Nasreen Mohamedi
Wer war Nasreen Mohamedi?
Nasreen Mohamedi (Karatschi 1937–1990 Kihim) war eine indische Künstlerin der Abstraktion (→ Abstrakte Kunst). Mohamedi gilt als eine der wichtigsten indischen Künstlerinnen der Moderne.
Kindheit & Ausbildung
Nasreen Mohamedi wurde 1937 in Karatschi, Indien (ehemals Westpakistan), als eines von acht Kindern geboren. Mohamedi lebte schon in jungen Jahren ein kosmopolitisches Leben. Sie wurde in die elitäre Tyabji-Familie hineingeboren, eine Suleymani-Bohra-Familie: Ihre Mutter starb, als sie noch sehr jung war. Ihr Vater besaß unter anderem ein Geschäft für Fotoausrüstung in Bahrain. Ihre Familie zog 1944 nach Mumbai.
Mohamedi studierte von 1954 bis 1957 an der St. Martins School of Art in London. Nachdem Mohamedi kurz mit ihrer Familie in Bahrain gelebt hatte, studierte sie von 1961 bis 1963 als Stipendiatin in Paris, wo sie auch in einem Atelier für Druckgrafik arbeitete.
Indien
Nach ihrer Rückkehr nach Indien trat Nasreen Mohamedi dem Bhulabhai Institute for the Arts in Mumbai bei. Hier lernte sie Künstler kennen, darunter Vasudeo S. Gaitonde (1924–2001), Maqbul Fida Husain (1915–2011) und Tyeb Mehta (1925–2009).
Ihre erste Ausstellung hatte Nasreen Mohamedi 1961 in der Galerie 59 in Bombay. Dort traf sie den Vertreter der Abstraktion Jeram Patel (1930–2016), der später ihr Freund und Kollege wurde, während V. S. Gaitonde ihr Mentor war. Danach besuchte sie bis 1963 das Guillards Atelier in Paris.
Nasreen Mohamedi ließ sich 1972 in Baroda nieder, wo sie bis 1988 Bildende Kunst an der Maharaja Sayajirao University lehrte. Sie stellte auf der Triennale 1975 in Neu Delhi und 1985 in der Ausstellung „Indische Künstler in Frankreich“ im Centre National de Arts Plastiques in Paris aus.
Werke
Die Medien ihrer Kunst sind Zeichnung und Fotografie. Mohamedi arbeitete hauptsächlich mit feinen Gesten von Bleistift und Tinte auf Papier und experimentierte mit organischen Formen, zarten Gittern und dynamischen, scharfkantigen Linien. Ihre kosmopolitische Einstellung ermöglichte es ihr, auf eine Reihe ästhetischer Sensibilitäten zurückzugreifen, von der Poesie von Rilke und Camus über die klassische indische Musik bis hin zur modernistischen Architektur von Le Corbusiers Kapitol-Komplex in Chandigarh.
Als Nasreen Mohamedi Anfang der 1960er Jahre nach Indien zurückkehrte, löste sie sich vom Milieu der gegenständlichen Kunst, das im Indien nach der Unabhängigkeit allgegenwärtig war, und erarbeitete sich einen Platz in der indischen Moderne. Indem sie ihre Wahrnehmungen auf ihre Essenz, ihre Mittel auf das Wesentliche destillierte, entwickelte sie einen Stil jenseits jeder Kategorisierung. Nasreen Mohamedi ließ sich für ihre Strukturen von der Natur inspirieren und entfesselte die Poesie, die der Struktur innewohnt. Mohamedis Ziel war, durch die Form eine Einheit zwischen dem Äußeren und dem Inneren zu schaffen. Die Wellen im Meer, der Sand unter den Wellen, die Sonne über dem Meer, in Mohamedis Zeichnungen befinden sie sich alle auf einer einzigen Ebene, sind miteinander verbunden und anfällig für die sanfte Varianz der Wahrnehmung des Betrachters.
Bemerkenswerterweise arbeitete Nasreen Mohamedi in einem Umfeld, in dem narrative und figurative Kunst die Regel war. Mohamedis klares Streben und Entschlossenheit werden nur von der Spannung übertroffen, die durch die Linien schwingt. Indem sie die Starrheit des Rasters auflöst, erfüllt sie dieses mit einem Rhythmus, der zeitweise aufsteigt, abtaucht, sich ausdehnt und zusammenbricht. Wie die Bewegung des Sonnenlichts über einen Innenhof oder der Wind, der über Wasser streicht, sind sie in ihrer Form abstrakt.
Nasreen Mohamedi entwickelte neben ihren Zeichnungen eine parallele Praxis in Fotografie. Obwohl sie in ihrem Leben selten ausgestellt wurden, offenbaren sie ihr Engagement für das Medium seit der ersten Ausstellung in Talwar, NY (2003). Mohamedi setzte das Medium ein, um Struktur zu destillieren und Formen herauszuarbeiten. Die Fotografien geben einfache Objekte wieder, sie sind auf Hell und Dunkel reduziert, und scheinen universelle Wahrheiten jenseits des Logischen zu enthüllen. Zutiefst persönlich und so kontrolliert wie der Blick der Künstlerin, eröffnen sie eine neue Perspektive auf die Welt.
Nasreen Mohamedi reiste häufig ins Ausland und verbrachte Zeit in Kuwait, Bahrain, Japan, den Vereinigten Staaten von Amerika, der Türkei, und Iran im Laufe ihres Lebens. Reisen waren eine wesentliche Inspirationsquelle für Mohamedi, die ihr ganzes Leben lang fotografierte und Tagebücher führte. Sie wurde nicht nur von den Wüsten, der islamischen Architektur und der Zen-Ästhetik beeinflusst, sondern von einem Gefühl für Zeitlichkeit und ihrem Körper.
Während der 1980er verschlechterten sich Mohamedis motorische Funktionen allmählich, da sie an einer seltenen neurologischen Störung (Chorea Huntington) erkrankt war. Nasreen Mohamedi war jedoch in der Lage, die Kontrolle über ihre Zeichenhand zu behalten, und schuf bis zu ihrem Tod im Alter von 53 Jahren weiterhin die präzise, akribische Arbeit, für die sie bekannt wurde.
Tod & Nachruhm
Mohamedi starb 1990 im Alter von 53 Jahren.
Obwohl Nasreen Mohamedi zu Lebzeiten außerhalb Indiens relativ unbekannt war, war ihr Werk Gegenstand einer bemerkenswerten Wiederbelebung und hat seit 2000 zunehmend öffentliche Anerkennung gefunden. Mohamedis Werke wurden im Museum of Modern Art (MoMA) in New York, im Kiran Nadar Museum of Art in Neu-Delhi, auf der Documenta in Kassel, Deutschland, und in der Talwar Gallery ausgestellt, welche 2003 die erste Einzelausstellung ihrer Arbeiten außerhalb Indien organisierte.