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Yayoi Kusama: Performance und Malerei Ausstellung "In Infinity" 2016/2017

Yayoi Kusama, Dot Obsession, 2015, Installation, Spiegelglas, Ballons, Malerei, Punkte, ca. 103,3 x 123 cm.

Yayoi Kusama, Dot Obsession, 2015, Installation, Spiegelglas, Ballons, Malerei, Punkte, ca. 103,3 x 123 cm.

Die 86-jährige Künstlerin Yayoi Kusama (* 1929) ist ein Super-Star der japanischen Kunst, eine Seismografin des Zeitgeist, Kritikerin von Machtstrukturen, innovative Denkerin. Bereits im frühen Alter von 16 Jahren begann die Japanerin auszustellen, im Jahr 1957 emigrierte sie in die USA. Kusamas Eltern finanzierten die Reise, nachdem sie ihrer Tochter das Versprechen abgerungen hatten, nie mehr nach Japan zurückzukehren. In New York zählten Georgia O’Keeffe, Donald Judd und Joseph Cornell zu ihren wichtigsten Freunden und Unterstützern. Kusama erfand die Genres Installation und Happening mit. Sie wird abwechselnd zur Konzeptkunst, zum Minimalismus, zur Psychedelischen Kunst gezählt, wurde aber auch schon als Surrealistin, Pop Artist und Feministische Künstlerin bezeichnet.

Der die Ausstellungen begleitende Katalog beinhaltet eine konzise und gut erfasste Einführung in Leben und Werk von Marie Laurberg. Jo Applin untersucht die psychologische Subjekt-Objekt-Beziehung und Stefan Würrer das schriftstellerische Werk, aus dem im Anschluss vier Gedichte abgedruckt werden.

Punkte überall

„Ich sah auf das rote Muster der Tischdecke, als ich aufblickte, bedeckte dasselbe rote Muster die Decke, die Fenster und die Wände, und schließlich den ganzen Raum, meinen Körper und das Universum. Ich begann mich selbst aufzulösen, und fand mich in der Unbegrenztheit von nicht endender Zeit und in der Absolutheit der Fläche wieder. Ich reduzierte mich auf ein absolutes Nichts.“1 (Yayoi Kusama)

Seit ihrer Kindheit leidet Kusama an Angstzuständen und Halluzinationen, darunter Angst vor phallischen Objekten, Sexualität2, Essen. Ihre persönliche Wahrnehmung und ihre Visionen sind die Quellen ihrer Inspiration.

Kusamas Mentorin, die amerikanische Malerin Georgia O’Keeffe, förderte sie von 1955 an, da war Kusama gerade einmal 26 Jahre alt und auf dem Sprung von Asien in die USA. Aus dem Rückblick betrachtet, bestand der Kern ihrer Arbeiten schon damals aus dem exzessiven Gebrauch von Mustern, von Punkten und der Ansammlung von identischen Elementen. Die Ausstellung im Louisiana setzt daher auch nicht erst mit den berühmten „Infinity Nets“-Gemälden wie „Untitled (No. White A.Z.)“3 (1958–1959) an, sondern mit seltenen, frühen Arbeiten auf Papier - wie „Leaf of Japanese Medlar“4 (1948) oder „Flowers and Flowerbed“5 (1953/um 1964) - aus dem Besitz der Künstlerin. Mit abstrahierenden Punkten und Anspielungen an die Natur gelang und gelingt es ihr, ein Gefühl von Unendlichkeit und Selbstauslöschung zu erzielen. Ihre Fantasien einer völligen Auflösung der Grenzen zwischen dem Individuum und seiner Umgebung werden ab Mitte der 1960er Jahre in Spiegel-Installationen und raumfüllenden Environments eingelöst. Marie Laurberg, Autorin des Haupttextes, führt Yayoi Kusamas Werk auf die „Verführung der Oberfläche“ (S. 8) zurück. Die Künstlerin selbst erklärt ihre Vorliebe für Punkte aus deren Symbolgehalt: „Ich habe sie zu einem Symbol von Liebe und Frieden gemacht.“6

