Lawrence Alma-Tadema (8.1.1836–25.6.1912) war ein Historienmaler des späten 19. Jahrhunderts, der aus Holland stammte, in Flandern studierte und für antike, meist pompeijanische Sujets in England berühmt wurde. Für seine detailreichen Großformate studierte er Realien und antike Stätten (→ Salonmalerei). Mit wissenschaftlicher Genauigkeit setzte er seine Phantasien in gekonnten Inszenierungen um und wurde so zum Ideengeber für so manchen Hollywood-Film wie „Ben Hur“ oder den „Gladiator“. Alma-Tadema wirkt mit seinen Gemälden entschieden auf das heutige Bild der Antike.
Österreich | Wien: Unteres Belvedere
22.2. – 18.6.2017
Niederlande | Fries Museum
1.10.2016 – 7.2.2017
Alma-Tademas malerische Finesse und seine historische Bildung machten ihn während des viktorianischen Zeitalters zu einem der berühmtesten Maler Großbritanniens. Doch auch am Kontinent war Lawrence Alma-Tadema hochgeachtet, was ihm Mitgliedschaften in der Royal Academy of Arts, der Akademie Berlin, der Akademie der Bildenden Künste München, der königlichen Akademie von Madrid sowie der Akademie der bildenden Künste Wien einbrachte. Noch im Jahr 1902 wählte ihn auch die Académie des Beaux-Arts als auswärtiges Mitglied in ihre Reihen. Heute gilt Sir Lawrence Alma-Tadema als der beste und verführerischste Geschichtenerzähler seiner Zeit. Seine Raumdarstellungen sind höchst innovativ und scheinen die längst vergangenen Tage der römischen Antike wieder zum Leben zu bringen.
Sir Lawrence Alma-Tadema wurde am 8. Jänner 1836 als drittes Kind des Notars Pieter Jiltes Tadema (1797–1840) und dessen zweiter Ehefrau Hinke Dirks Brouwer in Dronrijp, Provinz Friesland, Niederlande geboren. Seinen Vornamen Lourens Alma erhielt er nach seinem Taufpaten; später machte er Alma zum Bestandteil seines Nachnamens, um immer am Anfang von Ausstellungskatalogen zu erscheinen. Lawrence Alma-Tadema war der Cousin von Hendrik Willem Mesdag, einem Hauptvertreter der Haager Schule.
Im Jahr 1852 schrieb sich Lawrence Alma-Tadema an der Königlichen Akademie in Antwerpen ein und studierte bei Gustav Wappers frühe holländische und flämische Kunst. Noch bevor er seine Ausbildung abgeschlossen hatte, wurde er Assistent von Louis (Lodewijk) Jan de Taeye, bei dem er Vorlesungen über Kostümkunde und Geschichte besucht hatte. Für drei Jahre arbeitete Alma-Tadema in der Werkstatt des Malers mit. Der Einfluss von de Taeye lässt sich in der Vorliebe des jungen Malers für merowingische Themen nachweisen. Die belgische Historienmalerei Mitte des 19. Jahrhunderts war international für ihre Präzision in Bezug auf die Rekonstruktion von Kostümen, Architekturen und Objekten berühmt. Lawrence Alma-Tadema übertraf bereits mit seinem Erstlingswerk „Die Erziehung der Kinder von Clovis“ (1861) alle Erwartungen und faszinierte die Kritiker auf der Ausstellung in Antwerpen. Es wurde sofort verkauft und König Leopold I. zum Geschenk gemacht. Von 1858 bis 1862 arbeitete Lawrence Alma-Tadema bei Baron Jan August Hendrik de Leys, einem der am meisten geachteten Künstler Belgiens. Die Kritik seines Lehrers, der monierte, dass der Marmor im Bild „wie Käse“ aussehen würde, stachelte Alma-Tadema nur noch mehr an, sich mit der illusionistischen Darstellung von Gesteinsarten wie Marmor und Granit gesondert auseinanderzusetzen. Dadurch verdiente er sich in seiner Londoner Zeit den Spitznamen „the marbellous painter“. Nach dem Erfolg des Gemäldes verließ Alma-Tadema das Atelier von de Leys und widmete dem Aufbau einer Karriere als freischaffender Künstler.
Wenn auch bis Mitte der 1860er Jahre die Bilder mit merowingischen Themen vorherrschten, so wandte sich Lawrence Alma-Tadema ab zirka 1865 verstärkt der ägyptischen Antike zu. Er hatte verstanden, dass er damit ein internationales Publikum erreichen konnte. Seine Hochzeitsreise führte den angehenden Superstar 1863 erstmals nach Italien: Florenz, Rom, Neapel und Pompeij waren die Stationen. Hier entwickelte Alma-Tadema sein Interesse für die Verlebendigung der Antike. Während seiner Arbeit an „Ägyptische Schachspieler“ traf der Maler im Sommer 1864 den erfolgreichen Verleger und Kunsthändler Ernest Gambart. Dieser beauftragte ihn sofort mit der Ausführung von 24 Gemälden und organisierte die Ausstellung von dreien in London. Im folgenden Jahr übersiedelte Alma-Tadema nach Brüssel, wo ihm der Leopolds-Orden verliehen wurde.
