Max Pechstein (1881–1955) war ein deutscher Maler und Grafiker des Expressionismus. Der an der Dresdner Akademie ausgebildete Maler wurde 1906 Mitglied der „Brücke“. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Paris, wo er die Kunst der „Fauves“ studierte, entwickelte Pechstein gemeinsam mit Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff den charakteristischen „Brücke“-Stil. Da Pechstein in Berlin lebte, konnte er die expressionistische Malerei in der Hauptstadt propagieren, die „Neue Secession“ mitbegründen und Kontakte beispielsweise zu den Künstlern des „Blauen Reiter“ aufbauen. Die zunehmend restriktive Ausstellungspolitik seiner Kollegen führte zum Bruch und zum Ausschluss Pechsteins aus der „Brücke“ im Mai 1912.
1914 reiste Max Pechstein mit seiner ersten Ehefrau Lotte auf die Palau Inseln (Südsee), wo er zwei Jahre lang leben und arbeiten wollte. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs besetzten japanische Truppen die Inseln, und das Ehepaar Pechstein kehrte über New York nach Deutschland zurück. Nach Ende des Kriegs engagierte sich der Maler vornehmlich kunstpolitisch, wurde aber 1922 in die Preußische Akademie der Künste in Berlin und zum Professor ernannt. Während des NS-Staates war Pechstein mit Arbeitsverbot belegt und erlebte den Zweiten Weltkrieg in Pommern. Da sein Atelier und seine Wohnung in Berlin durch Bombentreffer zerstört wurden, sind viele Werke des Künstlers verloren. Pax Pechstein starb 1955 in West-Berlin.
Max Pechstein absolvierte eine Lehre als Dekorationsmaler in Zwickau (1896–1900), bevor er die Staatliche Kunstgewerbeschule in Dresden besuchte 1900–1902 und zwischen 1902 und 1906 an der Akademie der bildenden Künste in Dresden studierte. 1905 schloss er sein Malereistudium mit der höchsten Auszeichnung Sachsens ab, dem Sächsischen Staatspreis für Malerei („Rompreis“).
Als einziger akademisch ausgebildeter Maler trat Max Pechstein 1906 der Künstlergruppe „Die Brücke“ bei. Erich Heckel war ihm im Frühjahr auf der „Dritten Deutschen Kunstgewerbeausstellung“ (12.5.–31.10.) in Dresden begegnet, wo Pechstein eine Deckenmalerei ausgeführt hatte, deren leuchtende Farbgestaltung zu seiner großen Verärgerung durch Übermalung gemildert worden war. 1906 malte er noch einige wenige an Vincent van Gogh geschulte Werke, bevor Pechstein im September 1907 für ein Jahr zuerst nach Italien und dann nach Paris reiste.
„Beglückt entdeckten wir einen restlosen Gleichklang im Drang nach Befreiung, nach einer vorwärtsströmenden, nicht durch Konvention gehemmten Kunst.“1 (Max Pechstein, Erinnerungen)
Max Pechstein malte im Sommer 1907 gemeinsam mit Ernst Ludwig Kirchner in Goppeln bei Dresden. Bedeutend für die künstlerische Entwicklung Pechsteins – und der „Brücke“-Künstler – wurde die Begegnung mit der modernen französischen Malerei des Fauvismus. Nach einer Italienreise übersiedelte Max Pechstein vom 9. Dezember 1907 bis Ende Juli 1908 für ein Dreivierteljahr nach Paris. Dort lernte er die „Fauves“-Künstler kennen und setzte sich mit deren Farbkonzept und „wilder Malerei“ auseinander (→ Matisse und die Künstler des Fauvismus). Max Pechstein beteiligte sich mit drei Bildern an der Ausstellung „Indépendants“ und übersiedelte im Herbst 1908 nach Berlin. Trotz der räumlichen Trennung arbeitete Max Pechstein als einziges Mitglied außerhalb Dresdens an der Entwicklung des „Brücke“-Stils ab 1908 entschieden mit. Gemeinsame Malaufenthalte an den Moritzburger Teichen ermöglichten den direkten Austausch der Künstler untereinander. Neben Van Gogh spielte in dieser Phase auch das Werk von Edvard Munch eine entscheidende Rolle für die Ausprägung des gemeinsamen „Brücke“-Stils. Der fauve-geprägte Stil erfährt ab 1909 eine Erweiterung, wird flächiger und farbintensiver. Zwischen 1909 und 1911 ähneln die Gemälde Pechsteins frappant jenen von Kirchner und Heckel.
