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Musée du Luxembourg: Nabis und die dekorativen Künste Gemusterte Flächigkeit in Malerei und Wandschmuck

Maurice Denis, Poetische Arabeske, oder: Die Leiter im Laub, Detail, 1892, Öl/Lw, auf Holzpaneel montiert, 235 x 172 cm (Saint-Germain-En-Laye, Musée départemental Maurice Denis / Christian Jean)

Maurice Denis, Poetische Arabeske, oder: Die Leiter im Laub, Detail, 1892, Öl/Lw, auf Holzpaneel montiert, 235 x 172 cm (Saint-Germain-En-Laye, Musée départemental Maurice Denis / Christian Jean)

Das Musée du Luxembourg widmet erstmals den dekorativen Werken der Nabis eine Ausstellung. Les Nabis (hebr. Propheten) – allen voran Pierre Bonnard, Maurice Denis, Edouard Vuillard und Félix Vallotton – widmeten sich in ihren Gemälden dem modernen Großstadtleben und bedienten sich einer anderen Formensprache als die vorhergehende Generation der Impressionisten (→ Impressionismus). Ihr Ziel war die Erneuerung der Kunst indem sie sich auf die bildnerischen Mittel Fläche und Farbe bezogen. Während die Malerei der Nabis durchaus bekannt ist (die Royal Academy in London widmet dem Schweizer Vallotton im Sommer eine Einzelaustellung), gab es bisher noch keine Schau zu den dekorativen Künsten der Pariser Künstler, obwohl die Überwindung der Trennung von bildender und angewandter Kunst im Zentrum ihrer Überlegungen stand. Seit Gründung der Gruppe Ende der 1880er Jahre sprachen sie von „Dekoration“ als grundlegendes Prinzip der Einheit ihrer Schöpfungen.

Der Ursprünge für diese Überzeugung liegen zum einen in der der Philosophie von William Morris, der gemeinsam mit John Ruskin im England in den 1860er Jahre die Arts & Crafts-Bewegung gründete (→ Britische Aesthetic movement und Arts and Crafts-Bewegung) – und zum anderen in der Rezeption japanischer Kunst (Japonismus → Monet, Gauguin, van Gogh …. Inspiration Japan).

Über die katalanische Moderne erreichte das Konzept der Einheit der Künste Spanien, Belgien mit Victor Horta, Van de Velde und Paul Hankar, schlussendlich in den frühen 1890ern auch Frankreich. Der Japonismus entwickelte sich ab den 1860er Jahre von einer Mode zum stilverändernden Einfluss. Dass in der japanischen Kultur die einfachsten Alltagsgegenstände von einer handwerklich gebildeten, formenden Hand gefertigt wurden, begeisterte die an der modernen Industrialisierung zweifelnden Europäer. Von Paris aus verfielen moderne Künstler in ganz Europa: In Österreich-Ungarn erhielt sie beispielsweise den Namen „Gesamtkunstwerk“, führte 1897 zur Gründung der Wiener Secession und 1903 der Wiener Werkstätte. Doch zurück nach Paris! Die Kunst der Nabis ist ein Aspekt einer Bewegung, die als L’Art Nouveau in die Geschichte einging und aufs engste mit dem Kunsthändler Siegfried Bing und dessen Jugendstilgalerie verbunden ist.

 

 

Nabis und das Ornament

Das Interesse der Nabis am Ornament ist durchwegs bereits im Historismus vorgeprägt, nimmt jedoch einen deutlich wichtigeren Platz in ihrem Schaffen ein. Sie wandten ihre technischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Malerei auf die unterschiedlichsten Materialien an: auf Staffeleibilder, aber auch auf Wandschirme und Fächer, auf Druckgrafik, Tapisserien, Tapeten und Glasmalereien. Fasziniert von den japanischen Drucken, die sie 1890 in einer bedeutenden Ausstellung in der Ecole des Beaux-Arts in Paris entdecken, ließen sie sich von diesen neuartigen und ausdrucksstarken Bildern inspirieren, um ihren Gruppenstil zu entwickeln. Indem sie der illusionistischen Nachahmung entsagten und die Flächigkeit des Mediums akzeptierten, entwickelten die Nabis ihre Kunst: Vereinfachte Formen, flexible Linien und Muster ohne Modellierung sollten zeitgenössische Innenräume verschönern. Ihre Kompositionen zeichnen sich durch die Verwendung heller Farben, wellenförmiger Linien und Perspektiven ohne Tiefe aus. Die Motive werden durch eine dunkle Umrahmung betont, um sie besser vom Hintergrund zu lösen. Dabei bedienten sich die Nabis eines postimpressionistisch-pointillistischen Pinselstrichs oder auch einer flächigen Farbverwendung. Auf diese Weise wirken Figuren, Landschaften, Innenraumeinblicke wie Silhouetten und erinnern in ihrer Struktur frappant an Glasfenster.

