Leonardo da Vincis „Mona Lisa” im Louvre gehört zu den berühmtesten Bildern der Welt. Der Prado besitzt eine Kopie des sanft lächelnden Frauenporträts, das jüngst als Arbeit der Leonardo-Werkstatt erkannt wurde. Kunsttechnologische Untersuchungen offenbarten, dass es sich sogar um die älteste Kopie der „Mona Lisa“ handelt: Unter der Aufsicht Leonardos malten seine Mitarbeiter eine zweite Fassung! Dies erlaubt neue Einblicke in Leonardos Werkstattpraxis.
Spanien | Madrid: Prado
Jerónimos Building, Raum D
28.9.2021 – 23.1.2022
Der Prado zeigt im Herbst/Winter 2021 eine Studioausstellung zu einem der spannendsten Rechercheprojekten der letzten Jahre: Die Restaurierung und technologischen Untersuchung seiner „Mona Lisa“. Begleitet wird das berühmte Bild von weiteren Werkstatt-Kopien und Versionen wie der „Leda“ (Galleria Borghese, Rom), dem „Salvator Mundi (Ganay Fassung)“ aber von Infrarotreflektografien der „Madonna mit der Garnspindel“ und „Anna Selbdritt“. Kopien sowie Infrarotreflektografien ermöglichen, Vergleiche zwischen verschiedenen Fassungen zu ziehen - und dieser Erkenntnisse anhand des frisch restaurierten Gemäldes zu überprüfen.
Die Prado-„Mona Lisa“ wurde nun als die früheste bekannte Kopie der „Mona Lisa“ erkannt. Das Gemälde mit der Inventarnummer 504 im Museo Nacional del Prado wies vor der Restaurierung einen dunklen Hintergrund auf und galt als spätere Kopie nach dem Porträt des Florentiner Meisters. Während des Forschungsprojekts wurde unter der schwarzen Ölfarbe eine duftig gemalte Landschaft entdeckt, welche das Porträt nahe an das Original rückt.
Kopien und Zweitfassungen von Leonardos Kompositionen vermitteln insgesamt einen heterogenen Charakter. Offenbar entstanden nicht alle Gemälde mit demselben Ziel und spiegeln daher nicht die gleichen Absichten wider. Forschungen zu Leonardos Werkstattpraxis und seine Lehrmethoden eröffnen zunehmend den Blick in dessen Renaissance-Atelier. Dadurch wuchs das Verständnis sowohl für Leonardos Bilddenken als auch für die in Verbindung mit seinem Atelier entstandenen Werke. Erste Ergebnisse flossen bereits in die Louvre-Ausstellungen von 2012 und 2019 ein (→ Louvre: Leonardo da Vinci).
Die Liste der Leonardo-Werkstatt-Bilder kann durch ein weiteres wichtiges Werk erweitert werden: In Zusammenarbeit mit dem Musée du Louvre, dem Labor für Molekulare Archäologie der Sorbonne und die National Gallery, London, ist nachzuweisen, dass die „Mona Lisa“ des Prado auf dem Original basiert! Darüber hinaus dürfte seine Ausführung auch von Leonardo autorisiert worden sein. Es gilt als belegt, dass der ausführende Künstler auch die Kopien der „Hl. Anna“ (Hammer Museum, Los Angeles) und die Ganay-Fassung des „Salvator Mundi“ (Privatsammlung) geschaffen hat.
Leonardo da Vinci war ein vielbeschäftigter Mann, dessen Tage nicht nur mit Malerei gefüllt waren (→ Leonardo da Vinci: Biografie). Vielleicht waren es auch sein Perfektionismus, der ihn daran hinderte, ein großes Œuvre zu entwickeln. Es war für ihn als Künstler daher essenziell, über eine gut funktionierende Werkstatt zu verfügen, über Mitarbeiter resp. Schüler, welche seine Ideen, seine Kompositionen in seinem Sinne auszuführen imstande waren.
Ein wichtiges Werk für das Verständnis der Leonardo-Werkstatt ist beispielsweise die „Madonna mit der Garnspindel“, die in zwei Fassungen erhalten ist. Beide wurden von Schülern ausgeführt. Das „Original“ Leonardos dürfte ein orginalgroßer Karton gewesen sein (vgl. „Anna Selbdritt“ in London), der von seinen Schülern in Malerei übertragen wurde. Anhand der Gemälde war Leonardo in der Lage, seine „idea“ zu überprüfen. Ähnliches lässt sich auch über den „Jungen Salvator“, die „Leda“ sagen. Diese Kartons wurden auch über Jahrzehnte in der Werkstatt verwahrt, weiterbearbeitet, wiederholt und korrigiert. Diese Haltung und Werkstattpraxis erklären, warum Leonardo so wenige Themen darstellte und sich vieles wiederholt.
Künstlerisches Ziel Leonardos war, die menschlichen Körper mit ihrer Umgebung verschwimmen zu lassen. Das so genannte sfumato, für das Leonardos Stil bekannt ist, bezeichnet einen graduellen Farbübergang. Dadurch entsteht Atmosphäre im Bild, was das Volumen der Körper zurückdrängt. Leonardo da Vinci erreichte diesen Eindruck, indem er sehr tonale, erdtonige Bilder malte.
