Haager Schule

Niederländische Landschaftsmalerei zwischen 1850 und 1900

Die holländischen Landschaftsmaler begannen sich in den 1840er Jahren von der romantischen Landschaftsauffassung1 zu lösen und sich in Auseinandersetzung mit der Schule von Barbizon um 1850 als Haager Schule zu formieren. Nach einem Ausspruch von Anton Mauve war es Willem Roelofs, der sie „vom Geist Koekkocks befreite und den Weg zur neuen holländischen Landschaft wies“2. Gleichzeitig waren für sie auch die Landschaftsmaler des Goldenen Zeitalters (17. Jahrhundert) wichtig.

Themen, Stil und Künstlerkolonien

Die Landschaftsmalerei der Haager Schule wird häufig als Darstellungen von Weiden, Polderszenen, weit im Hintergrund sich befindlichen Horizonten und einem grauen, bedeckten Himmel charakterisiert. Die Maler der Haager Schule wählten einfache, aber pittoreske Motive aus Holland und setzten ihre Gemälde in einem freien, eher impressionistischen Stil um. Pleinair Malerei und Atelierarbeit hielten sich die Waage.

Die Künstlerkolonie Oosterbeek wurde gleichsam zum „niederländischen Barbizon“, hier hielten sich nahezu alle Maler der Haager Schule zu verschiedenen Zeiten auf. Auch der Küstenort Scheveningen zog unzählige Marinemaler an. Da der Ort keinen befestigten Hafen hatte, mussten die Heringsboote mit Pferden an den Strand gezogen werden und lagen dort. Meer, Himmel, Wetter, Boote und Muschelfänger mit Karren gaben pittoreske Motive für die Maler der Schule von Den Haag (bis zu Jan Toroop) ab. Jacob Maris, Anton Mauve, Hendrik Willem Mesdag, Blommers und Sadée schufen stimmungsvolle Bilder mit Eindrücken aus Scheveningen.

Die „modernen“ Holländer, auch Meister der „grauen Schule“ genannt, erhielten ihren Gruppennamen 1875 anlässlich der „Ausstellung Lebender Meister in Den Haag“. Ihren internationalen Durchbruch feierten die Maler bereits Jahre zuvor auf der „I. Internationalen Kunst-Ausstellung“ in München (1869) und der Weltausstellung in Wien 1873. Vor allem Jozef Israëls, der mit fünf Gemälden vertreten war, wurde als der führende Maler der Gruppe wahrgenommen.

Die wichtigsten Maler der Haager Schule

Johannes Bosboom (1817–1891)

Der national und international geehrte Maler Johannes Bosboom wurde ab 1831 von Bart van Hove (1790–1800) in Den Haag ausgebildet. Nach einer Studienreise nach Düsseldorf, Köln und Koblenz wurde er für eine Innenansicht einer Kirche von der Gesellschaft Felix Meritis bereits mit einer goldenen Medaille ausgezeichnet. Er bevölkerte seine Bilder vom Inneren verschiedenster Kirchen mit Figuren in Trachten des 17. Jahrhunderts. Zu seinen Vorbildern zählte der Haager Romantiker Wijnand Nuyen (1813–1839). Seine 1851 angetraute Gattin Geertruida Toussaint war als Autorin historischer Romane erfolgreich. Erst in den 1860er Jahren, nachdem sein Zwillingsbruder verstorben und seine Krau ernsthaft erkrankt war, widmete sich Bosboom der Landschaftsmalerei. Vor allem der Küstenort Scheveningen, wo er 1873 ein Zimmer mit Seeblick besaß, wurde für Johannes Bosbooms See- und Strandbilder (auch Aquarelle) von großer Bedeutung. Als Johannes Bosbooms am 14. September 1891 in Den Haag verstarb, war er ein angesehener Maler und Aquarellist. Bosbooms freie und lockere Malweise, sein Wunsch, das Atmosphärische wiederzugeben, sowie seine Verweise auf das Goldene Jahrhundert der niederländischen Malerei, machen ihn zum ältesten Mitstreiter der sog. Haager Schuler.