Obsessionen

Das Frühwerk von den 1940ern bis in die 1950er Jahre ist kaum erhalten, da die Künstlerin vor ihrer Emigration in die Vereinigten Staaten viel zerstört hat. In den 1950ern begann sie mit einer umfangreichen Produktion von filigranen Arbeiten auf Papier. Gegen den Willen ihrer Eltern hatte Kusama ein Kunststudium in Kyoto (1948–1950) begonnen, wo sie in der traditionellen Nihonga Malerei ausgebildet wurde. Bald begann sie jedoch andere Techniken und Materialien in ihrer Malerei einzusetzen:7 Sie trug Tinte, Gouache und Pastell in dichten Schichten von Mustern oder biomorphen Figuren auf und arbeitete mit Materialeffekten. Nachdem sie 1957 in die USA emigriert war, malte sie erstmals in Öl und schuf „God of the Wind“8 (1955). Bald „wob“ sie mit ihrer Handschrift fast monochrome „Infinity Nets“, d. h. unendliche Netze, bestehend aus weißen, handgemalten Halbkreisen in Impasto über einem schwarzen Grund. Ihr längstes Gemälde maß über zehn Meter! Als Bilder ohne Zentrum, schrankenlos, mit deutlich ausgedrückter Angst vor der Leere, alles umarmend und auch alles verschlingend, könnte man sie beschreiben. Der Akt des Malens bleibt sichtbar. Die Entwicklung der Installationskunst in den frühen 1960er Jahren schließt hier fast nahtlos an. Yayoi Kusamas Kunstwerke können sowohl als Produkt wie als Abwehr gegen die mental-psychischen Störungen, an denen sie seit ihrer Kindheit in einem traditionsbewussten, kalten Elternhaus leidet, interpretiert werden.

1960 wurde Yayoi Kusama erstmals in einer europäischen Ausstellung vorgestellt: „Monochrome Malerei“ im Städtischen Museum, Leverkusen. Sie stellte gemeinsam mit Lucio Fontana, Yves Klein, Piero Manzoni und Mark Rothko aus. Eine Einzelausstellung in der Gres Gallery in Washington, DC folgte.

Penisangst

Mit den 1962 erstmals in der New Yorker Green Gallery ausgestellten „Accumulation Sculptures“ - einer Serie von weichen Skulpturen, die aus gefundenen Möbelstücken und weiß bemalten, mit Kapok weich ausgestopften, penisförmigen Stoffwürsten gefertigt waren - wurde sie zur (feministischen) Vertreterin der Pop Art. Alles kann von Kusama mit Penissen überzogen werden: Fauteuil, Hocker, Bügelbrett, Kleider, hochhackige Schuhe, Leinwände oder überhaupt der ganze Frauenkörper. Penisse sind dicht gedrängt und allgegenwärtig. Metaphorisch wohl ein nicht zu übersehener Hinweis auf die Machtverteilung auch im Kunst-Business und die herrschende Geschlechterordnung - und das nicht nur im traditionsbewussten Japan. Dazwischen immer wieder eine sich selbst inszenierende Yayoi Kusama, die um die Macht von Fotografien weiß und die Erotik ihrer Arbeiten durch laszives Posieren steigerte.

Wie man auch immer die Zuordnung Kusamas zur Pop Art beurteilen mag9, so wurde sie von Zeitgenoss_innen am Beginn ihrer Karriere im Zusammenhang mit Werken von Claes Oldenburg (→ 10 Dinge, die man über Claes Oldenburg wissen sollte), Andy Warhol, Robert Morris wahrgenommen. Dass der Minimalist Donald Judd einer ihrer besten Freunde war, sie eine sehr intensive Beziehung auch mit dem Künstler der Assemblage, Joseph Cornell, hatte und sich im selben Atelierhaus wie Eva Hesse einmietete, verkompliziert die künstlerische Einordnung Kusamas. Da ihr Werk höchst subjektiv begründet ist, fügt es sich in eine Reihe mit den (feministischen) Œuvres von Louise Bourgeois, Lygia Clark, Eva Hesse, Ana Mendieta, Theresa Hak, Kyung Cha, Annette Messager, Francesca Woodman, Gego und Cecilia Vicuña10.