Der Tod seiner ersten Frau am 28. Mai 1869 hinterließ Lawrence Alma-Tadema schockiert und depressiv. Die erst zwei und fünf Jahre alten Töchter wurden von seiner Schwester Artje versorgt, während der Künstler vier Monate lang nicht einmal malen konnte. Während des Sommers zeigte er Symptome einer Krankheit, die die Ärzte in Brüssel nicht diagnostizieren konnten. Gambart empfahl Lawrence Alma-Tadema eine Reise nach London, um sich dort untersuchen zu lassen. Kurz nach seiner Ankunft im Dezember 1869 besuchte der Maler seinen Kollegen, den Präraffaeliten Ford Madox Brown (1821–1893 → Präraffaeliten. Eine Avantgarde-Bewegung?). Diese Gesellschaft erwies sich als schicksalhaft, denn Lawrence Alma-Tadema traf dort die erst siebzehnjährige Laura Theresa Epps, in die er sich sofort verliebte.
Die neue Liebe und der Ausbruch des deutsch-französischen Kriegs überzeugten Lawrence Alma-Tadema, mit seiner Familie nach London zu übersiedeln. Anfang September 1870 kam er mit seinen beiden Töchtern und seiner Schwester an. Er kontaktierte Laura und gab ihr Malunterricht. Einer frühen Heirat widersprach der Vater der nun Achtzehnjährigen, die zukünftigen Eheleute sollten einander erst besser kennenlernen. Im Juli 1871 schlossen Laura Epps und Lawrence Alma-Tadema den Bund der Ehe. Als Laura Theresa Alma-Tadema verfolgte sie ihre eigene Karriere als Malerin erfolgreich weiter.
Im viktorianischen London wurde Lawrence Alma-Tadema zu einem der angesehensten Maler seiner Zeit (einzig Edwin Henry Landseer übertrumpfte ihn). Alma-Tademas Gemälde wurden sogar in Amerika von den wohlhabenden Sammlern, wie William H. Vanderbilt, geschätzt. Seine malerische Brillanz, sein Sinn für Raumdarstellung, seine Liebe zum Theater sowie sein archäologisches Wissen ergänzten einander in unzähligen Werken. Insgesamt führte Alma-Tadema 408 Ölgemälde aus, die er ab 1872 mit einer Opus-Zahl unter seiner Signatur versah. Im gleichen Jahre bereiste er mit Laura den Kontinent. Währen dieser fünf Monate dauernden Reise besuchten sie Brüssel, Deutschland und Italien. In Italien studierten sie die Ruinen von Pompeij, kauften Fotografien der Gebäude und legten Folio-Bände mit Studienmaterial an. In Rom mieteten die Alma-Tademas ein Atelier. Das antiquarische Interesse des Malers führte zum Selbststudium und zur Aufnahme unzähliger Objekte der Antike in seine Gemälde. Der als Perfektionist geltende Maler arbeitete nach Sammlungsgegenständen des British Museum, nach Massen von Fotografien, die er in Italien erwarb, nach Buchillustrationen. Dennoch wirken seine Gemälde nicht wie Pasticci, sondern Alma-Tadema verstand es, die unterschiedlichsten Quellen der Objekte und Architekturen zu verschleiern. Massenszenen, erotische Begegnungen, Blumenregen (aus fragilen Blüten, die eigens aus Afrika importiert werden mussten) förderten den Ruhm ihres Schöpfers.
Die wichtigsten Auszeichnungen des Malers waren seine Aufnahme als Mitglied in die Royal Academy 1879 und eine große, retrospektiv angelegte Werkschau mit 185 Gemälden in der Grosgoveor Gallery 1882. Im Jahr 1899 wurde Lawrence Alma-Tadema zum Ritter geschlagen, weshalb er ein Sir vor seinem Namen tragen durfte. Als respektierter Künstler bot er der nachfolgenden Generation Inspiration. Zu den Bewunderern seiner Kunst zählten der junge Gustav Klimt (1862–1918) und der Belgier Fernand Khnopff (1858–1921).