 

 

Nabis interpretieren das moderne Leben: Theorie und Grundlage

Die Pioniere des modernen Dekors, Bonnard, Vuillard, Maurice Denis, Sérusier und Ranson, standen in der Tradition des Impressionismus und schätzten u.a. Edmond Duranty, der im Manifest „La Nouvelle Peinture“ (1876) forderte:

„Nehmen wir doch Abschied vom stilisierten menschlichen Körper, der wie eine Vase behandelt ist. Was wir brauchen, ist der charakteristische, der moderne Mensch in seiner Kleidung, inmitten seiner sozialen Umwelt, zu Hause oder auf der Straße.“1

Die Nabis wollten Kunst machen, die sich direkt auf das Leben bezieht, um Schönheit in den Alltag zu bringen. Dabei lehnten sie den französischen Historismus mit seiner Vorliebe für Neo-Rokoko-Formen (Zweites Rokoko) ab. Der Kunstkritiker Roger Marx erklärte:

„Unser Zeitalter hasst nichts anderes als Wiederholung, Rezepte, die aus der Vergangenheit geerbt wurden, es wird von einer Sehnsucht nach dem Verbotenen gequält, es begehrt den neuen Nervenkitzel; Um dem Gedränge der Erinnerung zu entfliehen, zu verbannen, was verlangt und gelehrt wird, so ist es sein Ehrgeiz, wenn nicht seine Herrschaft.“

 

 

Die Nabis und die dekorativen Künste

Die Ausstellung im Musée du Luxembourg bringt erstmals dekorative Ensembles zusammen, die im Laufe der Zeit abgebaut und in alle Winde zerstreut wurden. Neben Gemälden beschäftigen sich die Nabis mit den Medien Tapisserie, Tapeten, Glasmalerei und Keramik. In vier Kapiteln werden Fragen zu wichtigen Merkmalen ihrer Kunst abgehandelt: die symbolistische Verbindung von Frau und Natur in den frühen Werken von Bonnard, Maurice Denis, Vuillard und Ker-Xavier Roussel sowie das Thema Interieur in den Werken von Vuillard. Darüber hinaus erörtern die Kuratoren Isabelle Cahn und Guy Cogeval den Beitrag der Nabis zu den von Siegfried Bing initiierten Neuerungen in dessen Galerie „L’Art Nouveau“. Die Ausstellung endet mit einer Präsentation von „sakralen“ Werken, die die Begeisterung einiger Nabis für das Esoterische und das Spirituelle zeigen, womit die Nabis auch einen eminenten Anteil an der Entwicklung des Symbolismus hatten.

Kuratiert von Isabelle Cahn, leitende Kuratorin für Malerei im Musée d'Orsay, und Guy Cogeval, Direktor des Zentrums für das Studium der Nabis und des Symbolismus
Diese Ausstellung wird von der Réunion des Musées Nationaux-Grand Palais, dem Musée d'Orsay sowie dem Musée de l’Orangerie in Paris organisiert.

 

Nabis und die dekorativen Künste: Ausstellungskatalog

Der gemeinsam von der Réunion des Musées Nationaux-Grand Palais und dem Musée d’Orsay und dem Musée de l’Orangerie herausgegebene Katalog umfasst:
192 Seiten, 250 Abbildungen, 27 x 31 cm

 

Literatur

  • Ursula Perucchi-Petri, Die Nabis und das moderne Paris. Bonnard, Vuillard, Vallotton und Toulouse-Lautrec, Bern 2001

 

