Maximilian I. war nicht nur der zweite Habsburger auf dem Kaiserthron und nutzte Kriege wie Hochzeiten, um die Macht der Dynastie auszubauen, sondern setzte auch Kunstwerke ein, um seinen Nachruhm zu sichern. Neben dem seit 1920 in der Albertina verwahrten „Triumphzug“ des Kaisers, der nun nach jahrelanger Restaurierung erstmals wieder zu sehen ist (→ Der Triumphzug von Kaiser Maximilian I.), gilt die „Ehrenpforte“ als seine wichtigste Auftragsarbeit. Der größte Holzschnitt seiner Zeit von Albrecht Dürer inszeniert sowohl das Leben Maximilians als auch die Dynastie. Der Mensch „hinter“ der dem in der Kunstpropaganda so glorreich verbildlichten „Staatskörper“ bleibt jedoch weitestgehend im Dunkeln. Einzig eine kleine, unscheinbare Zeichnung von Hans Holbein dem Älteren zeigt wohl den Kaiser in seiner alltäglichen Reisemontur.
Österreich / Wien: Albertina, Basteihalle
14.9.2012 - 6.1.2013
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Albrecht Dürer. Kunst - Künstler - Kontext (Städel 2013)
Teil 1: Der Triumphzug von Kaiser Maximilian I.
Teil 2: Die Popularisierung des „Triumphzugs Kaiser Maximilians“
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Die Präsentation des heute noch 54 Meter langen Triumphzugs in der unteren Basteihalle machte es nötig, die gliedernde Architektur völlig zu entfernen. Stattdessen werden nun die Porträts der Herrscherfamilie (meist Leihgaben aus dem KHM) im ersten Kapitel wie auch der Triumphzug gleichsam schwebend vor einem dunkelvioletten Vorhang gezeigt. Den Abschluss bildet die sog. „Ehrenpforte Kaiser Maximilians I.“, mit einer Gesamthöhe von 3,5 Metern der größte Holzschnitt seiner Zeit.
Kaiser Maximilian I. (22. März 1459 - 12. Jänner 1519) war der Sohn Kaiser Friedrichs III., dem erster Habsburger auf dem Kaiserthron, und Eleonore von Portugal. In Wr. Neustadt geboren, 1486 zum Römischen König gewählt und 1508 selbst zum Kaiser des Hl. Römischen Reiches proklamiert, blieb ihm eine offizielle Kaiserkrönung durch den Papst zeitlebens verwehrt. Sein Motto - „per tot discrimina rerum“ (durch so viele Gefahren) – spielt sowohl auf die erfolgreiche Heiratspolitik der Habsburger an wie auch die 27 Kriege die der Kaiser in nahezu andauernder Folge auszufechten hatte. Der Aufstieg der Habsburger hängt mit der sog. Burgundischen Hochzeit im Sommer 1477 eng zusammen, als Maximilian Maria von Burgund, die einzige Tochter von Karl dem Kühnen1 ehelichte. Die beiden aus dieser Verbindung stammenden Kinder, Philipp der Schöne und Margarete, sollten über ihre Verbindungen mit den spanischen Thronfolgern Spanien für die Habsburger sichern. Die Doppelhochzeit der Enkel Ferdinand und Maria mit Ludwig und Anna von Böhmen-Ungarn am 22. Juli 1515 auf dem Wr. Fürstentag führte 1526 unter Ferdinand I. wiederum zu beträchtlichen Gebietserweiterungen im Nordosten. 1516 erlebte Maximilian noch wie sein Enkel Karl (1500-1558) zum König von Spanien gekrönt und so Universalerbe des spanischen Reiches wurde. Nach dem Tod Maximilians 1519 sollte Karl auch zum röm.-dt. Kaiser gewählt und 1556 von Ferdinand abgelöst werden. Die in der Forschung angenommenen 30 unehelichen Kinder Maximilians hinterließen hingegen so gut wie keine Spuren - genauso wie die ungeliebte zweite Ehefrau: Bianca Maria Sforza. Letztere brachte eine Mitgift von 400.000 Gulden und 40.000 Golddukaten an Schmuck in die Ehe. Der im November 1493 per procurationem geschlossenen Hochzeit folgte im März 1494 ein erstes Zusammentreffen mit Maximilian in Innsbruck, wofür das Goldene Dachl angefertigt wurde. Der Kaiser hielt sich nach einiger Zeit von seiner Gemahlin fern. Sie starb kinderlos und depressiv am 31. Dezember 1510 im Alter von 38 Jahren.
