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Peter Paul Rubens: Die Wunder des hl. Franz Xaver Gegenreformatorische Bildpropaganda in Antwerpen

Peter Paul Rubens, Die Wunder des hl. Franz Xaver, Heiliger, um 1616/17, Öl/Lw, 535 × 395 cm (Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv. GG 51)

Peter Paul Rubens, Die Wunder des hl. Franz Xaver, Heiliger, um 1616/17, Öl/Lw, 535 × 395 cm (Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv. GG 51)

Peter Paul Rubens' (1577–1640) über fünf Meter hohe Altäre für die ehemalige Jesuitenkirche in Antwerpen gehören zu den bedeutendsten Werken des Kunsthistorischen Museums in Wien. „Die Wunder des hl. Franz Xaver“ und „Die Wunder des hl. Ignatius von Loyola“ entstanden in der zweiten Hälfte der 1610er Jahre und bekräftigten Rubens‘ Ruf als fähiger Bilderfinder im Dienste der Gegenreformation.

Rubens erhielt 1618 den umfangreichen Auftrag für die Ausstattung der 1615 bis 1621 errichteten Jesuitenkirche in Antwerpen. Dieser umfasste die Dekoration der Decken der Seitenschiffe und der Emporen mit 39 Gemälden, die 1718 als Folge eines Blitzschlages verbrannten. Ihre Konzeption ist durch die von den Jesuiten vertraglich geforderten Entwürfe überliefert. Einige der für die Jesuiten-Bilder entstandenen Ölskizzen wurden von Anton Franz de Paula Graf Lamberg Sprinzenstein (1740–1822) in den Niederlanden erworben. 1820 vermachte er sie als Teil seiner Kunstsammlung der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste in Wien, um sie den zukünftigen Künstlern als Studiengegenstände zur Verfügung zu stellen (→ Hieronymus Bosch zieht um: Akademiegalerie Wien zu Gast im Theatermuseum).

Zusätzlich gestaltete Rubens zwei monumentale Altarblätter, die mit Hilfe eines Flaschenzugs je nach liturgischer Notwendigkeit abwechselnd verwendet wurden: die Wunder des hl. Ignatius von Loyola und die Wunder des hl. Franz Xaver. Sie dürften noch vor den Deckengemälden vollendet gewesen sein, da Rubens in einem Brief vom 23. Januar 1618 die Idee bekundet, sie stechen zu lassen. Noch wichtiger ist der Hinweis, dass im Rechnungsbuch der Jesuiten am 13. April 1617 (Professhaus der Jesuiten) die Schuld von 3.000 Gulden an Rubens vermerkt ist. Es dürften zu diesem Zeitpunkt die beiden eigenhändigen modelli fertiggestellt gewesen sein, die Altarbilder sind wohl bis spätestens 1619 mit Hilfe der Werkstatt vollendet worden.

Nach der Auflösung des Jesuitenordens 1773 wurden die großformatigen Altarwerke 1776 von Kaiser Joseph II. während eines Besuchs in den südlichen Niederlanden (heute: Belgien) erworben und nach Wien gebracht. Hier ließ er sie im Oberen Belvedere präsentieren (→ Barocke Gemäldegalerien und ihre Kataloge). Mit der Übersiedlung der kaiserlichen Sammlungen in den Neubau des Kunsthistorischen Museums fanden die Altarwerke ihre heutige Aufstellung. Die beiden in Ölfarbe gefertigten Entwurfsskizzen von Rubens befinden sich ebenfalls in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums und dokumentieren den Weg der Kompositionsfindung.

Hl. Franz Xaver und die stürzenden Idole

Peter Paul Rubens‘ über fünf Meter hohes Altargemälde zeigt den in tiefschwarzer Ordenstracht gekleideten Heiligen als Missionar in Indien. Effektvoll hebt er sich auf der rechten Bildseite vor dem hellen Himmel ab.

Über dem hl. Franz Xaver schwebt die Allegorie der fides catholica, deren Kraft in Form von Blitzen in der Lage ist, die Götzenbilder des heidnischen Glaubens links zu zerstören. Sie ist als Frau mit Kelch ausgezeichnet, den Globus unter ihrem Arm. Das Kreuz wird ihr von Engeln vorangetragen. Das göttlich-gelbe Licht erstrahlt vom Himmel auf den Tempel. Die von diesem Licht getroffenen Statuen zerbersten. Priester fliehen mit erschrockenen Gesten.