Johannes Bosbooms: Bilder

  • Johannes Bosboom, Die Nieuwe Kerk zu Amsterdam, 1845 (Den Haag, Gemeentemuseum)
  • Johannes Bosboom, Bauernhäuser, Aquarell, 28 x 54.5 cm (MET, New Xork, Van Day Truex Fund, 2003)

Willem Roelofs (1822–1897)

Der in Amsterdam geborene Willem Roelofs erhielt seinen ersten Zeichenunterricht in Utrecht. Für seine Ausbildung bei Hendrikus van der Sande Bakhuysen (1796–1860) übersiedelte er 1840 nach Den Haag. Der Mitbegründer der Künstlervereinigung Pulchri Studio und der Société Belge des Aquarellistes lebte von 1847 bis 1887 aus familiären Gründen in Brüssel. Im Jahr 1851 reiste Roelfs erstmals zum Wald von Fontainebleau, wo er die Künstler der Schule von Barbizon traf. Ab 1856 arbeitete er während der Sommermonate in den Niederlanden (Gein, Vecht, Noorden, Loosdrecht, Gouda und Den Haag). Dort schuf er kleinformatige Farbskizzen in freier Natur, die er im Atelier zu großen Bildern weiterverarbeitete. Willem Roelofs wird häufig als Vorläufer der Haager Schule bezeichnet. Vielen ihrer Mitglieder wurde er zum Türöffner in Brüssel.

„Wir trennen Farbe und Zeichnung, weil wir das wohl müssen. Aber die Natur tut das nicht. Sie gibt nicht einem Etwas eine Form, um es danach einzufärben. Form und Farbe sind inhärente Eigenschaften des Gegenstands, der uns zu malen aufgegeben ist. Vernachlässigen wir eines von beiden, dann geben wir nur die Hälfte.“3 (Willem Roelofs)

Sein bekanntes Gemälde „Der Regenbogen – Abendstunde eines verregneten Tages“ (1875, Den Haag, Haags Gemeentemuseum) wurde auf der „Ausstellung Lebender Meister“ 1875 in Den Daag präsentiert. Die Kritik bewunderte die Darstellung eines Regenbogens, der in der holländischen Malerei in dieser Form noch selten zu sehen war. Seiner Ansicht nach, sollten Maler sich möglichst genau an ihre vorbereiteten Skizzen halten, denn „eine gute Naturstudie trägt den Atem der Natur in sich, den man nicht verleugnen oder zerstören sollte. Man muss das Bestmögliche aus einer solchen Studie holen“4.

Willem Roelofs: Bilder

  • Willem Roelofs, Der Regenbogen – Abendstunde eines verregneten Tages, 1875, Öl auf Leinwand, 57,5 x 110,5 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Willem Roelofs, Landschaft mit heraufziehendem Sturm, 1850, Öl auf Leinwand, 90,2 x 139,8 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Willem Roelofs, Landschaft in der Umgebung von Dordrecht, 1858, Aquarell, 30,9 x 54,6 cm (Teylers Museum, Haarlem)
  • Willem Roelofs, Weidelandschaft mit Vieh, um 1870, Öl auf Holz, 49,2 x 77,3 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)

Jozef Israëls (1824–1911)

Der in Groeningen geborene Jozef Israëls erhielt bereits als Elfjähriger Zeichenunterricht und bildete sich ab 1842 bei Jan Adam Kruseman (1804–1862) und Jan Willem Pieneman (1779–1853) in Amsterdam weiter. Da er Ary Scheffers (1795–1858) spätromantische Interpretationen zu Goethes „Faust“ und Dantes „Göttlicher Komödie“ bewunderte, zog er nach Paris. Hier wurde er Schüler von François Picot (1786–1868). Auf einer Studienreise lernte er 1847 die Landschaftsmalerei der Düsseldorfer Malerschule und die holländische Künstlerkolonie in Oosterbeek bei Arnheim kennen. Erst während seines zweiten Parisaufenthaltes kam er mit der Schule von Barbizon in Kontakt. Im Jahr 1872 übersiedelte Jozef Israëls mit seiner Familie nach Den Haag. Bald wurde er im Ausland als führender Kopf der Schule von Den Haag angesehen. Mit seiner Darstellung der „Kartoffelesser“ inspirierte er den jüngeren Vincent van Gogh zu dessen „Kartoffelessern“ (April 1885 → Vincent van Gogh im Borinage. Die Geburt eines Künstlers). Seine tonigen, dunklen Bilder spüren dem harten Leben der Fischer nach und folgen der Tradition des späten Rembrandt. Diese Anerkennung fand in der Einzelausstellung zu Jozef Israëls auf der Biennale von Venedig im Jahr 1910 ihren Höhepunkt.

