Seit der Hommage an Aristide Maillol (1861–1944), organisiert 1961 vom Musée national d’art moderne anlässlich seines 100. Geburtstags, wurde der Bildhauer nicht mehr in einer großen Einzelausstellung in Paris geehrt. Nicht nur deshalb widmet ihm das Orsay Museum im Frühjahr 2022 eine große Retrospektive. Trotz der Zeitlosigkeit seines Schaffens spielte Maillol zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle (→ Klassische Moderne).
Frankreich | Paris: Musée d‘Orsay
12.4. – 21.8.2022
Maillol kam erst spät zur Bildhauerei. Der zum Maler Ausgebildete wandte sich erst der Tapisserie und dem Kunstgewerbe zu. Die wenig bekannten Werke zeigen einen Künstler, der sich mit Paul Gauguin und Puvis de Chavannes befasste und enge Verbindungen zu den Nabis knüpfte. In den späten 1880er und 1890er Jahren setzte er sich mit den Prinzipien der Wanddekoration intensiv auseinander.
Erst um 1895 entdeckte Maillol die Bildhauerei, zunächst in Holz und in kleinen Dimensionen: Octave Mirbeau und Ambroise Vollard erkannten die Qualitäten der neuen Werke; entscheidend für die Karriere von Maillol wurde das Zusammentreffen mit Harry Graf Kessler. Der Austausch von Arbeiten mit Maurice Denis, Édouard Vuillard und Auguste Rodin zeugen von dem Netzwerk, das sich um 1900 um Maillol entwickelte und das für seinen gesamten Lebensweg wichtig wurde.
Die Ausstellung im Musée dOrsay präsentiert Maillols erste Fassung der „Méditerranée [auch: La Pensée]“ (1905, Oskar-Reinhart-Stiftung, Winterthur), die er für seinen Mäzen schuf, und die zweite, achtzehn Jahre später vom französischen Staat in Auftrag gegeben (Musée d‘Orsay). Die beiden Skulpturen werden Aug in Aug einander gegenüberstehen. Die Bedeutung dieser Skulptur erschließt sich aus ihrer klassischen Formgebung. Sie ist ein Manifest der „retour à l’ordre [Rückkehr zur Ordnung]“, in der Maillol eine wichtige Rolle spielte: Sie verschließt sich jeglicher Suche nach Ausdruck und interpretiert den weibliche Körper mit robuster und sinnlicher Anatomie in geometrische Formen. Damit begründete Aristide einen neuen Klassizismus, der interessanterweise gleichzeitig mit Henri Matisse und seinen Mitstreitern des Fauvismus 1905 der Pariser Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Der Bildhauer Maillol bewegte sich leicht und ständig von der Skizze zum Monumentalen. Das imposante „Denkmal für Cézanne“ bildet den Dreh- und Angelpunkt eines Kapitels, der dazu einlädt, in Maillols Schaffensprozess einzutauchen. Die Ausstellung schließt mit einer kleinen Auswahl großartiger Figuren, dem Höhepunkt einer künstlerischen Reise, auf der die Suche nach formaler Perfektion einen wesentlichen Platz einnahm.