Nabis und die dekorativen Künste: ausgestellte Werke im Grand Palais

  • Maurice Denis, April 1892, Öl/Lw, 38 x 61,3 cm (Otterlo, Kröller-Müller-Museum © Otterlo, Kröller-Müller-Museum)
  • Pierre Bonnard, Frauen im Garten, Frau mit weiß gepunktem Kleid, 1891, Öl/Lw, dekoratives Bild, 160,5 x 48 cm (Paris, Musée d'Orsay © Rmn-Grand Palais (Orsay Museum ) / Hervé Lewandowski)
  • Edouard Vuillard, Park. La Promenade, 1894, Öl/Lw, 214,3 x 97,2 cm (Houston, The Museum of Fine Arts, Robert Lee Blaffer Memorial Collection, Geschenk von Herrn und Frau Kenneth Dale Owen, 53.9 © The Museum of Fine Arts, Houston)
  • Edouard Vuillard, Gestreifter Corsage, 1895, Öl/Lw, 65,7 x 58,7 cm (Washington, National Gallery of Art, Sammlung von Herrn und Frau Paul Mellon, 1983.1.38 © Washington, National Gallery of Art)
  • Maurice Denis, Poetische Arabeske, oder: Die Leiter im Laub, 1892, Öl/Lw, auf Holzpaneel montiert, 235 x 172 cm (Saint-Germain-En-Laye, Musée départemental Maurice Denis / Christian Jean)
  • Edouard Vuillard, Gestreifter Corsage, 1895, Öl/Lw, 65,7 x 58,7 cm (Washington, National Gallery of Art, Sammlung von Herrn und Frau Paul Mellon, 1983.1.38 © Washington, National Gallery of Art)
  • Edouard Vuillard, Frauen in einem Interieur. Intimität, 1896, Kleisterfarben/Lw, 212 x 155 cm (Paris, Petit Palais, Musée des Beaux-Arts de la Ville de Paris © Petit Palais / Roger-Viollet)
  • Paul Ranson, Drei Frauen bei der Ernte, 1895, Kleisterfarben/Lw, 35 x 195 cm (St Germain En Laye, Musée départemental Maurice Denis © D. Balloud)
  • Paul Ranson und Alphonse Ferdinand Hérold, Nackte Frau an einen Baum gelehnt, um 1899, Zigarrenschachtel, Intarsien, 16,5 x 31,3 x 9,3 cm (Paris, Musée d'Orsay © Christie's 2018)
  • Aristide Maillol, Die Badende oder Die Welle, 1896–1899, Wandteppich, 101,5 x 92,5 cm (Paris, Dina Vierny-Stiftung - Maillol Museum © musée Maillol - Dina Vierny Foundation, Foto Jean-Alex Brunelle)
  • Maurice Denis, Die Tauben, um 1893, Aquarell-Tapetenprojekt, Bleistift und Gouache auf Papier, 106 x 50,3 cm (Privatsammlung © Werkverzeichnis Maurice Denis Foto Olivier Goulet)
  • Paul Ranson, Die Enten, um 1894/95, Tapetenprojekt, Öl/Lw, 64 x 81 cm (Quimper, Musée des Beaux-Arts © Quimper Museum of Fine Arts)
  • Edouard Vuillard, Frau in Rock und Bluse, 1895, bemaltes Porzellan (Paris, Musée d'Orsay © Rmn-Grand Palais (Musée d'Orsay) / Hervé Lewandowski)
  • Edouard Vuillard, Die Kastanie. Entwurf für ein Glasfenster, 1894/95, Tempera/Karton/Lw, 110 x 70 cm (Dallas, Dallas Kunstmuseum, Eugene und Margaret McDermott Art Fund, Inc. © Dallas Art Museum, The Eugene und Margaret McDermott Art Fund, Inc. 2010.15.McD)
  • Paul Sérusier, Frauen an der Quelle, 1899, Tempera/Lw, 131 x 57,4 cm (Paris, Musée d'Orsay © Museum Orsay, RMN-Grand Palais / Patrice Schmidt)
  • Maurice Denis, Der ewige Sommer: Der Chor, Die Orgel, Das Quartett, Der Tanz, 1905, Tempera, Leimmalerei, Gouache, Bleistift, Kohle, auf Papier geklebt auf Holz (die beiden mittleren Tafeln) ) oder an einem Rahmen montiert (die beiden Seitenteile), je 179 x 78 cm (Paris, Musée d'Orsay © Musée d'Orsay, Rmn-Grand Palais / Patrice Schmidt Dist.)
  • Maurice Denis, Die Legende des hl. Hubertus: Das Höllenfeuer, 1897, Öl/Lw, 225 x 175 cm (Saint-Germain-En-Laye, Musée départemental Maurice Denis, © Rmn-Grand Palais / Benoit Touchard)

