Robert Campin (Meister von Flémalle) | ARTinWORDS

Robert Campin (Meister von Flémalle)

Wer war Robert Campin (Meister von Flémalle)?

Robert Campin (um 1375?–1444 Tournai) war ein niederländischer bzw. flämischer Maler des 15. Jahrhunderts, der zur Spätgotik bzw. ars nova gezählt wird (→ Gotik). Er wirkte als Tafel-, Wand-, Buch- und Fassmaler und wird meist häufig mit dem Meister von Flémalle identifiziert. Neben Jan van Eyck war Campin einer er dersten niederländischen Maler, dessen Schaffen den Übergang vom Internationalen Stil der Spätgotik zu einem neuen Realismus zeigt. Die Erweiterung des Bildraums, der Detailrealismus und die plastische Gestaltung der Bildfiguren kennzeichnen Campins‘ Kunst. Der anonyme Maler „Meister von Flémalle“ wird von manchen Forschern mit dem in Tournai ansässigen Künstler Robert Campin identifiziert. Dieser war der Lehrer von Jacques Daret (1423/24–1432) und Rogier van der Weyden (ab 1427–1432).

Seit 1406 ist ein Meister Robert Campin in Tournai  in einer Abrechnung urkundlich bezeugt. Da der Maler zu diesem Zeitpunkt mindestens 25 Jahre alt gewesen sein muss, dürfte Campin um 1375 geboren und etwas jünger sein als Melchior Broederlam (1350–1409). Da Campin 1410 die Bürgerrechte von Tournai erwarb, dürfte er aus einer anderen, unbekannten Stadt stammen. Der Maler war mit Ysabiel de Stocquain verheiratet, die er mit Leurence Polette betrog. Daraufhin wurde er im Juli 1432 vom Gericht für ein Jahr aus der Stadt verbannt. Da Robert Campin in der Folge seine Werkstatt auflösen musste, gründeten seine Mitarbeiter Rogier van der Weyden und Jacques Daret eigene Ateliers und wurden als Künstler wahrgenommen. Nach bereits drei Monaten hob der Stadtrat die Verbannung wieder auf, was Campin ermöglichte, mit einer verkleinerten Werkstatt seine Arbeit wieder aufzunehmen.

Ob das Werk Robert Campins vor den oder gleichzeitig zu Leistungen Jan van Eycks entstand, ist in der Forschung noch strittig. Meist wird jedoch davon ausgegangen, dass die beiden Künstler gleichzeitig tätig waren. Landschafts- und Raumgestaltung, die Plastizität der Figuren und die naturalistische Wiedergabe von Alltagsgegenständen machen die Bilder Campins zu herausragenden Leistungen ab Mitte 1420er Jahre.

In den 1430er Jahren beeindruckte Robert Campin mit seinen Werken auch Auftraggeber und Künstler im benachbarten Flandern. Der Maler Louis Allyncbrood vermittelte Campins Malerei bis nach Spanien.

Werke

Der ab 1427 als „Lehrling“ eingetreten Rogier van der Weyden dürfte seinem Lehrherren maßgebliche Impulse – vielleicht hatte er bereits eine Ausbildung zuvor abgeschlossen. Mitte der 1420er Jahre schuf Robert Campin in seiner Werkstatt das Triptychon der „Grablegung“ (Courtauld Gallery, London) und die „Verkündigung“ (Koninklijke Musea, Brüssel), die „Madonna vor dem Ofenschirm“ (National Gallery, London), die „Madonna in der Glorie“ (Musée Granet, Aix-en-Provence) und das Schächerfragment (Städel. Frankfurt a. M.) aus der verlorenen Brügger „Kreuzigung“. Keines der Werke ist datiert, keines dürfte vor 1420 entstanden sein.

Robert Campins „Bildnis eines feisten Mannes (Robert de Masmines?)“ (um 1425/30, Gemäldegalerie Berlin) zählt zu den eindrucksvollen Werken der frühen niederländischen Porträtmalerei. Sowohl der schonungslose Realismus der Wiedergabe und der enge Bildausschnitt des 28,5 x 17,7 cm kleinen Porträts wie auch das Erscheinungsbild des Dargestellten lassen es monumental erscheinen. Die stoffliche Schilderung des Inkarnats, des Doppelkinns, der Bartstoppeln, der Haare erhöhen den Eindruck der lebenswahren Erscheinung des „feisten Mannes“. Das Museo Nacional Thyssen-Bornemisza besitzt die zweite Fassung des Bildnisses. Die Provenienz dieses Bildes aus dem Besitz der Grafen van der Straten-Ponthoz in Ocquier nahe Huy lässt Rückschlüsse auf die Identität des Porträtierten zu, waren sie doch mit Robert de Masmines verwandt. De Masmines diente den burgundischen Herzögen Johann ohne Furcht und Philipp dem Guten als Ratgeber und Truppenführer. Er wurde 1420 bei der Belagerung von Melun zum Ritter geschlagen und im Januar 1430 in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen. Er starb noch im selben Jahr in der Schlacht bei Bouvines. Auch die Datierung des Bildes wird mit der Identifikation verbunden: Da der Vlies-Orden immer getragen werden musste, würde dies bei einer richtigen Benennung des Dargestellten die Schlussfolgerung zulassen, dass das Porträt in der zweiten Hälfte der 1420er Jahre und vor Januar 1430 entstanden sein dürfte. Wenn dies zuträfe, würde es sich bei dem „Bildnis eines feisten Mannes (Robert de Masmines?)“ um das früheste sicher datierbare Porträt der altniederländischen Malerei handeln.

Literatur zu Robert Campin (Meister von Flémalle)

  • Jan van Eyck und seine Zeit. Flämische Meister und der Süden 1430–1530 (Ausst.-Kat. Groeningemuseum, Brügge, 15.3.–30.6.2002) Stuttgart 2002.
  • Rainald Grosshans, Robert Campin, Bildnis eines feisten Mannes (Robert de Madimones?), um 1425/30, in: Gemäldegalerie Berlin /Staatliche Museen zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz. Bd. 1: 200 Meisterwerke, Berlin 1998, S. 120.