Nicht der hl. Franz Xaver bewirkt die Wundertaten, wie seine Geste verdeutlichen soll, sondern der Glaube an den einen und wahren Gott, vertreten durch die Katholische Kirche. Der Vermittler steht mit seiner Linken nach oben zeigend auf einem Podest, zu seinen Füßen und in der linken Bildhälfte sind die dramatischen Geschehnisse mit Hilfe unterschiedlichster Figuren in Szene gesetzt. Der hl. Franz Xaver heilt mit der Hilfe Gottes Kranke und Verletzte, er erweckt auch Tote zum Leben, darunter ein ertrunkenes Kind, das von seiner verzweifelten Mutter dem Geistlichen entgegengehalten wird. Blinde macht er sehend, was faktisch wie metaphorisch verstanden werden kann, lehrte der hl. Franz Xaver doch die Heilige Schrift. Brahmanen werden bekehrt. Der bewegte Soldat im Harnisch gibt sein loses Leben auf und beichtet. Vor und unter ihm sind verschiedene Wunder simultan dargestellt, für die Rubens die Vita des Heiligen von Horatio Tursellinus konsultierte, die 1596 in Rom und in Antwerpen gleichzeitig erschienen war.

Für die Figuren im Vordergrund haben sich einige Zeichnungen erhalten (Albertina, British Museum), zudem ist auch in der Ausführung noch erkennbar, dass er einiges von der italienischen Kunst ableitet. Namentlich Raffael und Jacopo Tintoretto standen für die Bildfindung Pare. Um einigen Komparsen ein orientalisches Aussehen zu verleihen, nutzte Rubens Informationen über fernöstliche Kostüme aus diversen Quellen, darunter Reiseberichte des holländischen Händlers, Autors und Entdeckers Jan Huygen van Linschoten (1563–1611). Verbunden mit dem erschrocken zurückweichenden Mann mit hohem Hut im Bildmittelgrund hat sich die kuriose wie überraschend präzise Studie eines Mannes in koreanischer Tracht erhalten (Getty Museum).

Wer war Franz Xaver?

Francisco de Javier y Jassu wurde am 7. April 1506 am Anwesen seiner Familie in Castillo de Javier bei Sanüesa, in der Nähe von Navarra, geboren und schloss sich 1533 der Bewegung von Ignatius von Loyola an. Damit wurde Franz Xavier einer der Mitbegründer des Jesuitenordens (Societas Jesu, SJ). Der am 15. August 1534 gegründete Orden hatte die Ausbreitung, Festigung und Verteidigung des katholischen Glaubens, unter anderem durch Missionsarbeit, zum Ziel. Mit der Bulle Romanus Pontifex vom 8. Januar 1455 war den Portugiesen das Patronat für die Missionierung Asiens übertragen worden. Im Gegenzug wurde ihnen das Handelsmonopol für diesen Raum gewährt. Nachdem 1498 Vasco da Gama den Seeweg nach Indien entdeckt hatte, betrieben die Portugiesen zunächst nur Handelsgeschäfte. 1539 bat der portugiesische König Johann III. Papst Paul III. um Missionare für die portugiesischen Besitzungen in Ostindien.

Nach seiner Ernennung zum apostolischen Nuntius für ganz Asien brach Francisco de Xavier y Jassu im Jahr 1541 von Lissabon aus nach Indien auf und landete am 6. Mai 1542 in Goa. Als Gesandte des Papstes in Goa verhaftet wurden, drohte man dem portugiesischen König Johann III. damit, den Osten für alle katholischen Europäer zu öffnen. Schließlich forcierte der König die Missionierung und schickte weitere Jesuiten in die neuen Kolonien. Von Goa aus reiste Franz Xaver weiter nach Japan (1549–1551) und plante auch China zu missionieren. Da es Fremden verboten war, das Land zu betreten musste Franz Xaver auf der Insel Shangchuan Dao in der Bucht vor Kanton (heute: Guangzhou) ausharren. Am 3. Dezember 1552 verstarb er nach kurzer schwerer Krankheit. Sein Leichnam wurde nach Goa überführt, wo er in der Kirche Bom Christus begraben wurde. Am 25. Oktober 1619 wurde Franz Xaver selig- und am 12. März 1622 gemeinsam mit Ignatius, Filippo Neri und Theresa von Avila heiliggesprochen. Sie sind gemeinsam mit Karl Borromäus die großen gegenreformatorischen Heiligen.

Hl. Franz Xaver ist neben hl. Ignatius von Loyola der wichtigste Heilige des Jesuitenordens, der im 17. Jahrhundert einen der einflussreichsten Kongregationen repräsentierte. Die südlichen Niederlande wiesen die höchste Zahl von Mitgliedern der Gesellschaft Jesu, wie er auch genannt wurde, und die meisten Niederlassungen auf. Nicht nur Seelsorge, sondern auch Wissenschaft und Erziehung standen überwiegend unter dem Einfluss der Jesuiten. Die Kunst des Barock kam den Glaubensvorstellungen der Jesuiten entgegen und ermöglichte eine geeignete Umsetzung des theatrum sacrum, des heiligen Theaters.

