Der Hafen von Genua war einer der bedeutendsten im Mittelmeer und brachte neben der Finanzwirtschaft enormen Wohlstand in die ligurische Stadt. Seit dem frühen 16. Jahrhundert etablierte sich eine republikanische Regierung in der Hafenstadt. Die Elite von Genua war weltoffen und mit allen internationalen Strömungen in der bildenden Kunst vertraut. Das spiegelt sich auch in der genuesischen Kunstproduktion des Barock deutlich wider.
USA | Washington: National Gallery of Art
3.5. – 16.8.202026.9.2021 – 9.1.2022abgesagt
Die National Gallery of Art in Washington D.C. organisiert gemeinsam mit den Scuderie del Quirinale in Rom einen Überblick, der von Rubens‘ erstem Aufenthalt in Genua zu Bernardo Strozzi, von Giovanni Battista Castigliones Druckgrafiken zu Gregorio De Ferraris Fesken, von Pierre Pugets Skulpturen zu Filippo Parodi und Anton Maria Maraglianos hochbarocken Porträts reicht. Etwa 130 Gemälde, Skulpturen, kusntgewerbliche Objekte, Zeichnungen und Druckgrafiken von 56 Leihgebern, darunter fünf Kirchen in Ligurien und Genua, bringen die genuesische Kunst in noch nie gesehener Dichte in die USA.
Genua war im 17. Jahrhundert eine der wohlhabendsten Städte des heutigen Italiens. Die bildenden Künste dienten den Auftraggebern dazu, ihre gesellschaftliche Stellung mittels exquisiter Materialien und visuellem Reichtum darzustellen und auch zu verteidigen: Ingenieurskunst, Kirchenbauten und vor allem die Planung und Ausstattung der eigenen Residenzen mit Freskozyklen und Kunstsammlungen nahmen einen hohen Stellenwert ein. Im Orchester der italienischen Kunstzentren Rom, Bologna, Venedig – aber auch der vom spanischen König reagierten Regionen Mailand, Neapel, Sizilien und Flandern – nahm Genua eine Sonderstellung ein. Mit Hilfe ihrer weitreichenden wirtschaftlichen und finanziellen Netzwerke sowie des internationalen (Waren-)Austauschs verfügten Genueser Sammlerinnen und Auftraggeber über reiche Kenntnisse und große Ambitionen.
Unter dem Titel „A Superb Baroque Art in Genoa, 1600–1700“ versammelt die National Gallery of Art etwa 60 Gemälde in Washington. Den Anfang machen ausländische Künstler, welche, angezogen vom kulturelle Klima Genuas, deren künstlerische Entwicklung maßgeblich beeinflussten: Peter Paul Rubens, Giulio Cesare Procaccini, Orazio Gentileschi und Anthonis van Dyck brachten die neuesten Trends aus Rom und Antwerpen nach Genua. Nur wenige Maler aus Genua haben soviel Ruhm angehäuft, dass sie internationale Aufmerksamkeit auf sich zogen, darunter Bernardo Strozzi, Giovanni Benedetto Castiglione und Alessandro Magnasco. Deshalb beleuchtet die Ausstellung vor allem auch jene Genueser Meister, die weitestgehend unbekannt sind – und die barocke Malerei der Stadt mitprägten: Gioacchino Assereto, Valerio Castello, Domenico Piola, Gregorio De Ferrari und Bartolomeo Guidobono.
Skulpturen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zeigen, dass auch auf diesem Gebiet, die Genueser Kunst dem internationalen Vergleich standhalten kann. Beginnen mit Skulpturen des französischen Bildhauers Pierre Puget, sind vor allem Filippo Parodi und Anton Maria Maragliano zu nennen. Neben Skulpturen aus Marmor sind auch Modelli aus Terracotta und Bronzerepilken monumentaler Gruppen ausgestellt.
Das Kunsthandwerk in Genua ist von fruchtbarer Zusammenarbeit von Genueser Künstlern und flämischen Handwerkern gekennzeichnet. Besonders wichtig sind die zeremoniellen Silberensembles von Mattheus Melijn und Giovanni Aelbosca Belga. Sie zählen zu den spektakulärsten und hochqualitativsten Werken in dieser Gattung in ganz Europa.
Die Kunst der Zeichnung und der Druckgrafik wurde im barocken Genua besonders geschätzt. Da die National Gallery of Art in Washington gerade 15 Arbeiten auf Papier erworben hat, ist diesem Kapitel ein besonderer Stellenwert in der Ausstellung gewidmet. So können von fast allen in der Schau vertreten Künstlern – Malern wie Bildhauern – auch Zeichnungen präsentiert werden. Die ausgefeilte Zeichentechnik mit malerischem Charakter lässt die Blätter vielfach wie autonome Kunstwerke erscheinen. Einer der produktivsten Zeichner aus Genua ist der relativ wenig bekannte Benedetto Castiglione. Übrigens war er auch der erste italienische Künstler, der sich intensiv mit der Druckgrafik von Rembrandt van Rijn beschäftigte und sich davon offensichtlich beeinflussen ließ. Sein Nachfolger Bartolomeo Biscaino und er übertrafen mit ihrem sicheren Strich und Erzählfreude nahezu alle italienische Druckgrafiker des 17. Jahrhunderts.
Bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts etablierte sich die monumentale Freskoausstattung als bedeutende Genueser Kunstform. Für mehr als 150 Jahre arbeiteten die führenden Maler Genuas mit Spezialisten für Quadratur, d.h. illusionistische Architekturmalerei, sowie Stuckateuren zusammen. Die Projekte von Castello, Piola und De Ferrari markieren Höhepunkte dieser Tradition - und ein wichtiges Kapitel in der europäischen Kunstgeschichte. Eine Auswahl an Bozzetti in Öl und elaborierteren, großformatigeren Modelli aber auch Studien und Vorzeichnungen helfen, die Konzepte dieser ortsgebundenen Fresken in den USA zu vermitteln.
Die Ausstellung wird organisiert von der National Gallery of Art, Washington, und den Scuderie del Quirinale, Rom (3.10.2020–10.1.2021 verschoben), mit besonderer Kooperation durch die Stadt und die Museen in Genua.
Kuratiert von Jonathan Bober, Andrew W. Mellon Senior Curator of Prints and Drawings National Gallery of Art; Piero Boccardo, Superintendent der Sammlungen in der Stadt Genua; und Franco Boggero, Direktor für das historische und künstlerische Erbe in der Soprintendenza Archeologia, Belle Arti e Paesaggio, Genua.