Einige von Leonardos Schülern oder Nachfolgern übertrieben gleichsam diesen Effekt, wie ein anonymer lombardischer Meister in „Christuskind umarmt ein Lamm“ (1520–1530) demonstriert. Auch das Giovanni Antonio Boltraffio zugeschriebene Gemälde „Der junge Salvator“ (um 1490–1495, Museo Lázaro Galdiano, Madrid) weist in dieser Richtung. Dass Künstler der nachfolgenden Generation wie Andrea del Sarto diese Ästhetik noch immer attraktiv fanden, zeigt dessen „Hl. Johannes der Täufer mit dem Lamm“ (um 1516, Prado). Sarto lässt den Johannesknaben aus dem Dunkel auftauchen und nutzt die Dramatik der weichen Lichtführung und sanften Modellierung mit dem Schatten.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Leonardo als Lehrer Wert auf die Beobachtung und das Verständnis von Lichtführung und Wirkung des Lichts auf Farbe und Formen. Offenbar hielt Leonardo seine Schüler nicht an, ihren persönlichen Stil zu ändern, solange sie dieses Konzept übernahmen. Sie durften seine Kompositionen in unterschiedlichen Handschriften ausführen. Deshalb unterscheiden sich die Werkstatt-Kopien und Fassungen von Leonardos Kompositionen in der Handschrift – aber auch in der Malweise. Einige seiner Schüler nutzten ihre Finger, um die Farbe zu verwischen, andere hingegen imitierten die Technik Leonardos und bauten winzige Netzwerke aus roten und weißen Strichen über einem grauen Hintergrund. Diese Details lassen sich nur in Makrofotografien nachvollziehen.
Technische Studien haben in den letzten Jahren bestätigt, dass die Kopien von Leonardos am meisten bewunderten Werken – die der Mona Lisa, der Heiligen Anna und des Salvators Mundi (Granay Fassung) (vgl. → Leonardo da Vincis „Salvator Mundi“ für 450 Mio. USD verkauft) – in seiner Gegenwart und unter seiner Aufsicht geschaffen wurden. Sie sind alle sehr sorgfältig mit teuren Materialien ausgeführt und weisen doch die Handschriften der noch nicht namentlich identifizierten Künstler auf. Die zeitliche Abfolge der Werke und das Wissen über die lange Ausführungszeit von Leonardo selbst legen nahe, dass der Meister die Werke seiner Mitarbeiter auch zu Korrektur seiner Kompositionen einsetzte.
In Bezug auf die „Mona Lisa“ weisen beide Infrarotreflektogramme große Überschneidungen auf. Unter der Oberfläche der Malschichten – in der Untermalung – zeigen sie identische Details. Daraus lässt sich ableiten, dass die Pariser und die Madrider „Mona Lisa“ nebeneinander entstanden. Obschon einige kreative Veränderungen in der Unterzeichnung im Prado-Bild fehlen, welche die Louvre-„Mona Lisa“ aufweist. Die Prado-„Mona Lisa“ zeigt folglich eine bereits geklärte Fassung - und dennoch handelt es sich nicht um eine strenge Kopie! Da auch das Madrid Bild Korrekturen und freie Überarbeitungen offenbart, handelt es sich um freie Kopie, die ebenfalls einem komplexen kreativen Prozess unterworfen war.
Leonardos Komposition von „Leda und er Schwan“ ist nur in frühen Zeichnungen der Haltung und der Frisur überliefert. Ob es je einen Karton gegeben hat, ist noch strittig. Erhalten sind ausschließlich Fassungen seiner Schüler, die wohl auf Grundlage seiner Zeichnungen einer stehenden oder knienden Leda ausgeführt wurden. Alle bekannten Gemälde – bis auf die Fassung von Giampietrino in Kassel – zeigen die stehende Figur. Die Herausforderung für diese Maler bei der Darstellung des Motivs bestand darin, Körper und Landschaft zu kombinieren und Haare und Vegetation als Elemente zu nutzen, um Bewegung zu vermitteln. Das Infrarotreflektogramm von Giampietrinos „Leda“ offenbart, dass die Komposition vom Karton (ein Original von Leonardo?) auf mechanische Weise übertragen wurde. Unter der Leda-Komposition befindet sich zudem die Vorzeichnung für hl. Anna Selbdritt, was die komplexe Werkstattpraxis Leonardos und seiner Schüler offenbart. Je tiefer man in die Bilder hineinsehen kann, desto mehr Rückschlüsse lassen sich zu ihrer Entstehungsgeschichte ziehen. Der technologische Turn der Kunstforschung führt zurück in das Künstleratelier. Im Fall von Leonardo da Vinci hilft er zu verstehen, wie Ideenweitergabe, Werkentwicklung und Werkwirkung aufs engste miteinander verknüpft sind.
Kuratiert von Ana González Mozo, Leitende Technikerin in der Restaurierungsabteilung des Prado.