Das Bajonett abgestellt, das Strickzeug abgelegt, blickt der Wachsoldat tatenlos ins Land. Die Zeit scheint stillzustehen, kein Blättchen regt sich, nur die Wäsche flattert leise im Wind. Doch die beschauliche Idylle trügt, denn spätestens 1870, als der Münchner Meister Carl Spitzweg (1808–1885) den untätigen Wachposten malte, endete der bewaffnete Friede mit dem Deutsch-Französischen Krieg. Als pragmatisch-kritischer Künstler agierte Spitzweg als Spiegel der Zeit und der Gesellschaft, in der er lebte. Auf den ersten Blick apolitisch wirkend, scheint stets leise Ironie in seiner Malerei auf. Die biedermeierlich-bürgerliche Gesinnung wird subtil und erst bei genauerer Betrachtung erkennbar unterlaufen (→ Romantik). Spitzweg kritisiert mit Hintersinn, jedoch ohne Anklage zu erheben.
Schweiz | Winterthur: Reinhart am Stadtgarten
29.2. – 2.8.2020
verlängert bis 6.9.2020
Beinahe zwanzig Jahre sind seit der letzten umfassenden Ausstellung zu Spitzweg in der Schweiz vergangen. Im Kunst Museum Winterthur wird nicht der isolierte Autodidakt gezeigt, sondern der weltoffene, bestens vernetzte Maler, der die alten Meister ebenso studierte wie die neuesten Tendenzen. Austausch und Anregung waren zeitlebens bestimmend für Spitzwegs Umgang mit seiner Umwelt, die er sich nicht nur intellektuell, sondern auch unmittelbar durch die persönliche Auseinandersetzung erschloss.
Die Ausstellung wird in enger Zusammenarbeit mit dem Museum Georg Schäfer in Schweinfurt realisiert, das die bedeutendste Spitzweg-Sammlung überhaupt beherbergt. Zusammen mit Leihgaben aus Privatbesitz und wichtigen europäischen Museen soll ein Bild des Malers entstehen, das ihn nicht bloß als Kind des Biedermeier, sondern eines weitreichenden 19. Jahrhunderts erfahrbar machen lässt. In seinen Werken verbinden sich Heimat und Fernweh, Idylle und Subversion, Kleinteiliges mit großen Fragen, letztlich Tradition und Moderne. Diese Gegensätze und Widersprüche lassen seine Malerei auch heute noch reizvoll und zeitgemäß erscheinen.
Kuratiert von Andrea Lutz und David Schmidhauser.