Spiegelräume und Happenings

Ab Mitte der 1960er Jahre ging es Yayoi Kusama um eine „ästhetische Totalität, einem so einmalig wie außergewöhnlichen Raumkonzept, das den ästhetischen Ausdruck zu einem allumfassenden Ganzen“ macht. Ihr Interesse galt dabei auch dem Verhältnis von Betrachter_in und Werk, das eine ästhetische Atmosphäre schafft. Das führte zu einer Reihe von Installationen wie „Driving Image Show“ (1964), „Infinity Mirror Room – Phalli’s Field“11 (1965/2015) und der Lichtinstallation „Kusama’s Peep Show“ (1966). „Polka Dot Love Room“12 war 1967 die erste Installation, für die sie in der Internationale Galerij Orez in Den Haag einen ganzen Raum mit Punkten gestaltete. Fotografien von Harrie Verstappen zeigen Kusama in einem engen, roten Anzug, wie sie zwischen den bunt bemalten Mannequins in der Installation tänzerische Posen einnimmt. Für die Ausstellung im Louisiana wurde sie erstmals rekonstruiert und kann nur in ihrer Gesamtheit erlebt werden. Darüber hinaus wird die Installation mit Schwarzlicht beleuchtet, wodurch sich Figuren und Punkte optisch voneinander trennen und letzte zu schweben scheinen.

Kunst ist Leben - Mode ist Kunst

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre weitere Kusama ihre künstlerische Produktion derart aus, dass sie Marie Laurberg zu Recht mit Andy Warhol vergleicht (S. 22-23). Die japanisch-amerikanische Künstlerin gründete Firmen, um ihre Kunst zu organisieren, drehte einen preisgekrönten psychedelischen Film mit dem Titel „Kusama’s Self-Obliteration“ (1967), entwarf Mode, gründete die Zeitschrift „Kusama’s Orgy“ (1969) und veröffentlichte Pressemitteilungen, Künstlermanifeste, soziale Satiren wie den „Open Letter to My Hero, Richard Nixon“ (1968). Ihre erstmals steigenden Verkäufe konterkarierte sie mit einem lebhaften Interesse an Happenings, incl. einer Schwulen-Hochzeit (als Teil des Happenings „The Church of Self-Obliteration“, 1968), Body-Painting-Aktionen und Modeschauen, in denen der Kampf gegen das Establishment, Flower Power, Hippie Kultur, sexuelle Befreiung, alternative Lebensführung und Anti-Kriegs-Manifestationen miteinander verwoben wurden. Die Retrospektive vereint Kleidungsstücke mit Dia-Präsentationen, um diesen Aspekt von Kusamas Schaffen zu vermitteln: „Fashion Happening in the Studio / Backdrop Phalli’s Field“ (1968), „Fashion Show / Happening Inside the Mirror Room“ (1968) und „Models Wearing Kusama’s Fashion“ (1968) dokumentieren Kusamas eigene utopische Entwürfe.

Vor wenigen Jahren wurde dieses Interesse der Künstlerin wiederbelebt. Sie schuf ein Performancekostüm für eine Fashionshow 2000 von Issey Miyake’s APOC Kollektion. Internationale Aufmerksamkeit wurde ihr aber vor allem durch ihre Zusammenarbeit mit dem Label Louis Vuitton zuteil. Die Gestaltung der Schaufenster 2012 mit tentakelartigen, rot gepunkteten Fingern und mittendrin Yayoi Kusama selbst kann als Anspruch des Modeimperiums gedeutet werden, die Oberflächen ihrer Produkte mit dem Signet einer eigenständigen Künstlerin zu schmücken, deren Oberflächen bei aller Problematik doch erotisch aufgeladen werden.13

