Rembrandt van Rijn (1606–1669) verbrachte sein gesamtes Leben als Maler, Zeichner und Druckgrafiker in der Niederländischen Republik und war über die Landesgrenzen ein bekannter Künstler. Vor allem seine experimentellen Radierungen haben ihm internationalen Ruhm eingebracht. In Großbritannien setzte die Rembrandt-Manie bereits im 17. Jahrhundert ein, wenn der Meister auch vor allem für seine Druckgrafik geschätzt wurde. Nur wenige Zeichnungen und auch Gemälde dürften im Jahrhundert Rembrandts nach England gekommen sein. Schon im 18. Jahrhundert wurde Rembrandt als Maler wiederentdeckt und eine Rembrandt-Manie brach aus. Dieser Trend hielt auch noch im folgenden Jahrhundert an, ja wurde durch Reproduktionen, Ausstellungen und öffentlich zugängliche Museen noch gesteigert. Der Holländer wurde zum Idol der französischen und englischen Künstler-Radierer, die zur Jahrhundertmitte die originale Radierung wieder populär machten. Um 1900 war Rembrandt international so gefragt, dass einige wertvolle Gemälde auch nach Deutschland und in die USA verkauft wurden.
Großbritannien / Edinburgh: Scottish National Gallery
7.7. – 14.10.2018
#Rembrandt
Der Sohn eines Müllers wurde in Leiden geboren und dort auch ausgebildet. Er arbeitete als Porträtmaler und zog 1633 nach Amsterdam, wo er eine erfolgreiche Werkstatt begründete. Obwohl sich Rembrandt anfangs viel Zuspruch bei öffentlichen und privaten Auftraggebern verdiente, rutschte er in eine finanzielle Krise und wurde 1656 für Bankrott erklärt. Vermutlich hatte der Tod seiner ersten Ehefrau Saskia und die darauffolgenden gesellschaftlichen Verwerfungen wie auch seine exorbitante Kunstsammlung ihren Tribut gezollt. Obwohl finanziell ruiniert und in seiner Reputation angeschlagen, blieb Rembrandt bis zu seinem Tod 1669 in Amsterdam wohnhaft. Hier schuf er ein revolutionäres Spätwerk, das nur von wenigen Zeitgenossen gewürdigt wurde (→ Der späte Rembrandt: Maltechnik, Radierungen und Bankrott).
Der erste Biograf von Rembrandt van Rijn war Roger de Piles in „The Art of Painting“ (1706 auf Englisch übersetzt). Zwar kritisierte der französische Künstler, Diplomat und Theoretiker Rembrandts fehlendes Verständnis für die Kunst der Antike und der italienischen Meister (v.a. Raffael), aber die Ähnlichkeit seiner Porträts wäre ausdrucksstark und lebendig. Genauso lobte er auch Rembrandts Farbigkeit und effektvolle Hell-Dunkel-Malerei. Bis in das 19. Jahrhundert hinein blieben de Piles‘ Argumente vorherrschend in der Rezeption Rembrandts.
Nur wenige Gemälde dürften noch während der Lebzeiten von Rembrandt van Rijn nach Großbritannien gekommen sein. Wenn auch König Karl I. (Charles I, reg. 1625–1649) ein Faible für Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck hatte, so kam er wohl nur zufällig in Besitz von drei Werken des Niederländers. Zwei dieser Werke können identifiziert werden: „Selbstporträt“ (zugeschrieben, um 1629, National Museums Liverpool, Walker Art Gallery) und „Eine alte Frau“ (um 1629, Royal Collection).
Das Wissen über Rembrandt zog sich vor allem auf dessen Leistungen als origineller wie experimentierfreudiger Druckgrafiker. John Evelyn bezeichnete ihn in seinem Buch „Sculptura: or the History, and Art of Chalcography and Engraving in Copper“ (1662), der ersten Geschichte der Druckgrafik (incl. Mezzotinto!), als „unvergleichlich“. In der Folge wurde die Schabkunst (Mezzotinto) als perfekte Technik für das Kopieren von Rembrandts „dunklen“ Radierungen der Spätzeit entdeckt. Der bedeutendste frühe Sammler von Rembrandt-Drucken dürfte Richard Maitland, 4th Earl of Lauderdale, gewesen sein, dessen enorme Kollektion 420 Blätter des Holländers enthalten haben dürfte. Damit wäre bereits das gesamte druckgrafische Werk Rembrandts in Großbritannien en block bekannt gewesen. Die frühesten Bezüge zu Rembrandts Schaffen stellten die britischen Künstler Richard Gaywood und Edward Lutterell her.
Im Jahr 1723 erwarb William Cavendish, 2nd Duke of Devonshire, mindestens 225 Zeichnungen von Nicolaes Flinck, dessen Vater, Govert Flinck, bei Rembrandt in den 1630ern ausgebildet worden war. Nicolaes Flincks Zeichnungssammlung in Rotterdam wurde al seine der besten in ganz Europa abgesehen. Zur gleichen Zeit begannen sich englische Sammler für Rembrandts Landschaften und Historiengemälde zu interessieren. Noch vor der Jahrhundertmitte kamen das späte „Selbstporträt“ (1669, The National Gallery, London), „Die Beschneidung“ (1661, National Gallery of Art, Washington), „Das Gastmahl des Belsazar“ (1635, The National Gallery, London), und „Landschaft mit der Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ (1647, National Galleries of Scotland) über den Kanal. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts folgten „Eine alte Frau lesend“ (1655, Buccleuch Collection), „Mädchen am Fenster“ (1645, Dulwich Picture Gallery, London) und „Eine Frau im Bett (Sarah)“ (um 1647), die alle in Mezzotinto-Blätter reproduziert wurden.
