Andy Warhols „Shot Sage Blue Marilyn“ wurde am Montag Abend in New York für rund 185 Mio. Euro versteigert, gibt das Auktionshaus Christie’s bekannt. Damit stieg der Pop Art Künstler Warhol nicht nur zu einem der teuersten Kunstschaffenden des 20. Jahrhunderts auf, nein, er überholte sogar Pablo Picasso!
Warhols Porträts von Marilyn Monroe (1926–1962) setzten erst im Spätsommer 1962 ein – kurz nach dem mysteriösen Tod der Filmdiva. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte der aus der Werbung kommende Warhol ein tragfähiges Konzept entwickelt, wie er die Leinwandhelden der frühen 60er Jahre in Ikonen verwandeln und so reliquiengleich verewigen konnte: Ein enger Ausschnitt mit einem En-face-Porträt, die Farben des Siebdrucks leuchtend oder gar Golden. Das von ihm verwendete Fotoporträt dürfte um 1952 im Rahmen der Filmdrehs von „Niagara“ entstanden sein. In einigen Drucken beschränkte sich der Künstler gar nur auf die leicht geöffneten Lippen der Diva, standen die doch für den ihr zugeschriebenen Sex-Appeal.
„Wenn du darüber sprichst, was ich tue, sag nicht Marilyn, Lily, Flowers, sondern sag einfach „Die Dinge, die er mag“ oder „die Wolken“. Es gibt keine Marilyn, keine Blumen, keinen elektrischen Stuhl, nur meine Wolken ...“1 (Andy Warhol 1967)
Die nun auktionierte, farbintensive Fassung entstand zwei Jahre später und gehört zu einer kleinen Serie außergewöhnlicher Monroe-Bildnisse (Juli bis August 1964). Warhol setzte eine aufwändige Kombination von Acrylfarbe, Siebdruck und Tinte auf Leinwand ein. Das Porträt zeigt das Konterfei der Schauspielerin vor türkis-blauem Hintergrund mit gelben Haaren, roten Lippen und türkisfarbenem Lidschatten in der Größe 101,6 × 101,6 cm. Neben dieser Version existieren noch drei weitere „Shot Marilyns“ mit orangem, rotem, türkisem und hellblauem Hintergrund. Die Serie besteht aus fünf Werken, die in der Factory geschaffen wurde. Alle „Shot Sage Blue Marilyn“ bis auf die türkisfarbene haben ein Einschussloch, was der Serie ihren Titel verlieh.
Kurz nach ihrer Fertigstellung Ende 1964 hatte die Aktionskünstlerin Dorothy Podber mit einem Revolver auf die Bilder geschossen. Die am häufigsten wiederholte Erzählung dieses „Happenings“ weiß zu berichten, dass die Künstlerin in der Factory mit einer Dogge und ihren Freunden aufgetaucht ist, und fragte, ob sie auf die Porträts „schießen“ dürfte. Da das englische Wort „shoot“ auch bedeuten hätte könnten, dass Podber eine Fotografie schießen wollte, sagte Warhol zu. Daraufhin holte die Aktionskünstlerin einen Revolver aus ihrer Handtasche, richtete diese auf Warhol selbst und schoss, danach auf die hintereinander aufgestellten Marilyn-Porträts. Der Schuss ging durch die Stirn der Bildnisse – nur eine Fassung blieb verschont. Warhol hatte sich ob des Auftritts so erschreckt, dass Dorothy Podber nicht mehr in die Factory kommen durfte. Er selbst verschloss und übermalte die Einschusslöcher, die jedoch bis heute zu erkennen sind.
Die „salbeiblaue [Sage Blue]“ Marilyn befand sich bisher in der Privatsammlung der Züricher Kunsthändler Doris und Thomas Ammann, die den Erlös des Verkaufs zur Gänze in karitative Zwecke fließen lassen wollen, wie Christie’s anmerkte. Die Auktion verlief mit etwa vier Minuten höchst kurz. Den Zuschlag könnte nach Medienberichten der US-Kunsthändler Larry Gagosian erhalten haben – wobei unklar ist, ob er Warhols „Shot Sage Blue Marilyn“ für sich selbst oder einen Kunden bzw. eine Kundin erworben haben könnte. Bereits vor dem Ereignis gestern war das Werk auf etwa 200 Mio. taxiert worden. Dabei dürfte der Erwerb der orangen Version der „Shot Marilyns“ durch den US-Hedgefonds-Milliardär und Kunstsammler Kenneth C. Griffin im Jahr 2018 Ausgangspunkt gewesen sein. Der Chef von Citadel soll das Bild für damals kolportierte 200 bis 250 Mio. Dollar gekauft haben.
Nach dem „Savator Mundi“ Leonardo da Vincis, der 2017 für über € 427 Mio. versteigert worden war, gehört Warhols „Shot Sage Blue Marilyn“ nun zu den teuersten Kunstwerken der Welt. Der übermalte Siebdruck überholte sogar Pablo Picassos „Die Frauen von Algier“, das 2015 für 179,4 Mio. Dollar auktioniert worden war.