Jozef Israëls: Bilder

  • Jozef Israëls, Wenn man alt wird, 1878, Öl auf Leinwand, 160 x 101 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jozef Israëls, Kartoffelschälen, Radierung, 20,1 x 28,1 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jozef Israëls, Der Sandkahnführer, 1887, Öl auf Leinwand, 62 x 90 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jozef Israëls, Kartoffelesser, 1902, Öl auf Leinwand, 86 x 116,5 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jozef Israëls, Mädchen auf der Düne, Aquarell, 37,2 x 24 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jozef Israëls, Mutter mit Kind auf dem Arm, Aquarell, 88,7 x 58,5 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)

Jan Hendrik Weissenbruch (1824–1903)

Der in Den Haag geborene Jan Hendrik Weissenbruch erhielt einen ersten Zeichenunterricht von Bart van Hove. Ab 1847 stellte er erste Landschaftsgemälde aus, die u. a. von Andreas Schelfhout (1787–1870) beeinflusst sind. Seine Landschaften mit panoramaartigem Horizont gehören zu den wichtigsten Werken der Haager Schule. Bereits 1849 erwarb das Teylers Museum in Haarlem ein erstes Werk von Jan Hendrik Weissenbruch. Dennoch gelang dem Maler erst in den 1880er Jahren sein nationaler Durchbruch! Er malte in Südholland (Seen bei Nieuwkoop, Scheveningen, Voorburg und Leidschendam, Noorden ab 1875) und im Ruderboot, was vor allem von seinen Künstlerkollegen bewundert wurde. Das Gemälde „Blick auf den Trekvliet-Kanal bei Den Haag“ (1870) präsentierte er auf der „Ausstellung Lebender Meister“ 1870 in Rotterdam und 1873 auf der Weltausstellung in Wien. Erst 1900 reiste er erstmals nach Barbizon.

Seine temperamentvolle Persönlichkeit findet sich in vielen Anekdoten überliefert, genauso wie seine Schwierigkeiten, ein Werk zu vollenden. Jan Hendrik Weissenbruch pflegte seine unvollendeten Werke als „scheintot“ zu bezeichnen, denen er durch ständiges Überarbeiten Leben einhauchen würde. Eine weitere Eigenheit war seine Vorliebe für das Hochformat. Während Weissenbruchs Kollegen der Haager Schule ihre Landschaften auf Querformaten einfingen, arbeitete Weissenbruch seine in der Spätzeit äußerst erfolgreichen Werke auf hochgestellten Leinwänden.

„Licht und Himmel, das ist das Nonplusultra! Ich kann nie genug Licht in meine Gemälde bringen, vor allem in die Wolkenformationen […] Der Himmel in einem Bild … ist das eine? Die Hauptsache, mein Freund! Himmel und Licht sind die großen Zauberer. Der Himmel bestimmt das Gemälde.“5 (Jan Hendrik Weissenbruch)