Die Mitglieder der Kernfamilie Maximilians sind in der Ausstellung in Porträts präsent. Bernhard Strigels berühmtes Familienbildnis Kaiser Maximilians I. (1515-1520, KHM) dürfte als Erinnerung an die Wiener Doppelhochzeit in Auftrag gegeben worden sein. Niklas Reisers posthumes Porträt von Maria von Burgund (nach 1498, KHM) zeigt die 1482 an den Folgen eines Jagdunfalls verstobene, kultivierte burgundische Herzogin jugendlich idealisiert mit rotem Brokatvorhang und Landschaftsausblick, während Ambrogio de Predis` Bildnis der ungeliebten zweiten Ehefrau Maximilians, Bianca Maria Sforza (nach 1494, KHM), das tragische Schicksal dieser „verkauften Braut“ erahnen lässt.
Darüber hinaus ließ Maximilian für das Erstellen eines Stammbaumes Humanisten ausschwärmen, um „Feldforschung“ in Klosterbibliotheken und Grablegen zu betrieben. Die Beweisführungen sollten seine Ansprüche im Falle von Verheiratungen, Erb- oder Streitfällen unwiderlegbar scheinen lassen, hatten also maßgebliche politische Funktionen. Wenn auch die frühesten Ansätze für das Haus Habsburg erst im 10. Jh. nachweisbar sind, so strebte der Kaiser danach, die Genealogie seines Geschlechts bis zu berühmten historischen wie mythischen „Vorfahren“ zurückverfolgen zu lassen, wie Julius Caesar und Karl den Großen und Noah, aber auch Herkules, Jupiter und Osiris. Die Genealogie von Hans Burgkmair d.Ä. (um 1510) aus der ÖNB setzt verwandte Königshäuser und sämtliche europäische Dynastien in Beziehung zu den Habsburgern. Das Projekt blieb ein unveröffentlichtes Fragment, beginnt mit Hektor von Troja – später wollte Maximilian noch weiter, nämlich bis Noah zurück. Die meisten der 92 Figuren sind Fantasieprodukte – insgesamt, endet mit Philipp dem Schönen und Karl V.
Drei aquarellierten Stadtansichten von Innsbruck von Albrecht Dürer, der zweifellos berühmteste Künstler des frühen 16. Jahrhunderts nördlich der Alpen und daher auch Namensgeber für die Ausstellung, zeugen in dieser ersten Sektion der Ausstellung von der großen Bedeutung der Stadt. Das Habsburgerreich, so betonen Historiker, war eines ohne Hauptstadt. Der unermessliche Territorialzuwachs brachte mit sich, dass Maximilian als reitender Kaiser ständig unterwegs war und keine Residenz ausbauen ließ. Innsbruck spielte eine höchst bedeutende Rolle, da es geographisch günstig zwischen dem heftig umkämpften Italien, den burgundischen Besitzungen und den vorösterreichischen liegt. Dürer dürfte diese Blätter nach seiner ersten Reise nach Venedig 1495 angefertigt haben. Er zeigt die Stadt von Norden und zwei Mal die Hofburg mit vielen architektonischen Details wie den Wappenturm mit Gerüst, der erst 1496/97 aufgerichtet wurde.
Dürers Erfolg war nicht nur seinem technischen Können oder auch seinem Geschäftssinn geschuldet, sondern auch seinen blenden Verbindungen zu den Gelehrten seiner Zeit. Humanisten wie Willibald Pirkheimer unterstützten den Künstler mit Konzepten, Conrad Celits und Erasmus von Rotterdam wurden porträtiert, Johannes Stabius` Welt- und Sternenkarten setzte Dürer – wie die Ausstellung schön beleuchtet – in Grafik um.