„Wir erkannten unser gleiches Sehnen, unsere gleiche Begeisterung für die gesehenen van Goghs und Munchs […], für letzteren war Kirchner begeisterter.“2 (Max Pechstein über Edvard Munch, 1919)
Als erste Künstler der „Brücke“ lebte und arbeitete Max Pechstein in Berlin am Kurfürstendamm, wo er 1909 Mitglied der „Berliner Secession“ wurde. Obschon er in der Hauptstadt wohnte, riss der Kontakt zu den „Brücke“-Künstlern nicht ab. Ende August malte Max Pechstein zum ersten Mal gemeinsam mit Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner an den Moritzburger Seen. In dieser Zeit prägte Pechstein gemeinsam mit seinen Kollegen den charakteristischen „Brücke“-Stil aus: kantige Formen, schnell gesetzte Striche, intensive und kontrastreiche Farben. Das an Van Gogh orientierte Impasto wurde zugunsten einer flüssigeren Malerei aufgegeben. Vor allem Pechsteins Sommeraufenthalte in Nidden (heute: Litauen) in den Jahren 1909, 1911 und 1912 erlaubten dem Maler in aller Einsamkeit seinen Stil weiterzuentwickeln. Anfangs widmete er sich der Landschaftsmalerei (1909), dann der Verbindung von Akt und Natur (nach der Eheschließung 1911), schwarzen, eckigen Konturen und einer Zurücknahme der Buntfarbigkeit sowie der Hinwendung zu einer kubischen Formensprache (Herbst 1912). Pechsteins Auseinandersetzung mit Orphismus, Kubismus und Futurismus hatten eine starke Formvereinfachung und gleichzeitig Reduktion auf stereometrische Grundelemente zur Folge. Max Pechstein wandte sich 1912 vom Expressionismus ab.
Im Frühjahr 1910 wurden die im vergangenen Spätsommer entstandenen Bildern nicht zur „Frühjahrsausstellung“ der „Berliner Secession“ zugelassen. Max Pechstein trat aus und wurde ein Mitbegründer der „Neuen Secession“ in Berlin. Max Pechstein gestaltete das Plakat mit der Darstellung einer nackten Schützin mit Pfeil und Bogen. In diese Zeit fällt auch die Bekanntschaft mit den Malern Franz Marc und August Macke, wodurch Pechstein gute Kontakte zum „Blauen Reiter“ in München aufbauen konnte.
1911/12 intensivierte sich die Zusammenarbeit von Max Pechstein mit den anderen „Brücke“-Künstlern, allen voran Ernst Ludwig Kirchner. Pechstein und Kirchner gründeten 1911 das MUIM-Institut (Moderner Unterricht in Malerei) in Berlin. Einerseits wollten die beiden Maler ihre revolutionäre Kunstauffassung an angehende Künstler vermitteln, andererseits sollte ihnen der Unterricht ein regelmäßiges Einkommen sichern. Im Dezember 1912 mussten sie sich jedoch eingestehen, dass sie mit ihrem Plan gescheitert waren. Aufgrund mangelnden Erfolgs musste das MUIM aufgelöst werden. Dem Austritt der „Brücke“ aus der „Neuen Secession“ folgt der Beschluss, nur noch gemeinsam auszustellen. Max Pechstein fühlte sich dadurch in seiner Entwicklung gehemmt und orientierte sich neu. Am 15. Mai 1912 schließlich wurde Pechstein aus der „Brücke“ ausgeschlossen, weil er im Alleingang in der „Berliner Secession“ ausgestellt hatte. Die von Pechstein gestaltete Jahresmappe 1912 der „Brücke“ sollte anfangs nicht mehr verschickt werden. Nach Protesten der passiven Mitglieder konnten sich die Künstler aber dann doch noch dazu entscheiden. Am 27. Mai 1913 lösten sich die Künstlergruppe aufgrund persönlicher Streitigkeiten auf.
Am 9. Mai 1914 reisten Max Pechstein und seine Frau Lotte von Berlin in Richtung Südsee ab. Das Paar ging am 11. Mai in Genua an Bord des Ozeandampfers „Defflinger“. Das Ziel Pechsteins waren die Palau-Inseln, die, nördlich von Papua-Neuguinea gelegen, seit 1899 zum Deutschen Kaiserreich gehörten. Damit war er neben Emil Nolde der einzige deutsche Künstler der Moderne, welcher der Orientierung an den bewunderten, weil vermeintlich „primitiv“ (d.h. einfach) gestalteten Objekten in den Völkerkundemuseen eine Reise zum Ursprung der Kulturen folgte. Pechsteins Kunsthändler Gurlitt finanzierte die Reise vor.