Jan Hendrik Weissenbruch: Bilder

  • Jan Hendrik Weissenbruch, Sonnenuntergang bei Boskoop, um 1864, Öl auf Leinwand, 49 x 85,5 cm (Privatsammlung)
  • Jan Hendrik Weissenbruch, Blick auf den Trekvliet-Kanal bei Den Haag, 1868, Öl auf Leinwand, 31 x 50 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jan Hendrik Weissenbruch, Ansicht von Haarlem von den Dünen, 1868, Aquarell, 22,7 x 33 cm (MET, New York, Mr. and Mrs. Isaac D. Fletcher Collection, Bequest of Isaac D. Fletcher, 1917)
  • Jan Hendrik Weissenbruch, Blick auf den Trekvliet-Kanal bei Den Haag, 1870, Öl auf Leinwand, 65 x 100 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jan Hendrik Weissenbruch, Blick auf Haarlem, Öl auf Holz, 23,5 x 34 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jan Hendrik Weissenbruch, Erinnerung an Haarlem, Öl auf Leinwand, 72 x 101 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jan Hendrik Weissenbruch, Strandansicht, 1887, Öl auf Leinwand, 72 x 103 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jan Hendrik Weissenbruch, Zugbrücke bei Noorden, um 1890, Aquarell, über einer Bleistiftskizze, mit weißem Pigment gehöht, und Bleistift, einige Ausradierungen, 54,9 x 74,2 cm (Rijksmuseum, Rijksprentenkabinet, Amsterdam)
  • Jan Hendrik Weissenbruch, Polderlandschaft mit Ruderer, um 1895, Öl auf Leinwand, 90 x 80 cm (Privatbesitz)

Paul Gabriël (1828–1903)

Paul Joseph Constantin Gabriël war der Sohn des Bildhauers Paul Joseph Gabriël (1785–1833) in Amsterdam. Für seine weitere Ausbildung übersiedelte Paul Gabriël zum romantischen Landschaftsmaler Barend Cornelis Koekkoek (1803–1862) nach Kleve und weiter zu Cornelis Lieste (1817–1861) nach Haarlem. Hier freundete er sich mit Anton Mauve an. Von 1853 bis 1856 lebte er in der Künstlerkolonie Oosterbeek, wo er allerdings nicht reüssieren konnte. Mit Hilfe von Willem Roelofs konnte sich Paul Gabriël in Brüssel durchsetzen (1860–1884). Erst 1884 kehrte Paul Gabriël in die Niederlande zurück, wo er in Scheveningen lebte. Seine singuläre Position innerhalb der Haager Schule leitet sich von seiner leuchtenderen Farbwahl und der Aufnahme moderne Transportmittel in seinen Werken ab. Sein diesig-verschwommener Malstil imponierte auch Kunstkritiker.

Paul Gabriël: Bilder

  • Paul Gabriël, Zug in der Landschaft – „Er kommt von weit her …“, um 1887, Öl auf Leinwand, 67 x 100 cm (Kröller-Müller Museum, Otterlo)
  • Paul Gabriël, Der Kampener Torfstich – Das Zwijnsleger bei Grafhorst, um 1889, Öl auf Leinwand, 90 x 150 cm (Haags Gemeentemuseum, Den Haag)

Hendrik Willem Mesdag (1831–1915)

Auf Drängen seiner Frau Sientje van Houten (1834–1909) wählte Hendrik Willem Mesdag den Malerberuf. Im Jahr 1866 hielt er sich in der Künstlerkolonie Oosterbeek auf und meldete sich auf Empfehlung seines Cousins Lawrens Alma-Tadema (1836–1912) als Schüler bei Willem Roelofs in Brüssel. Seinen Entschluss, sich auf die Marinemalerei zu spezialisieren, fällte Hendrik Willem Mesdag während eines Aufenthalts Auf der deutschen Insel Norderney. Nachdem er 1869 nach Den Haag übersiedelt war, konnte er täglich das Meer bei Wind und Wetter beobachten. Im Jahr 1870 wurde Hendrik Willem Mesdag für „Die Brandung der Nordsee“ (Privatbesitz) vom Pariser Salon mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Auch auf der Wiener Weltausstellung 1873 war er mit den beiden Gemälden „Rückkehr eines Fischerbootes in Scheveningen“ und „Wintermorgen in Scheveningen“ vertreten. Von 1876 bis 1885 war Hendrik Willem Mesdag Vorsitzender der von ihm mitbegründeten Hollandsche Teeken Maatschppij [Holländische Zeichengesellschaft] sowie 1889 bis 1907 stand er der Künstlervereinigung Pulchri Studio vor. Im Jahr 1881 schuf er, unterstützt von Sientje Mesdag-van Houten, Bernard Blommers, Théophile de Bock und George Hendrik Breitner, ein 1600 m² großes Panorama, das den Blick vom Seinpostduin in Scheveningen zeigt. Seine Gemäldesammlung mit Werken der Schule von Barbizon und der Haager Schule ist bereits seit 1903 heute im Mesdag Museum.