Symbolismus

15. Dezember 2024
Edvard Munch, Auge in Auge, Detail, 1899–1900, Öl auf Leinwand, 136 × 110 cm (Foto: courtesy Munch Museum, Oslo)

Wien | Albertina: Gothic Modern Von Munch zu Kollwitz | 2025

Eleganz & Totentanz: Wie gotische Meisterwerke die Entwicklung der Modernen Kunst beeinflussten: von Munch zu Kollwitz, Grünewald zu Dix, von Dürer zu Schjerfbeck.
13. Dezember 2024
Edvard Munch, Mondschein, Detail, 1893 (© Nasjonalmuseet for kunst, arkitektur og design, Oslo, Foto Børre Høstland, Jacques Lathion)

Wien | Leopold Museum: Faszination des Okkulten um 1900 Verborgene Moderne | 2025

Die Ausstellung „Verborgene Moderne. Faszination des Okkulten um 1900“ spürt der Kritik am Materialismus des Industriezeitalters wie auch an christlichen Religionspraktiken als Quelle für die moderne Kunst nach. Mit Werken von Edvard Munch, Richard Gerstl, Egon Schiele, Oskar Kokoschka oder Max Oppenheimer.
4. Dezember 2024

Alkersum | MKDW: Stimmungslandschaften des Nordens 1880–1920 Mittsommer in der nordischen Malerei | 2025

Im Zeitraum zwischen 1880 und 1920, in dem die moderne skandinavische und finnische Kunst eine Hochphase erlebte, entwickelten Künstler:innen eine neue Bildsprache. Die rund 70 Gemälde stammen vornehmlich aus einer hochkarätigen norddeutschen Kunstsammlung, zu der das MKdW exklusiven Zugang hat.

Aktuelle Ausstellungen

9. Februar 2025
Axel Hütte, Rheingau Nebel-1, Germany, 2009 © Axel Hütte, VG Bild-Kunst Bonn 2025

Remagen | Arp Museum: Axel Hütte Stille Weiten | 2025

Die in enger Abstimmung mit Axel Hütte entstandene Schau vereint 33 Werke aus den Jahren 1997 bis 2024.
8. Februar 2025
Caspar David Friedrich, Zwei Männer in Betrachtung des Mondes, Detail, um 1825–1830, Öl auf Leinwand, 34,9 x 43,8 cm (The Metropolitan Museum, New York, Wrightsman Fund, 2000, Inv.-Nr.: 2000.51)

New York | Metropolitan Museum: Caspar David Friedrich Erste Ausstellung des deutschen Romantikers in den USA | 2025

Edmond Duranty, La Nouvelle Peinture, 1876, zit. n. Ursula Perucchi-Petri, Die Nabis und das moderne Paris. Bonnard, Vuillard, Vallotton und Toulouse-Lautrec, Bern 2001, S. 11.
8. Februar 2025
Le Corbusier (Charles-Edouard Jeanneret), Unité d’Habitation Marseille, Holzmodell, 111 × 101 × 48 cm (Fondation Le Corbusier © 2025, ProLitteris, Zurich)

Bern | Zentrum Paul Klee: Le Corbusier Die Ordnung der Dinge | 2025

Das Zentrum Paul Klee rückt das plastische Denken und Entwerfen Le Corbusiers ins Zentrum. Das vor der Architektur steht im Zentrum: das künstlerische Experiment im „Atelier der geduldigen Forschung“; das Herantasten an die architektonische Form in Studien und Plänen; die künstlerische Auseinandersetzung mit Farbe und Form, Komposition und Raum – und die Quellen, die in den Prozess einfließen: von Fundstücken am Strand bis zur Architektur der Antike.
  1. Edmond Duranty, La Nouvelle Peinture, 1876, zit. n. Ursula Perucchi-Petri, Die Nabis und das moderne Paris. Bonnard, Vuillard, Vallotton und Toulouse-Lautrec, Bern 2001, S. 11.
  2. Edmond Duranty, La Nouvelle Peinture, 1876, zit. n. Ursula Perucchi-Petri, Die Nabis und das moderne Paris. Bonnard, Vuillard, Vallotton und Toulouse-Lautrec, Bern 2001, S. 11.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.