Ida Gerhardi: dt.-franz. Malerin der Moderne | ARTinWORDS

Ida Gerhardi

Wer war Ida Gerhardi?

Ida Gerhardi (Hagen 2.8.1862–29.6.1927 Lüdenscheid) war eine Malerin der Klassischen Moderne (→ Klassische Moderne). Von 1891 bis 1913 hielt sie sich vor allem in Paris auf. Gerhardi machte sich neben der Malerei auch um den deutsch-französischen Kulturaustausch verdient.

Kindheit

Ida Gerhardi wurde als Tochter des Arztes August Gerhardi (1831–1869) und der Mathilde (1840–1917), einer geborenen Dieckmann, in Hagen geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters 1869 zog die Familie zu Verwandten nach Detmold, wo Gerhardi die Höhere Töchterschule besuchte.

Ausbildung

Im Alter von 28 Jahren konnte Ida Gerhardi ihren Wunsch nach einem Studium der Malerei durchsetzen. Zunächst studierte sie 1890 an der Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins, vornehmlich bei der Landschaftsmalerin Tina Blau.

Pariser „Malweib“

1891 ging Gerhardi nach Paris und studierte dort in den folgenden Jahren an der Académie Colarossi, einer Privatschule, die vor allem bei jungen Frauen und ausländischen Studierenden beliebt war, da die staatliche Akademie für diese schwer zugänglich war. Eng befreundet war sie mit der Malerin Jelka Rosen und deren späteren Ehemann, dem Komponisten Frederick Delius, für dessen musikalische Aufführungen sie sich in Deutschland einsetzte (z. B. 1897 deutsche Erstaufführung in Elberfeld).

Anfänglich konzentrierte sich Ida Gerhardi auf die Landschaftsmalerei, die der stimmungsvollen Naturwiedergabe der Schule von Barbizon nahestand, im Erfassen von Licht und Atmosphäre aber schon impressionistisch war. Dann spezialisierte sie sich zunehmend als Porträtistin. Zunächst malte sie traditionell in dunkler, gedämpfter Farbigkeit, doch schon um 1896 hellte sich die Farbpalette auf, das Kolorit wurde klarer und leuchtender.

Künstlerfreunde

Ab 1900 stand Ida Gerhardi in Kontakt mit dem Bildhauer Auguste Rodin und wenig später schloss sie sich dem Künstlerkreis des Café du Dôme am Montparnasse an. Sie wird heute zu den sogenannten Malweibern von Paris gezählt. In Paris und Deutschland pflegte sie Künstlerfreundschaften mit Käthe Kollwitz, Ottilie W. Roederstein, Maria Slavona, Friedrich Ahlers-Hestermann, Franz Nölken sowie zu den Kunstsammlern und Kunsthistorikern Wilhelm Uhde, Otto Ackermann und Walter Kaesbach.

Von besonderer Qualität sind die Bildnisse ihrer Künstlerfreunde wie etwa von den Musikern Arthur Nikisch (1899), Frederick Delius (1912) und Ferruccio Busoni (1902, verschollen) oder dem Maler Christian Rohlfs (1906) wie auch von dem Museumsgründer Karl-Ernst Osthaus (1903). Mit Selbstbildnissen aus der gesamten Schaffenszeit dokumentierte sie ihre eigene Verfassung und gesellschaftliche Stellung als Frau in der Kunst.

Vergnügungslokale und Seestücke

Bedeutsam sind ihre Bilder aus Pariser Vergnügungslokalen wie dem Bal Bullier, die sie zwischen 1903 und 1905 zum Teil zusammen mit Käthe Kollwitz aufsuchte. Dort entstanden als Grundlage ihrer Werke zahlreiche Skizzen. Es sind überwiegend Tanzszenen in hell erleuchteten Sälen, aber auch Wiedergaben der düsteren, sogenannten Apachenkneipen. Frauen durften erst seit Kurzem ohne Begleitung durch eine Großstadt gehen; Orte wie die von ihr gemalten Lokale durften sie kaum besuchen. Gerhardi ist in der Kunstgeschichte damit eine Pionierin – keine Frau vor ihr malte dieses Sujet.

1905 malte Ida Gerhardi Seestücke in Biarritz. Neben den Porträts entstanden vor allem in der Spätzeit auch Stadtansichten, Genrebilder und Stillleben. Seit etwa 1900 hatte sich Ida Gerhardi im Kolorit und Malduktus den französischen Spätimpressionisten und Fauvisten genähert (→ Fauvismus). Unter dem Einfluss des rheinischen Expressionismus wurde ihre Farbigkeit um 1911 pastelliger und die Formgebung umrissbetonter. Trotz abstrahierender Tendenzen blieb sie immer dem Gegenstand verpflichtet und die Charakterisierung von Personen blieb ein stetes Anliegen.

Deutsch-französischer Kulturaustausch

Ida Gerhardi engagierte sich bei der Vermittlung von Kunstwerken, ihrem Verkauf und der Organisation von Ausstellungen. Sie machte den Hagener Museumsgründer Karl Ernst Osthaus mit Rodin und Aristide Maillol bekannt und vermittelte Ankäufe für dessen Museum in Hagen, das heutige Osthaus Museum Hagen. 1907 organisierte sie eine Ausstellung französischer Kunst in Berlin (Kunstsalon Schulte) und 1910 eine Ausstellung deutscher Kunst in Paris (Galerie des Ausstellungsvereins „Les Tendances Nouvelles“ an der Champs-Elysées). Zur Kunstvermittlung und zu Portraitaufträgen reiste sie nach Leipzig, Berlin, Weimar und Hagen.

Ida Gerhardi war Mitglied im Deutschen Künstlerbund. Sie war mit ihren Werken an Ausstellungen in Paris im Salon de l’Union internationale des Beaux-arts (1910), im Salon des Indépendants und in Deutschland bei der Berliner Secession und der Münchener Secession vertreten. Aus Gesundheitsgründen musste sie 1913 ihr Pariser Atelier aufgeben und lebte fortan in Lüdenscheid im Haus der Familie.

Tod

Ida Gerhardi starb am 29. Juni 1927 in Lüdenscheid und wurde in Detmold im Familiengrab beigesetzt.

Der Stadtrat von Detmold erklärte ihr Grab auf dem Alten Friedhof 2013 zum Ehrengrab. Sie hinterließ Briefe, die von Annegret Rittmann 1993 erstmals veröffentlicht wurden.