Hendrik Willem Mesdag: Bilder

  • Hendrik Willem Mesdag, Fischerboote in brechenden Wellen, um 1875–um 1885, Öl auf Leinwand, 90 × 181 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Hendrik Willem Mesdag, Kalme zee [Ruhige See], 1860–1900, Öl auf Leinwand, 123,4 × 97,5 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Hendrik Willem Mesdag, Scheveninger Boote mit breitem Bug ankernd, 1860–1889, Öl auf Leinwand, 115,5 × 80 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)

Jacob Maris (1837–1899)

Jacob (Jacobus Hendricus) Maris wurde als der älteste der drei Maris-Brüder am 25. August 1837 in Den Haag geboren. Nach einer Ausbildung an der Haagener Akademie studierte er in Antwerpen, wo er Lawrence Alma-Tadema kennenlernte. Vor allem die deutschen Maler Ludwig Richter, Moriz von Schwind und Alfred Rethel beeinflussten den jungen Jacob Maris. Nach seiner Rückkehr nach Den Haag arbeitete Jacob Maris gemeinsam mit seinem Bruder Matthijs als Kopist – u. a. für Prinzessin Marianne, der Tochter von König Willems I., für die er für eine beachtliche Summe einige königliche Porträts aus dem 17. Jahrhundert kopierte. Neben Aufenthalten in der Künstlerkolonie Oosterbeek (1859 und 1860) wurden Reisen nach Deutschland, in die Schweiz und nach Frankreich wichtig. Vincent van Gogh („Onkel Cent“) vermittelte Jacob Maris einen Vertrag mit der Kunsthandlung Goupil, wodurch Jacob Maris ab 1864 finanziell abgesichert in Paris leben konnte. Zwar musste er dafür Gemälde mit italienischen Mädchen in der Tracht der römischen Campagna liefern, weshalb er sogar Unterricht bei dem Historienmaler Ernest Hébert nahm. Von Paris aus besuchte Jacob Maris Fontainebleau, Barbizon, Marlotte und Montigny-sur-Croing, was ihn offensichtlich dazu bewog, selbst Flusslandschaften zu malen. Vor allem die Maler Jean-Baptiste Camille Corot und Charles-François Daubigny (→ Charles-François Daubigny: Wegbereiter des Impressionismus) beeinflussten seine Palette und Stimmungsmalerei.

Erst nach dem Deutsch-französischen Krieg 1870/71 kehrte Jacob Maris nach Holland zurück und kündigte den Vertrag mit Goupil. In den folgenden Jahren konnte er sich frei zum wichtigen Landschaftsmaler und Aquarellisten der Haager Schule weiterentwickeln. Vor allem seine in Silbergrau gehaltenen Seestücke von der Küste rund um Scheveningen gehören zu den eindrucksvollsten Werken der Haager Schule.

Jacob Maris: Bilder

  • Jacob Maris, Fähre, 1870 (am Salon von 1870), Öl auf Leinwand, 38,5 x 66,5 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jacob Maris, Ansicht der Mühle und Brücke am Noordwest Buitensingel in Den Haag, 1873, Öl auf Leinwand, 81 x 144,2 cm (Privatbesitz)
  • Jacob Maris, Salatgärten bei Den Haag, um 1878, Öl auf Leinwand, 62,5 x 54 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jacob Maris, Fischerboot, 1878, Öl auf Leinwand, 124 x 105 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jacob Maris, Holländischer Kanal, Rijswijk, Aquarell (MET, New York, Wolfe Fund, 1895)
  • Jacob Maris, Steinerne Mühle, Öl auf Leinwand, 126 x 93 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Jacob Maris, Mühle im Schnee, um 1880, Aquarell, 48,1 x 34,6 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)

Anton Mauve (1838–1888)

