Jan van Eycks (um 1390–1441) „Madonna am Springbrunnen“ (1439) aus dem Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen (KMSKA) wird im Rahmen der Reihe „Flandern zu Gast“ als Leihgabe zu sehen sein. Darüber hinaus ist ein äußerst prominentes Objekt aus der Kunstkammer Teil der Schau: ein etwa um dieselbe Zeit entstandenes liturgisches Gewand, die Kasel des Messornats des Ordens vom Goldenen Vlies.
Österreich / Wien: Kunsthistorisches Museum
10.7.2019 – 6.1.2020
Aufgrund seines virtuosen Umgangs mit Ölmalerei und der Verbindung von Realismus mit brillanten Farben galt Jan van Eyck als bahnbrechender Meister und stieg rasch zum bevorzugten Hofmaler Herzog Philipps des Guten von Burgund (1396–1467) auf. Bereits zu Lebzeiten zu höchstem Ruhm gelangt, wurde er bald in ganz Europa als Begründer der niederländischen Malerei gefeiert.
Jan van Eyck gilt als der erste Künstler nördlich der Alpen, der seine Werke signierte und datierte. Besonders beachtlich ist sein Motto. Jan van Eyck wählte für seinen Wahlspruch AΛΣ · IXH · XAN – „ALS ICH CAN“ – pseudo-griechische Lettern. Die Aussprache des Mottos jedoch niederländisch, bedeutet so viel wie „so gut ich kann (aber nicht so gut, wie ich möchte)“ und ist als Understatement des Künstlers zu verstehen. Im frühen 15. Jahrhundert war es ganz und gar nicht üblich für einen Maler, dessen Tätigkeit als Handwerk galt, eine Devise zu führen. Dies war eher ein Privileg der burgundischen Herzöge und des Adels.
Jan van Eycks „Madonna am Brunnen“ entstand 1439, also zwei Jahre vor dem Tod des Meisters, für einen unbekannten Auftraggeber. Damit ist die „Brunnenmadonna“ das letzte religiöse Werk, dessen Datierung überliefert ist. Die höchste technische Brillanz der perfektionierten Ölmalerei und das Raffinement der Feinmalerei machen das Andachtsbild zu einem vollkommenen Meisterwerk seines späten Werks. Seine Funktion dürfte – aufgrund der beschränkten Maße von 19 x 12,5 cm – im Bereich des Andachtsbildes zu finden sein. Aus dem 15. und dem 16. Jahrhundert haben sich Kopien des Werks erhalten, weshalb das Werk in Brügge zumindest einer eingeschränkten Öffentlichkeit zugänglich gewesen sein muss. Vielleicht griffen aber auch ehemalige Mitarbeiter Jan van Eycks auf dessen Musterzeichnungen zurück. Eine dieser Paraphrasen befand sich in der Kunstsammlung der Margarete von Österreich.
Das miniaturhaft ausgeführte Gemälde zeigt Maria mit dem Kind in einem Rosengarten mit einer Rasenbank. Unter ihren Füßen und hinter der Gottesmutter spannen zwei Engel ein Ehrentuch aus. Ihr Flügel schimmern in den Farben des Regenbogens (vgl. „Mellon-Verkündigung“ und „New Yorker Diptychon“). Der Messingbrunnen links wird von einem Löwen bekrönt. Der Typus der Mariendarstellung beruht auf dem byzantinischen Gnadenbildtypus der Maria Eleousa.
Rund um die Madonna versammelte Jan van Eyck eine Vielzahl von Symbolen, die sich unmittelbar auf die Gottesmutter und deren Jungfräulichkeit beziehen. Der Rosengarten steht als hortus conclusus [lat. Geschlossener Garten] für den Paradiesgarten (Hohelied Salomos). Der Brunnen steht sowohl für Maria wie auch in der christologischen Lesart für den Lebensbrunnen, aus dem das Wasser des Lebens quillt.
Diese herausragende Leihgabe aus dem Königlichen Museum für Schöne Künste Antwerpen bietet den Anlass zur Ausstellung, in der beide Tafelbilder Jan van Eycks zusammen mit Hauptwerken der Altniederländer-Sammlung der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums präsentiert werden. Die Ausstellung präsentiert drei von den rund zwanzig erhaltenen Werken Jan van Eycks und bietet dem Besucher einen Einblick in die Kunst zur Zeit Herzog Philipps des Guten, als die Burgundischen Niederlande im 15. Jahrhundert eine einmalige Blütezeit der höfischen und städtischen Kultur erlebten.
Die in der kunsthistorischen Forschung der Vergangenheit etablierte Medientrennung in Malerei, Bildhauerei, Skulptur und Kunstgewerbe, incl. Textilien verschloss den Blick auf die breitgefächerten kreativen Leistungen von Künstlerwerkstätten im 14. und 15. Jahrhundert. In den letzten Jahren wird in der Forschung wieder verstärkt darauf Rücksicht genommen und daher im Kunsthistorischen Museum, Wien, die Jan van Eyck-Ausstellung medial durch die Kasel des Messornats des Ordens vom Goldenen Vlies [Toison d‘Or] erweitert. Von Jan van Eycks Werkstatt ist heute bekannt, dass sie auch Festarchitektur entwarf, Skulpturen fasste (bemalte) und Vorlagen für Tapisserien und figurale Stickereien anfertigte.
Der von Philipp dem Guten (1369–1467) am 10. Januar 1430 anlässlich seiner dritten Eheschließung mit Isabella von Portugal gegründeten Ritterorden hatte sich im 15. Jahrhundert zu einer einflussreichen Gruppe von hochadeligen Männern aus dem burgundischen Herrschaftsbereich entwickelt. Die acht Paramente in der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums (seit 1797) stehen exemplarisch für die exquisite Textilkunst, die zum Ruhm und zur legendären Prachtentfaltung am Hof der burgundischen Herzöge maßgeblich beigetragen hat. Die liturgischen Textilien bildeten eine so genannte chapelle entière, die beim feierlichen Hochamt in der römisch-katholischen Kirche (missa solemnis) zum Einsatz kam.1 Kaum an Pracht zu übertreffen ist die Ausführung des liturgischen Gewandes in feinster Lasurstickerei mit Gold- und Seidenfäden, deren Aufwand und Materialwert die Kosten für Gemälde damals bei weitem überstieg.
Stilistisch lassen sich die figuralen Stickereien mit Gemälden von Robert Campin (Meister von Flémalle), den Brüdern van Eyck und Rogier van der Weyden vergleichen.
Kuratiert von Sabine Pénot, Kuratorin für niederländische und flämische Malerei, Kunsthistorisches Museum, Wien.