Monica Bonvicini inszeniert unter dem Titel „I Cannot Hide My Anger“ ihre Reaktion auf aktuelle Abschottungshaltungen und die globale Dominanz des Geldes. Das Belvedere 21 – der lichtdurchflossene Pavillon von Karl Schwanzer – umhaust aktuelle eine aluglitzernde, raumfüllende Skulptur, die an einen Bunker erinnert. Gegenüber des Eingangs prallt man auf eine Wand aus poliertem, silbern schimmerndem Metall. Durch die Reflexion sieht man sich selbst immer als Teil des Objekts.
Österreich / Wien: Belvedere 21
28.6. – 27.10.2019
Auf der Eingangswand prangt der Schriftzug „hy$teria“, mit dem die in Berlin lebende Künstlerin aktuelles Unwohlsein, ihren Ärger benennt. Oben an die Wände Stacheldrahtzaun ist gesetzt und vermittelt eindrücklich das Gefühl, dass hier kein Durchkommen gewünscht ist. Ob sich die Arbeit auf Donald Trumps Mauerprojekt oder Matteo Salvinis Migrationspolitik bezieht, oder ob deutsche, österreichische, europäische Haltungen dahinterstehen, lässt die Künstlerin an dieser Stelle des raumfüllenden Objekts bewusst offen.
Zweimal um die Ecke gebogen, erhält die Skulptur dann doch einen nationalen Kontext, lässt Bonvicini einen eindeutig amerikanischen Cowboy samt Pferd auftreten. Als schwarzer Siebdruck auf dem glänzenden Metall scheint er überlebensgroß einen Stacheldrahtzaun entlangzureiten. Oder handelt es sich um eine Patrouille an einer Grundstücksgrenze? Der Mann zündet sich gerade eine Zigarette an, was ihn zusätzlich als den amerikanischen „Marlboro“-Mann – auszeichnet. Bonvicini spielt auf den Mythos von Freiheit und Selbstbestimmung an, gleichzeitig aber vielleicht auch auf die Eroberung des Mittleren Westens durch die Einwanderer aus Europa. Dahinter steht die Landnahme, oder besser der Landraub von den First Nations, die bis heute im Bewusstsein so mancher US-Amerikaner als gerechtfertigte Inbesitznahme eines freien Territoriums gilt. Interessanterweise konnte der reitende Cowboy erst Ende des 19. Jahrhunderts zur Nation einenden Symbolfigur aufsteigen, als die harte Arbeit der Kuhhirten zunehmend verdrängt worden war (vgl. die berühmten Bronzeskulpturen von Frederic Remington). Mit Hilfe einer Zigarettenmarke wurde der Mythos des Cowboys bis in die jüngste Vergangenheit am Leben erhalten, weshalb er naturverbundene Romantiker seit Mitte des 20. Jahrhunderts von vielen Künstlerinnen und Künstlern als Reibefläche für amerikanisches Heldentum verwendet wird (Roy Lichtenstein, Robert Frank → Robert Frank: The Americans, Bruce Nauman → Bruce Nauman im Hamburger Bahnhof, Cady Noland). Das Bild des die Grenze bewachenden Cowboys verleiht der Skulptur eine geografische Verortung, welche die Arbeit vielleicht gar nicht nötig gehabt hätte.
Dem reitenden Cowboy stellt Bonvicini im hinteren Teil des Pavillons, zwei aus der Entfernung schwarz glänzende Objekte entgegen: „Double Trouble“, ein Stockbett mit Fesseln, das sich beim Nähertreten als verspiegelt offenbart, ein tonnenartiges Objekt aus schwarzen Gürteln. Außerhalb der Mauern wird an Gefängnishaft incl. abgenommener Gürtel, Massenunterkünfte, Flüchtlingslager angespielt. Die Spiegelung der Spiegelung des Stockbetts setzt sich illusionistisch nach unten unendlich fort – eine stimmungsvolle Andeutung. Ergänzend bildet ein schwarzes Tuschebild eines verfallenden Hauses – „Wildfire Kern2010“. Wer sich ohne die Broschüre durch die Ausstellung bewegt, könnte auf die Idee kommen, dass das Sujet eine Referenz auf jene sein könnte, die ohne das hysterisch umkämpfte Geld leben müssen, deren Haus zusehends verfällt. Doch weit gefehlt. Hier schlägt das Ausstellungskonzept einen Hacken, schenkt die Künstlerin auf das Thema Erderwärmung und Naturkatastrophe (wie Waldbrand) um.
Die wirkliche Überraschung zeigt sich im Obergeschoss des Belvedere 21. Hier offenbart sich die im Erdgeschoss so hermetisch wirkende Festung als Bühnenstück. Man blickt im Zentrum des Gebäudes auf die Leere, und die metallischen „Mauern“ wirken alles andere als bedrohlich. Offensichtlich entschied sich Monica Bonvicini gegen eine inhaltliche Füllung dieser Blickachse – meiner Ansicht nach eine vertane Chance bzw. eine ungenügend gelöste inhaltliche Ebene. Wenn das leere Zentrum als „Negativraum“ angesprochen wird, . Dass Bonvicini nicht daran dachte, diese Blickachse aufzunehmen, überrascht. Was im Erdgeschoss an Stimmung aufgebaut wird, wird im ersten Stock als Illusion entzaubert.
Kuratiert von Axel Köhne.