Der Rembrandt-Hype war so stark, dass nicht nur Druck in einer Manier hergestellt, sondern die hochpreisigen Grafiken auch Ziel von Fälschungen, Kopien und Spott wurden. Auch Nachdrucke der erhaltenen Druckplatten – vor allem auf ausgesuchten Papieren – begannen zu kursieren. Berühmtes Beispiel ist Käpten William Baillie, der eine überarbeitete, limitierte Edition des „Hundertguldenblattes“ (um 1648 und 1775) herausgab. Erst der kritische Werkkatalog des Pariser Händlers Emde-François Gersaint, ein Freund von Antoine Watteau, der 1752 publiziert wurde, garantierte Sammlern Sicherheit in diesen Fragen.
Die beiden Porträts von Johannes Elison und dessen Ehefrau Maria Bockenolle sind signiert und mit 1634 datiert. Das Ehepaar lebte in Norwich, wo Johannes Elison der Reformierten holländischen Kirche vorstand. Dass die beiden etwas mit England zu tun haben, kann nur über Marias charakteristisch britischen Hut abgeleitet werden. Um 1634 besuchten die Elisons ihren Sohn Joan in Amsterdam, wo dieser vermutlich die beiden ganzfigurigen und daher kostbaren Bildnisse in Auftrag gab. Für Kleriker ist die Darstellungsform genauso ungewöhnlich wie sie selten in Rembrandts Werk vorkommt. Es wird daher vermutet, dass die Porträts mehr den Status des erfolgreichen Händlers Joan Elison widerspiegeln sollen.
William Hogarth, Thomas Hudson, Joseph Wright of Derby and Allan Ramsay, Sir Henry Raeburn und Sir Thomas Lawrence waren auf unterschiedliche Weise vom Werk Rembrandts beeinflusst. Sowohl seine ausgefeilte Maltechnik, eine Motive, allen voran aber seine tonige, warme Farbigkeit und das Helldunkel (chiaroscuro) beeindruckte Maler des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Vor allem Sir Joshua Reynolds zählte zu den Rembrandt-Liebhabern, legte er doch eine bemerkenswerte Sammlung an – darunter „Ein Mann in Rüstung (Achilles oder Alexander der Große?)“. Am stärksten ist die Orientierung am holländischen Barockmaler in den Jahren zwischen 1745 und 1770 zu spüren, in denen er das „Porträt von Giuseppe Marchi“ (1752, Royal Academy of Arts, London) und sein „Selbstporträt“ (um 1753–1758, Tate) schuf. Allerdings urteilte der britische Maler auch höchst negativ über Rembrandts „Nachtwache“ (1642, Rijksmuseum, Amsterdam), als er das monumentale Gemälde 1781 auf einer Reise durch die Niederlande im Original sah: „Das Schlechteste von ihm, das ich jemals sah.“
Um 1800 befanden sich Rembrandts „Die Mühle” (1645–1648, National Gallery of Art, Washington), ein weiteres spätes „Selbstporträt (um 1655, National Galleries of Scotland, Edinburgh) und „Titus an seinem Tisch“ (1655, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam) aufgrund der Französischen Revolution und den nachfolgenden Kriegen in Großbritannien. Ein Rembrandt musste also, so lässt sich aus diesen drei Bildern schlussfolgern, ein dunkles Bild sein, das von Licht-Schatten-Kontrast lebt. Der Ruhm des Porträtisten wurde so groß, dass sogar Fotografen wie die Pioniere David Octavius Hill und Robert Adamson versuchten, in die Fußstapfen des Alten Meisters zu treten.
Mit König George IV. (reg. 1820–1830) bestieg ein kunstsinniger Monarch den englischen Thron, der erstmals nach Karl I. aktiv Rembrandt-Werke kaufte. Rembrandt Zeichnungen aus dem Besitz des 1830 verstorbenen Malers Thomas Lawrence wurden international veräußert, während die Sammlung von Richard Payne Knight dem British Museum vermacht wurde. 1799 hatte das bedeutende Londoner Museum bereits die Druckgrafiken von Reverend Clayton Mordaunt Cracherode erhalten – 500 an der Zahl!
Im 19. Jahrhundert entdeckten vor allem Landschaftsmaler das Werk des Holländers. Beginnend mit Joseph Mallord William Turner. Vor allem „Die Mühle” inspirierte eine Vielzahl von Künstlern von Turner über John Crome bis John Constable. Die Avantgarden der viktorianischen Ära – die Präraffaeliten und deren Nachfolger, aber auch der Porträtist John Singer Sargent – hielten sich von Rembrandt eher entfernt. Für Singer Sargent war der erst Mitte des 19. Jahrhunderts wiederentdeckte Niederländer Frans Hals und dessen auffallend offener, als virtuos interpretierter Pinselstrich bedeutender für die Gestaltung der Society-Porträts (→ Frans Hals und die Moderne).
Einmal mehr war es im 19. Jahrhundert Rembrandt Druckgrafik, die von französischen Maler-Radierern zum Vorbild genommen wurde. In England griffen Sir Francis Seymour Haden, der auch eine große Rembrandt-Sammlung anlegte, und dessen Schwager James Abbott McNeill Whistler die Radierung wieder auf. Im Zuge der Wiederbelebung der Druckgrafik war es Whistler, der neue Standards einführte: eigenhändige Signatur der Abzüge und deren zahlenmäßige Beschränkung.
So war es auch Rembrandt van Rijn, dem wohl die erste „Blockbuster“-Ausstellung der Moderne gewidmet war: 1898 organisierte das Stedelijk Museum in Amsterdam und im folgenden Jahr die Royal Academy of Arts in London die größte Schau des holländischen Malers und Druckgrafikers.