Der 1838 in Zaandam geborene Sohn eines Pastors Anton (Anthonij) Mauve verbrachte seine Jugend in Haarlem, wo er Schüler des Tiermalers Pieter F. van Os (1808–1892) und Wouterus Verschuur (1812–1874) wurde. Er verbrachte mit Paul Gabriël 1858 einige Zeit in Oosterbeek, 1862 lernte er Willem Roelofs kennen. Ab 1871 lebte Anton Mauve in Den Haag, wo er Ariette Carbentus, eine Cousine von Vincent van Gogh, heiratete. Mit Mesdag war Mauve einer der Mitbegründer der Hollandsche Teeken Maatschppij [Holländische Zeichengesellschaft]. Wenn auch sommerliche Landschaften mit Schafsherden zweifellos zu den Lieblingsmotiven Anton Mauves zählten, so widmete er sich auch Strandszenen, die von der harten Arbeit der Fischer künden. Die meisten von Mauves Landschaften durchzieht eine etwas düstere und verträumte Atmosphäre. Charakteristisch für seine Gemälde ist, dass Mauve die Ölfarbe in dünnen Schichten auftrug. Es wird daher immer wieder vermutet, er hätte in der Ölmalerei die duftigen Aquarelle imitieren wollen. Als Lehrer von Vincent van Gogh empfahl Anton Mauve im September 1881 seinem Schützling, nach der Natur zu arbeiten. In künstlerischer Hinsicht waren die beiden jedoch grundverschieden. Im Jahr 1885 übersiedelte Anton Mauve nach Laren in Gooiland, dessen sandiger Boden, das Heideland ihn zu stimmungsvollen Landschaftsgemälden inspirierten. Vor allem in den Werken des französischen Kollegen Jean-François Millet ist Mauves Vorliebe für Schafsherden vorgeprägt. Nachdem der manisch-depressive Anton Mauve noch nicht fünfzigjährig im Februar 1888 plötzlich verstarb, widmete ihm Vincent van Gogh einen blühenden Baum, den er seiner Cousine, der Witwe des Malers, schickte.

Anton Mauve: Bilder

  • Anton Mauve, Atelier des Haarlemer Malers Pieter Frederik van Os, 1856-1857, Öl auf Papier, 49 × 61cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Anton Mauve, Morgenritt am Strand, 1876, Öl auf Leinwand, 43,7 × 68,6 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Anton Mauve, Fischerboote auf dem Strand, 1882, Öl auf Leinwand, 115 x 172 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Anton Mauve, Selbstporträt, um 1884, Öl auf Leinwand, 65 x 43 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Anton Mauve, Winter in den Wäldern von Scheveningen, um 1875–1880
  • Anton Mauve, Schafe auf einem Deich, Öl auf Leinwand, 49 x 100 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Anton Mauve, Das Umsetzen der Schafe auf der Weide, um 1887, Öl auf Leinwand, 39 x 126 cm (Taft Museum Cincinnati/Ohio)
  • Anton Mauve, In der Heide bei Laren, 1887, Öl auf Leinwand, 77 × 104 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Anton Mauve, Der Gemüsegarten, um 1885–um 1888, Öl auf Leinwand, 61 × 87 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Anton Mauve, Schafherde im Schnee, 1888, Öl auf Leinwand, 90 x 190 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)

Mattijs Maris (1839–1917)

Der 1839 in Den Haag geborenen Mattijs Maris nahm wie sein älterer Bruder Jacob Unterricht an der hiesigen Zeichenakademie. Er setzte seine Studien an der Akademie in Antwerpen fort, wo er den deutschen Künstler Georg Laves kennenlernte. Wie seine Mitstreiter bewunderte auch Mattijs Maris die Schule von Barbizon. Mit dem Aquarell „Taufgang zu Lausanne“ wurde er auf Bewirken von Willem Roelofs Mitglied der Société Belge des Aquarellistes in Brüssel. Im Jahr 1869 übersiedelte Mattijs Maris zu seinem Bruder Jacob nach Paris. Er meldete sich während des Deutsch-französischen Kriegs freiwillig zur Nationalgarde. Auch Mattijs Maris arbeitete für die Kunsthandlung Goupil, wovon er sich Jahre später jedoch distanzierte. Auf Anraten des schottischen Kunsthändlers Cottier übersiedelte Mattijs Maris 1877 nach London. Die in den folgenden Jahrzehnten entstandenen Werke können jedoch nicht mehr der Haager Schule zugerechnet werden.