Die Behauptung Alma-Tadema wäre bedeutend für so manche Hollywood-Produktion der letzten Jahre, lässt sich gut belegen. Keiner konnte den Geist des alten Rom, von Pompeij oder antiken Villen und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern so überzeugen auf eine Bildbühne bringen wie der europaweit erfolgreiche Friese in Großbritannien. In seinen späten Jahren arbeitete Lawrence Alma-Tadema als Kostümbildner und Bühnenbildner, zudem entwarf er Möbel. Auf der Suche nach Vorbildern stießen Filmregisseure aus den USA aber auch Cinecittá immer wieder auf Alma-Tademas historische Fantasien. Bereits kurz nach dem Tod von Alma-Tadema, als sein Ruhm als Maler längst vor den Malern der Moderne wie Henri Matisse, Pablo Picasso oder Claude Monet verblasst war, wurden seine Gemälde als Inspirationsquellen für Filmschaffende entdeckt. Filme wie „Intolerance“ (1916, D. W. Griffith), Ben Hur (1926) und „Cleopatra“ (1934) gehören zu den frühesten Rezeptionen. Nach dem Zweiten Weltkrieg orientierte sich Cecil B. DeMille für „The Ten Commandments“ (1956) an Alma-Tadema. In den letzten Jahren studierte vor allem Ridley Scott Alma-Tademas Bilder für seine beiden Historienepen „Gladiator“ (2000) und „Exodus“ (2014). Scotts Produktdesigner, Arthur Max, ist sich zwar der Fiktionalität von Alma-Tademas Antiken-Visionen bewusst, nutzte aber dennoch die Historiengemälde als Inspirationsquelle für die Arbeit. Doch auch Fantasy-Epen wie „The Chronicles of Narnia: The Lion, the Witch and the Wardrobe“ (2005) zogen die Bildepen des viktorianischen Malers für den Entwurf des Cair Paravel Schlosses heran.
Lawrence Alma-Tadema wurde am 8. Jänner 1836 als drittes Kind des Notars Pieter Jiltes Tadema (1797–1840) und dessen zweiter Ehefrau Hinke Dirks Brouwer (der Halbschwester der ersten Frau) in Dronrijp, Provinz Friesland, Niederlande geboren. Seinen Vornamen Lourens Alma erhielt er nach seinem Taufpaten; später machte er Alma zum Bestandteil seines Nachnamens, um immer am Anfang von Ausstellungskatalogen zu erscheinen.
1838 Umzug der Familie nach Leeuwarden.
1840 Tod des Vaters; Alma-Tadema war erst vier Jahre alt.
1852 Umzug nach Antwerpen, wo er an der Kunstakademie Schüler von Gustave Wappers wurde.
Mit dessen Fürsprache konnte er später in das Atelier von Henri Leys wechseln und wurde dessen Assistent.
1859 unterstützte Alma-Tadema Leys bei der Ausschmückung des Rathauses von Antwerpen. Die nächsten Jahre wirkte Alma-Tadema bereits als selbständiger Künstler, war aber immer wieder als Schüler in den Ateliers von Josephus Laurentius Dyckmans oder Gustave Wappers anzutreffen.
1863 Tod der invaliden Mutter (3.1.); Hochzeit mit der Französin Marie-Pauline Gressin Dumoulin (24.9.) und Umzug nach Brüssel.
1864 Geburt der Tochter Laurence (1864–1940); Teilnahme am Salon von Paris, wo Alma-Tadema mit einer Medaille ausgezeichnet wurde.
1867 Geburt der Tochter Anna (1867–1943). Auf der Weltausstellung in Paris wurden seine ausgestellten Werke ebenfalls prämiert.
1869 Tod von Pauline.
1870 Umzug nach London.
1871 Hochzeit mit Laura Theresa Epps, die aus einer Künstlerfamilie stammte und sich unter dem Namen Laura Theresa Alma-Tadema ebenfalls einen Namen machte.
1873 Königin Victoria, die Alma-Tadema sehr schätzte, verlieh ihm das dauerhafte Aufenthaltsrecht (denization), da es ihm sonst als Ausländer nicht gestattet gewesen wäre, Mitglied der Royal Academy of Arts zu werden.
1876 Die Royal Academy of Arts nahm Alma-Tadema als „Associate“ auf.
1879 Zum ordentlichen Mitglied der Royal Academy of Arts berufen (19.6.).
1882 Die angesehene Grosvenor Gallery in London widmete ihm eine vielbeachteten Ausstellung und präsentierte 185 Gemälde.
1883 Italien-Reise: Lawrence Alma-Tadema hielt sich vor allem in Pompeij auf.
1899 Anlässlich des 81. Geburtstags von Königin Victoria wurde Alma-Tadema zum Ritter geschlagen.
1900 Lawrence Alma-Tadema organisierte die britische Abteilung auf der Weltausstellung in Paris. Er selbst war mit zwei Bildern vertreten, für die er den Grand Prix erhielt.
1904 Teilnahme an der Weltausstellung in St. Louis, wo seine Werke gut aufgenommen wurden.
1909 Tod von seine Frau Laura im Alter von 57 Jahren (15.8.).
Am 28. Juni 1912 starb Sir Lawrence Alma-Tadema im Alter von 76 Jahren in Wiesbaden, wo er sich von seiner Tochter ins Kaiserhof Spa begleiten hatte lassen. Er wurde in der Krypta der St. Paul’s Cathedral in London beigesetzt.
Elizabeth Prettejohn, Peter Trippi (Hg.), Lawrence Alma-Tadema – Klassische Verführung (Ausst.-Kat. Belvedere, Wien), München 2017.
J. Barrow, Lawrence Alma-Tadema, London 2001.