oberegyptischen. Europäisches, wie in Cairo gibt es hier gar nichts. (….) Als ich Cairo verließ, kam Gérôme mit einem seiner Schüler dort an. Ich bin begiereig seine Bekanntschaft zu machen. Gestern traf der Kronprinz Rudolf hier in Gherga ein. Ich habe mit ihm gespeist, und am Abende haben wir egyptische Tänzerinnen angesehen. Nehme dir an Gérôme ein Beispiel! Hächst neugiereig bin ich, was Gérôme hier Neues gemacht haben wird. Nächsten Winter gehst du unwiderruflich nach Gherga, logierst hier beim österr. Consul, der ein Araber ist, und ein Vermögen von 25 Millionen Franken besitzt. Präparire Dich für die Abreise Ende Oktober! Dich herzlichst grüßend Dein Leop. Carl Müller.“ (Leopold Carl Müller)

 

Der wasserscheue Pettenkofen konnte sich nie überwinden, ein Schiff zu besteigen, um den Sehnsuchtsort zu erreichen, verbrachte aber zwischen 1851 und 1881 insgesamt elf Sommer in der ungarischen Tiefebene. Seine Genrebilder zeigen nicht nur das einfache Landleben, sondern sind malerische Experimente nach dem Motto „Valeur sur tout“. Pettenkofen widmete sich seit den 1860ern einer samtigen Ton- und Stimmungsmalerei. In seiner Nachfolge kamen auch Otto von Thoren (1828-1889), Tina Blau (1845-1916) und Emil Jakob Schindler (1842-1892).

Das Osmanische Reich zu bereisen, hatte für viele Künstler wie beispielsweise Thomas Ender (1793-1875) durchaus einen politischen Hintergrund. 1837 war Ender mit Erzherzog Johann für ein Manöver in der Krim (→ Die Kammermaler Erzherzog Johanns). Die beiden reisten über das Osmanische Reich und Griechenland nach Hause zurück und erhielten eine erste Einladung in Konstantinopel bei Sultan Mahmud II.

Hubert Sattler (1817-1904 Salzburg), der Sohn von Johann Michael Sattler (Schöpfer des Salzburg-Panoramas), studierte an der Wr. Akademie und schuf sog. Kosmoramen zur öffentlichen Präsentation. In mehr als 300 Ansichten brachte er die weite Welt nach Mitteleuropa – pharaonische Altertümer, Landschaften, Szenen aus dem modernen Leben. Sattler gibt hieroglyphische Inschriften exakt wieder, wobei er die umfassende Motivsammlung erst zu Hause in Öl umgesetzt hat. 1842 bereiste er das Hl. Land von Syrien, Libanon bis Alexandria und 1844 bis 1845 Ägypten, Sinai und Nubien bis Wadi Halfa. Seine Orientmalerei diente der Verbreitung von Wissen über die exotischen Länder. Dass er auch Palästina ein gesteigertes Interesse entgegenbrachte, belegt den Aufschwung der Bibelforschung der Zeit, in der der historische Christus und mit ihm Land und Leute speziell in den Blickpunkt gerieten.

 

 

Der in Karlsruhe und Zürich ausgebildete Franz Xaver von Pausinger (Salzburg 1839-1915) begleitete 1881 Kronprinz Rudolf in den Orient, wie auch Alois Schönn (1826-1917), Karl Ludwig Libay (1814-1888), Bernhard Fiedler (1816-1904) meist in Auftrag von Adeligen als Reisebegleiter und Dokumentatoren fungierten.

 

 

Secessionskünstler im Orient

Auch die Generation der Secessionskünstler hatte noch immer ungebrochenes Interesse am Orient: Der von Fürst Johann von und zu Liechtenstein geförderte Johann Victor Krämer (1861-1941) war Student von Leopold Carl Müller und Mitbegründer der Wr. Secession. Er erhielt 1888 den Rompreis und bezog 1891 ein Atelier in Wien. Im März 1898 trat er eine zweijährige Studienreise nach Ägypten und Palästina an, die von Leopoldine Wittgenstein gefördert wurde. Er publizierte ein „Reisewerk“ und stellte 1901 auf der XI. Ausstellung der Wiener Secession Gemälde und über 70 Studien von dieser Orientreise aus. Charles Wilda (1854-1907) reiste 1892 gemeinsam mit Arthur Strasser in Ägypten. Der Autodidakt Alphons Leopold Mielich (Klosterneuburg 1863 – 1929 Salzburg) verschrieb sich nahezu gänzlich dem Orient und kopierte u.a. 1901 im Auftrag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften die in der Folge zerstörten Fresken im Umayyaden-Schloss Qusair `Amra (1898 entdeckt durch Alois Musil), die 1907 publiziert wurden.

 

Indien und Ceylon – gesehen durch Eugen von Ransonnet-Villez, Joseph Selleny und Julius von Blaas

Eugen von Ransonnet-Villez (1838-1926) – Diplomat, Taucher und ausgebildeter Maler – ist eine der abenteuerlichsten Persönlichkeiten in der Orientmalerei. 1864-65 schuf er Bilder aus dem Ozean mit Hilfe einer Taucherglocke: Die Glocke hatte eine Luftzufuhr von einem Boot, ein Bullauge, eine Sitzgelegenheit und sechs Kanonenkugeln zur Beschwerung (1868 publiziert).

Joseph Selleny (1824-1875) war 1867-69 Begleiter der „Novara“-Expedition. Er gestaltete 946 Zeichnungen und Aquarelle, die wenig malerisch, sehr sachlich, genaue Küstenprofile für die Zusammenarbeit mit militärischen Geologen sind.

Julius von Blaas (1845-1922) – Sohn von Karl Blaas [Akademieprof., Fresken im Arsenal] und befreundete mit Leopold Carl Müller, begleitete 1873-74 Josef von Doblhoff-Dier auf Weltreise. Angeblich, so weiß eine Anekdote zu berichten, hätte Julius von Blaas sich durch das Einstudieren zweier Verdi Pariten für die Wr. Hofoper eine Heiserkeit zugezogen, die seine angestrebte Karriere als Sänger beendete. Die Krise, in die Baals schlitterte, sollte durch die Weltreise des Barons gelindert werden. Ägypten, Indien, China, Japan und Amerika wurden besucht, durch einen Schiffbruch ging jedoch nahezu die gesamte künstlerische Produktion verloren.

 

 

Fazit

„Orient und Okzident. Österreichische Künstler auf Reisen“ unterscheidet sich leider kaum von Vorgängerprojekten aus den 90er Jahren. Ausstellungen im Wien Museum und in Salzburg hatten bereits die malerischen und pittoresken Errungenschaften der Touristen-Maler zusammengefasst, teils sogar mit dem gleichen Bildmaterial. Es hätte der Ausstellung sicher nicht geschadet, wenn man sich einer kritischeren Haltung befleißigt und die Kontexte der Orientreisen stärker herausgearbeitet hätte.

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.