Willem Maris (1844–1910)

„Ich male keine Kühe, sondern Lichteffekte.“6 (Willem Maris)

Der wenig reiselustige dritte Maris-Bruder, Willem Maris oder auch der „silberne Maris“, führte ein beschauliches Leben. Er begleitete Anton Mauve 1862 in der Künstlerkolonie Oosterbeek zum Zeichnen in die freie Natur. Er stellte 1862 erstmals mit „Kühe auf der Heide“ auf der „Ausstellung Lebender Meister“ in Rotterdam aus. Anfangs negativ kritisiert, da sich Willem Maris besonderer Lichteffekte bediente. Willem Maris wurde der Maler der holländischen Sommerlandschaft in unmittelbarer Umgebung von Den Haag, was ihm bald internationalen Erfolg einbrachte. So stellte er auf der Wiener Weltausstellung 1873 „Kühe bei der Tränke“ aus.

„Würde man die Aufgabe stellen, das eigentümliche Funkeln des Lichtes und der Farb einer holländischen Weide mit Vieh zu malen, dann würde niemand, nicht einmal jemand aus unserem großen 17. Jahrhundert, diese Aufgabe so gut erfüllen wie Willem Maris.“7 (Het Vaderland 1886)

Willem Maris: Bilder

  • Willem Maris, Kälber an einem Tümpel, 1863, Öl auf Leinwand, 36 x 62,5 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Willem Maris, Kühe am Abend, Öl auf Leinwand, 105,3 x 134 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Willem Maris, Sommer, um 1898/98, Öl auf Leinwand, 136,5 x 164,5 cm (Dordrechts Museum, Dordrecht)

Théophile de Bock (1851–1904)

Im Jahr 1878 übersiedelte Théophile de Bock nach Barbizon und Paris, kehrte jedoch schon 1880 nach Den Haag zurück, um mit Mesdag am Panorama zu arbeiten. Der erfolgreiche Maler schätzte die Schule von Barbizon und war Mitbegründer des Haagse Kunstkring (1891). Als Vorsitzender dieser Vereinigung organisierte er im Mai/Juni 1892 die erste Einzelausstellung von Vincent van Gogh.

Théophile de Bock: Bilder

  • Théophile de Bock, Heidelandschaft bei Emmen, Öl auf Leinwand, 25 x 34 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Théophile de Bock, Wald, Öl auf Leinwand, 46 x 38 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Théophile de Bock, Sandiger Weg, 1870–1904, Öl auf Leinwand, 32 x 51 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)

Herman Johannes van der Weele (1852–1930)

Herman Johannes van der Weele war mir George Hendrik Breitner befreundet und studierte wie dieser an der Haager Akademie. Für sein Gemälde „Im Nebel“ erhielt er auf der Amsterdamer Weltausstellung 1883 eine Silbermedaille. Seine Bilder zeichnen sich durch eine flächige Anlage sowie starke Hell-Dunkel-Kontraste aus, die bereits über die Haager Schule hinausweisen.

Herman Johannes van der Weele: Bilder

  • Herman Johannes van der Weele, Landschaft unter Gewitterhimmel, Öl auf Leinwand, 51 x 75 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)

George Hendrik Breitner (1857–1923)

George Hendrik Breitner lebte ab 1866 in Amsterdam, dessen Straßen und Plätze er in unzähligen Gemälden festhielt. Zuvor hatte er an der Kunstakademie in Den Haag studiert (Jänner 1876 bis 1880) und bereits zwischen Oktober 1878 und April 1879 in Leiden sowie von 1882 bis 1884 in Rotterdam unterrichtet. Im Mai 1884 nahm er für ein halbes Jahr Unterricht im Atelier von Cormon in Paris. George Hendrik Breitner „realistischen Schweinereien“ (Rektor der Akademie) wurden von den Malern der Haager Schule geschätzt, weshalb ihn Mesdag einlud, am Panorama mitzuarbeiten.