Peter Paul Rubens und die Jesuiten

Peter Paul Rubens führte das Altargemälde in Antwerpen noch vor der Seligsprechung und der Heiligsprechung Franz Xavers aus. Dieser wird traditionsgemäß in das schwarze Ordensgewand gekleidet, als Attribute sind ihm das Kruzifix, ein flammendes Herz, Götzenbilder, die er zerstört, und asiatische oder indische Begleiter beigegeben. Die wunderbaren Taten des hl. Franz Xaver und die Dramatik des Geschehens unterstrich Rubens durch sorgfältige Lichtregie und Farbwerte, die das Altargemälde im Kirchenraum auch aus der Distanz intensiv wirken ließen.

Rubens hatte bereits in Mantua zwischen 1601 und 1605 im Auftrag von Vincenzo Gonzaga drei Gemälde für die Jesuitenkirche in Oberitalien geschaffen. Ein Altarwerk, das die Namensgebung Jesu darstellte, schuf er in der Folge für die Ordenskirche in Genua. In Antwerpen betrauten die Jesuiten den neun Jahre zuvor wieder in seine Heimatstadt zurückgekehrten Rubens mit dem umfangreichsten Auftrag, den der Künstler Zeit seines Lebens erhielt. Eine Gruppe von Theologen und Exegeten entwickelten das Programm für die Ausstattung, deren Inhalt die ecclesia triumphans, die triumphierende Kirche, darstellte: Szenen der Heilsgeschichte und ihre Andeutungen im Alten Testament begleiteten einander. Die Hochaltarbilder sollten die Taten der herausragendsten Vertreter des Ordens darstellen: Hl. Ignatius von Loyola repräsentierte die Wirkung der Gesellschaft Jesu und die Reformen durch die Jesuiten. Hl. Franz Xaver stellte die Missionierung Indiens, Japans und Chinas und damit die Verbreitung der jesuitischen Glaubenslehre dar.

Peter Paul Rubens, Diw Wunder des hl. Franz Xaver: Bilder

  • Peter Paul Rubens, Die Wunder des hl. Franz Xaver, um 1616/17, Öl/Lw, 535 × 395 cm (Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv. GG 51)
  • Peter Paul Rubens, Modello für die Wunder des hl. Franz Xaver, um 1616/17, Öl/Eichenholz, 104,5 × 72,5 cm (Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv. GG 528)
  • Peter Paul Rubens, Ein Blinder mit ausgestreckten Armen, um 1617/18, schwarze Kreide, mit weißer Kreide gehöht, auf Papier, 28,3 × 42 cm (Wien, Albertina, Inv. 17641)
  • Peter Paul Rubens, Studie eines vom Tode erweckten Mannes sowie zwei Studien zu knienden Beinen für Figuren für die „Wunder des hl. Franz Xaver“, um 1617/18, schwarze Kreide und etwas Deckweiß auf Papier, 35 × 54,2 cm (London, Victoria and Albert Museum, Inv. D.904/5-1900)
  • Peter Paul Rubens, Mann in koreanischem Kostüm, um 1617, schwarze Kreide mit etwas Rötel im Gesicht auf Papier, 38,4 × 23,5 cm (Los Angeles, The J. Paul Getty Museum, Inv. 83.GB.384)
  • JOHANN THEODOR DE BRY II. PARS INDIAE ORIENTALIS IN QVA IOHAN. HVGONIS LINTSCOTANI NAUIGATIO IN ORIENTEM, ITEM REGNA, LITTORA, PORTUS, FLUMINA, APPARENTIAE, HABITUS MORESQUE INDORUM & LUSITANORUM PARITER IN ORIENTE DEGENTIUM [...] ACCURATE PROPONUNTUR (aufgeschlagen Pars II, Tafel XXIII. Habitvs Chinensium vtriusque sexus), 1599–1601, Frankfurt am Main: Wolffgangus Richter, Kupferstich, 31 × 22 cm (Wien, Österreichische Nationalbibliothek,  Sign. 77.C13. (vol. 2) Alt)
  • Tintoretto, Die Werkstatt des Vulkan, um 1576/77, Öl/Lw, 145 × 155 cm (Venedig, Fondazione Musei Civici, Palazzo Ducale, Sala dell’Anticollegio)

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Dr. Birgit Schmidt, freischaffende Kunsthistorikerin in Wien, Spezialistin für Alte Meister, Künstlerinnen und die Wiener Schule der Kunstgeschichte