Eng mit den genealogischen Forschungen und der Selbstdarstellung des Kaisers als ruhmreicher Feldherr und Verteidiger der Christenheit ist die „Ehrenpforte Maximilians“ von Albrecht Dürer verknüpft. Es handelt sich um eine überhöhte Darstellung des Hauses Habsburg, die auf antiken Triumphbögen basiert. Das Programm von Johann Stabius sah vor, im Zentrum den Stammbaum der Habsburger bis weit in die vorchristliche Zeit hinein darzustellen, flankiert durch zwei Wappensuiten. Links und rechts werden Schlachten und politische Ereignisse dargestellt, die wiederum die „Burgundische Hochzeit“ an den Beginn der Maximilianischen Erfolge stellt. Die beiden äußeren Türme zeigen persönliche Taten, Maximilians Kenntnisse und Charaktereigenschaften. Sie wurden von Albrecht Altdorfer entworfen.
Die „Ehrenpforte“ ist als ein nicht ortsgebundenes, universal verfügbares Epitaph gedacht. Der größte Holzschnitt seiner Zeit ist 3,5 Meter hoch und nicht als Buch, sondern als Wandschmuck gefertigt worden. Die 195 Druckstöcke wurden auf 36 Großfoliobögen gedruckt. Da es nach 1515 noch Uneinigkeiten über den erzherzoglichen Stammbaum und ein leeres Feld für den von Maximilian angestrebten Türkenkrieg (Kreuzzug) gab, wurde die „Ehrenpforte“ erst 1518 fertig gestellt. 1526 wurden unter Ferdinand noch Ergänzungen und eine erste Verteilung vorgenommen. Das Albertina-Exemplar stammt aus dem Jahr 1559, der dritten Ausgabe unter Erzherzog Karl, die Kolorierung dürfte später ergänzt worden sein.
Albrecht Dürer bekam für seine Dienste kein Geld! Ab 1515 wurden ihm aber jährlich 100 Gulden angewiesen, die er nach dem Tod von Kaiser Maximilian in Gefahr wähnte, da ihm der Nürnberger Rat die Rente nicht mehr ausbezahlen wollte. Deshalb trat der berühmte Künstler die Niederländische Reise 1520/21 an, um bei Margarete für die Verlängerung der Zahlung zu bitten. Er hatte das Bildnis vom Kaiser im Gepäck, das sie jedoch ablehnte.
Wenige Herrscher haben sich nach ihrem Ableben so schonungslos porträtieren lassen wie Maximilian I. Das Bild gibt es in verschiedenen Varianten, und kostbare Pigmente wurden verwendet. Dieses Bildnis war wohl auch Teil eines Diptychons mit dem lebenden Maximilian. Kreuz und AA sind erst später mit Muschelgold aufgetragen, wobei die Beschriftung als „Archidux Austria“ zu interpretieren sein dürfte. Das anonyme Totenbildnis Maximilians (1519) ist jedoch genauso im Sinne des Kaisers „idealisiert“ wie alle seine „Kunstprojekte“. Es ist ein visueller Beleg für das vorbildhafte Sterben. Das selbst angeordnete Totenzeremoniell sah vor, den Leichnam nicht einzubalsamieren, die Haare zu scheren, die Zähne auszuschlagen, den Körper zu geißeln und so der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Die Albertina-Ausstellung zeigt uns Maximilian als den allerchristlichsten Herrscher demütig im Tod, als machterfüllten Kaiser, der die Geschicke seiner Familie klug zu lenken wusste und die Misserfolge seiner 27 Kriege durch Heiratspolitik mehr als nur wett machte. Dass Kunst nicht nur für seine persönliche Lebenshaltung eine Rolle spielte, sondern darüber hinaus propagandistische Funktionen zu erfüllen hatte, macht die Schau überdeutlich. Die Zusammenarbeit nicht nur mit den wichtigsten deutschen Künstlern seiner Zeit und auch die Nutzung des Holzschnitts als Reproduktionstechnik sind wichtige Säulen von Maximilians „Kunstpolitik“. Die Kuratorinnen Maria Luise Sternath und Eva Michel – ergänzt durch die Autoren des Katalogs – führen deutlich vor Augen, dass Künstler in fürstlichem Dienst über Fragen der Ästhetik hinaus auf die Wünsche des Auftraggebers Rücksicht zu nehmen hatten. Vor allem an der Person und dem Schaffen Albrecht Dürers und seiner Zeitgenossen lässt sich diese komplexe Wechselbeziehung anhand von wunderbaren Werken in einer gelungenen Präsentation der Albertina nachspüren.