George Hendrik Breitner: Bilder

  • George Hendrik Breitner, Selbstporträt mit Kneifer, um 1882, Öl auf Leinwand, 45,5 x 31,5 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • George Hendrik Breitner, Atelier – die Töchter Van Stolk, um 1881, Öl auf Leinwand, 74 x 50 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • George Hendrik Breitner, Selbstporträt im Atelier, um 1888, Öl auf Leinwand, 37 x 52,5 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • George Hendrik Breitner, Mädchen in einem weißen Kimono, 1894, Öl auf Leinwand, 59 x 57 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • George Hendrik Breitner, Der Damrak, Amsterdam, 1903, Öl auf Leinwand, 100 x 150 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)


Anthon van Rappard (1858–1892)

Anthon Gerard Alexander Ridder van Rappard studierte ab 1876 an der Amsterdamer Akademie. Bereits 1879 befand er sich als Student von Jean-Léon Gérôme in Paris. Zwischen 1889 und 1892 lebte van Rappard auf seinem Landgut bei Santpoort.

Anthon van Rappard: Bilder

  • Anthon van Rappard, Altfrauenhaus in West-Terschelling, 1883/84, Öl auf Leinwand, 24 x 45,5 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)

Willem Bastiaan Tholen (1880–1931)

Der 1880 in Amsterdam geborene Willem Bastiaan Tholen wohnte und arbeitete u. a. in Den Haag und Brüssel. Sein Kontakt zu den Malern der Haager Schule und seine gefühlvollen Landschaftsgemälde lassen ihn als einen späten Nachfolger der holländischen Landschaftsmalerei des Realismus erscheinen. Atmosphäre und Tonalität spielen in seinen Landschaften wichtige Rollen, auch wenn er seine Skizzen im Atelier in Großformate übertrug.


Willem Bastiaan Tholen: Bilder

  • Willem Bastiaan Tholen, Landschaft, Öl auf Leinwand, 96 x 117 cm (Den Haag, Haags Gemeentemuseum)
  • Willem Bastiaan Tholen, Windmühlen in Giethoorn, um 1882–1884, Öl auf Leinwand, 94,5 x 150,5 cm (Privatbesitz)

Literatur

  • Wiepke Loos, Robert-Jan Te Rijdt, Marjan van Heteren, Niederländische Landschaftsmaler. Meisterwerke des 18 und 19. Jahrhunderts (Ausst.-Kat. Rijksmuseum, Amsterdam) Stuttgart / Zürich 1997.
  • Roland Dorn, Klaus Albrecht Schröder, John Sillevis (Hg.), Van Gogh und die Haager Schule (Ausst.-Kat. Bank Austria Kunstforum, Wien) Mailand 1996.

Merken

  1. Maler der Romantik idealisierten Landschafen und widmeten sich verstärkt den Details. Inhaltlich unterscheiden sie sich von den intimeren Landschaften der nachfolgenden Generation durch Drama und Pathos. Sie setzen der Erhabenheit der Natur die Unscheinbarkeit des Menschen entgegen.
  2. Zitiert nach Wiepke Loos, Robert-Jan Te Rijdt, Marjan van Heteren, Niederländische Landschaftsmaler. Meisterwerke des 18 und 19. Jahrhunderts (Ausst.-Kat. Rijksmuseum, Amsterdam) Stuttgart / Zürich 1997, S. 276.
  3. Zitiert nach Van Gogh und die Schule von Den Haag, S. 246.
  4. Zitiert nach Niederländische Landschaftsmaler, S. 276.
  5. Zitiert nach Wiepke Loos, Robert-Jan Te Rijdt, Marjan van Heteren, Niederländische Landschaftsmaler. Meisterwerke des 18 und 19. Jahrhunderts (Ausst.-Kat. Rijksmuseum, Amsterdam) Stuttgart / Zürich 1997, S. 268.
  6. Zitiert nach Vincent van Gogh und die Schule von Den Haag, S. 301.
  7. Zitiert nach Niederländische Landschaftsmaler, S. 328.