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dOCUMENTA (13): Aktuelle Malerei – gegen Medienspezifität Das war die dOCUMENTA (13) in 12 Kapiteln - Teil 9

Thomas Bayrle, Flugzeug, 1984, dOCUMENTA (13) 2012, Installationsfoto: Alexandra Matzner.

Thomas Bayrle, Flugzeug, 1984, dOCUMENTA (13) 2012, Installationsfoto: Alexandra Matzner.

Dass aktuelle Malerei sich nicht mehr nur mit den Materialien Farbe und Leinwand begnügt, zeigt CCB in der dOCUMENTA-Halle. Im Zentrum dieser Präsentation stehen Zeichnungen und Gemälde von Gustav Metzger, der durch seine Abwendung vom „Tafelbild“ Ende der 50er zu einer „Gründerfigur“ aktueller Tendenzen wurde. Metzgers Arbeiten werden der wichtigen jungen Position, Julie Mehretus (* 1970) riesige Formate, gegenübergestellt. Die in New York und Berlin lebende Künstlerin arbeitet in Schichten, zeichnet präzise Architekturen im Hintergrund und überarbeitet diese mit abstrakten Zeichen, mal gestisch-expressiv mal konkret-geometrisch.

Yan Lei (* 1965) entwickelte für die dOCUMENTA (13) ein Konzept, in dem der „Wert“ eines Bildes kritisch hinterfragt wird. Ausgehend von der Bilderflut im World Wide Web, malte der chinesische Künstler täglich ein Bild, das er aus diesen Myriaden von Abbildern herausfischte. Alle 360 Werke werden in einem Raum gleichzeitig präsentiert, einige hängen dicht gedrängt an den Wänden, andere werden von der Decke hängend „präsentiert“, viele sind in einem Stellsystem untergebracht. So wie der Künstler im Laufe eines Jahres täglich ein Bild entstehen hat lassen, wird nun im Laufe der Ausstellungsdauer täglich ein Bild einfarbig übermalt und damit ausgelöscht.

„In Search of Vanished Blood“ ist ein 6-Kanal-Video/Schattenspiel von der in Bombay lebenden Künstlerin Nalini Malani (* 1946). In der Überschneidung von Videos und Schattenbildern, die von fünf rotierenden Mylar-Zylindern produziert werden, entstehen geheimnisvolle, poetische Bilder, die sich um komplexe Themen ranken: der Fluch der Sehergabe, die schwierige Stellung der Witwe in der indischen Gesellschaft und das Scheitern zwischenmenschlicher Verständigung.

Auch Thomas Bayrles (* 1937) großformatige Arbeiten auf und aus Papier/Karton gehören wohl nicht in das klassische Feld der Malerei (→ Thomas Bayrle im MAK). Das 8 x 13,4 Meter große Bild eines „Flugzeugs“ (1984) setzt sich aus lauter kleinen Bildern desselben Flugzeugs zusammen. Dieses Lob der Technik nehmen „singende“ Automotoren auf und intonieren Gebete zu ihren rhythmischen Bewegungen.

Einen konzeptionellen Zugang zur Malerei hat auch der in New York ansässige Paul Chan (* 1973) entwickelt. Dafür trennt er das Cover vom Inhalt von Büchern, malt, ohne die meisten von ihnen gelesen zu haben, kleine abstrakte Bilder oder Landschaftsdarstellungen auf die aufgeklappten Umschläge, denn, manche Bücher, so meint der Künstler, würden nach bestimmten Sujets verlangen.

Doug Ashford (* 1958) gestaltete ein Fertigteilhaus in der Karlsaue, indem er seine an konkrete Kunst erinnernden, abstrakten Kompositionen mit Schwarz-Weiß-Fotografien kombinierte. Die Fotografien zeigen Szenen der Hilflosigkeit und des Aufeinanderangewiesenseins.

Weitere Themen auf der documenta 13

Teil 1: dOCUMENTA (13): Raumfragen
Teil 2: dOCUMENTA (13): Themenfelder
Teil 3: dOCUMENTA (13): Kunst und ihre politische Verantwortung
Teil 4: dOCUMENTA (13): Kunst und der Umgang mit Geschichte
Teil 5: dOCUMENTA (13): Kassel und Afghanistan
Teil 6: dOCUMENTA (13): Kassel und Australien
Teil 7: dOCUMENTA (13): Historische Wurzeln aktueller Kunst
Teil 8: dOCUMENTA (13) Kunst und Naturwissenschaft
Teil 10: dOCUMENTA (13): Kunst und Ökologie
Teil 11: dOCUMENTA (13): Künstler und Schamanismus
Teil 12: dOCUMENTA (13): „Realität“ und ihre mediale Vermittlung

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.