Wie auch seine Zeitgenossen sah Max Pechstein die Bewohner der Südsee als „unzivilisiert“ und träumte von einem „irdischen Paradies“, das er zuvor nur während seiner Sommeraufenthalte inszenieren konnte. Jahre zuvor hatte er in Dresden, Paris und Berlin die Sammlungen der Völkerkundemuseen besichtigt und dort außereuropäische Artefakte studiert. Nun plante das Ehepaar Pechstein zwei Jahre auf den Palau Inseln zu bleiben. Während Pechstein mit den Einheimischen leben wollte, versuchten die deutschen Kolonialbeamten sie nach ihren Vorstellungen zu formen. Der Maler erwarb sogar ein Kanu und wollte Land kaufen. Vor Ort schrieb, skizzierte und aquarellierte Pechstein seine Umgebung und die Menschen. Von dieser Reise hat sich ein einziges Gemälde erhalten, die „Monsunstimmung in Palau“ (1914), das einen für die Pazifikinseln typischen Sandstrand mit Palmen wiedergibt. Während er jedoch die Farben der Vegetation poetisch besang, verschloss er seine Augen vor den Repressalien der deutschen Kolonialherren.
Max Pechteins Sehnsucht nach einem paradiesischen, abgeschiedenen Leben auf den Palau Inseln wurde nach nur vier Monaten jäh durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und die anschließende Besetzung der deutschen Kolonie durch japanische Truppen unterbrochen. Einem kurzen Aufenthalt in Nagasaki folgte eine abenteuerliche Reise über die USA nach Deutschland. Dadurch konnte Pechstein nur wenige Skizzen und Aquarelle seines Aufenthalts retten. Und erst drei Jahre nach seinem Inselerlebnis, im Jahr 1917, setzte er seine Notizen und Erinnerungen in Gemälde um. Zeit seines Lebens verklärte der deutsche Avantgardist den Aufenthalt in der Südsee zum Schlüsselerlebnis seiner Kunst.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs besetzten japanische Soldaten die Inseln. Max Pechstein geriet in japanische Kriegsgefangenschaft (Nagasaki). Über Shanghai, Manila und New York kehrte Pechstein erst 1915 wieder nach Deutschland zurück.
Max Pechstein leistete seinen Militärdienst 1915/16 an der Westfront ab. Nach seiner Freistellung 1917 konnte er nach Berlin zurückkehren, malte allerdings in den folgenden drei Jahren Max Pechstein kaum.
Stattdessen engagierte sich Max Pechstein im Kunstbetrieb: Er wurde 1918 Mitbegründer des sozialistischen „Arbeitsrats für Kunst“ und der „Novembergruppe“ gemeinsam mit dem Architekten Erich Mendelsohn (1887–1953) und dem Bildhauer Rudolf Belling (1886–1972).
Erst ab 1920/21 begann sich Max Pechstein wieder künstlerisch zu betätigen. Die steigende Anerkennung seines Werks lässt sich an der Mitgliedschaft bei der Preußischen Akademie der Künste in Berlin und Ernennung zum Professor (1922) nachvollziehen. Dem folgte 1928 Preußischer Staatspreis. Durch den Bruch mit dem Kunsthändler Gurlitt 1923 war Max Pechstein finanziell schwer angeschlagen. Finanzielle Unterstützung kam durch Pechsteins Förderer Dr. Minnich in Montreux (Schweiz).
Im NS-Staat wurden Max Pechstein und seine Kunst verfolgt. 1933 erhielt er ein Ausstellungsverbot, 1935 wurde er aus dem Lehramt entlassen Pechstein nutzte die Ausstellung in der Galerie Lilienfeld in New York dazu, einige seiner Bilder dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entziehen.
1937 wurde Max Pechstein als „entarteter Künstler“ diffamiert und sein Ausschluss aus der Preußischen Akademie der Künste erzwungen. Die Nationalsozialisten entfernten 326 seiner Arbeiten aus deutschen Museen. Auf der Propagandaaustellung „Entartete Kunst“ in München wurden 16 Werke von Max Pechstein präsentiert.
Während der Kriegsjahre hielt sich Max Pechstein abwechselnd in Berlin, Leba sowie am Koser See auf. In den letzten Jahren zog er sich ganz nach Pommern zurück. 1945 wurden Max Pechstein und seine Frau zum Arbeitsdienst verpflichtet. Durch die Zerstörung von Wohnung und Atelier des Künstlers in Berlin gingen viele Werke Pechsteins verloren.
Nach dem Kriegsende erhielt Max Pechstein eine Professur an der Hochschule für bildende Künste in Berlin. Neuerlich wurde ihm die Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie der Künste angetragen. Jahrzehnte nach der Südsee-Reise widmete er sich in einigen Werken wieder dieser offensichtlich einschneidenden Erfahrung. In den Jahren 1946/47 verfasste Pechstein seine „Erinnerungen“, die allerdings er 1960 (posthum) erschienen.
Am 19. Juni 1955 starb Max Pechstein in West-Berlin.