Gelber Kürbis mit schwarzen Punkten

Als Yayoi Kusama 1973 nach Japan zurückkehrte, fand ihr bildnerisches Werk eine Ergänzung in der Produktion von literarischen Texten.14 Sie mag wohl auch ihres erst kürzlich verstorbenen, amerikanischen Freundes Joseph Cornell gedacht haben, als sie in den 1970ern eine Serie von zarten, lyrischen Collagen aus Pflanzen, Vögel- und anderen Tierteilen vor schwarzem Grund fertigte, darunter „I Who Committed Suicide“ (1977). Diese „Zurückhaltung“ gab die Künstlerin schon Anfang der 1980er Jahre wieder auf und schuf raumfüllende Skulpturen sowie mit dem gelb-schwarzen Kürbis ihr zweites Markenzeichen. Überall kann er auftauchen, als Bronzeskulptur im öffentlichen Raum oder als „Mirror Room (Pumpkin)“15 (1991). Mit „Mirror Room (Pumpkin)“ (1991) kehrte Kusama auch wieder zu Installationen zurück und vertrat damit Japan auf der Biennale von Venedig (1993). Zu den beeindruckendsten Erlebnissen der Schau zählt sicherlich „Gleaming Lights of the Souls“16 (2008) aus dem Sammlungsbestand des Louisiana. Die von dieser Installation erzeugte Verunsicherung kann nur körperlich nachvollzogen werden, hier hilft der beste Katalog nichts, auch wenn die Abbildung die Auflösung der Raumgrenzen und die wundersame Fantasiewelt der Japanerin andeutet.

Yayoi Kusama in Infinity: Inhaltsverzeichnis

Marie Laurberg: Deep Surfaces. Yayoi Kusama in Infinity, S. 6-28.
Jo Applin: Kusama’s Object World: Infinity Mirror Room — Phalli’s Field, S. 44-51.
Stefan Würrer: The Woman Behind the Dots. On Yayoi Kusama’s Literary Work, S. 74-79.
Four poems by Yayoi Kusama, S. 80-83.
Signe Marie Ebbe Jacobsen: Biography, S. 114-123.

Biografie von Yayoi Kusama (* 1929)

Am 22. März 1929 wurde Yayoi Kusama als jüngstes von vier Kindern in der kleinen Provinzstadt Matsumoto, die etwa 200 km westlich von Tokio in den „japanischen Alpen“ liegt, geboren. Ihre wohlhabende Familie besaß einen Großhandel für Samen. Kusamas Erziehung basierte auf konservativen Werten und der kühlen Beziehung zwischen ihren Eltern.
1941–1944 Während des Zweiten Weltkriegs musste Kusama wie viele andere Schulkinder arbeiten, zuerst in der Landwirtschaft, dann in einer Textilfabrik, wo sie Militäruniformen und Fallschirme nähte.
1945 Begann zu malen und zu zeichnen. Erste Ausstellung mit 16 Jahren in der regionalen Zen-shinshū, die in verschiedenen Städten gezeigt wurde.
1948–1950 Gegen den Willen ihrer Eltern begann Kusama ein Kunststudium in Kyoto, wo sie in der traditionellen Nihonga Malerei ausgebildet wurde. Dafür benutzte sie japanische Materialien, der Nihonga Stil mit seinen festen Regeln entwickelte sich als Antwort auf die westliche moderne Kunst, nachdem sich Japan 1854 geöffnet hatte, und kann auch mit dem Nationalismus der Nachkriegszeit gewertet werden. Bald begann Kusama jedoch andere Techniken und Materialien in ihrer Malerei einzusetzen. Wachsende Teilnahme an tourenden Ausstellungen, die nach Tokio, Osaka und Kyoto gehen.
1952 Erste Einzelausstellung im Gemeindezentrum in Matsumoto.
1953 Die beiden Psychiater, Dr. Nishimaru und Dr. Uchimura, die Kusama wegen ihrer psychischen Probleme behandelten, sind fasziniert von ihrer Kunst. Aufnahme in die Académie de la grande Chaumière in Paris. Kusama entschied sich gegen einen Paris-Aufenthalt, da sie eine Einzelausstellung in Tokio vorbereitete.
1954 Erste Einzelausstellung in Tokio im Shiroki-ya Kaufhaus.
1955 Mehrere Einzelausstellungen in Tokio. Teilnahme an „The International Watercolour Exhibition: 18th Biennial“ im Brooklyn Museum in New York. Auf einer Ausstellung über amerikanischen Kunstbüchern sah Kusama ein Buch mit Reproduktionen von Arbeiten von Georgia O’Keefe. Im November schrieb sie einen Brief an die Künstlerin, in dem sie einige ihrer Aquarelle beifügte und nach Rat fragte, wie sie ihre Karriere in den USA beginnen könnte. O’Keefe schrieb zurück und ihre Korrespondenz hielt einige Jahre an.
1956 Kusama verbrannte das meiste aus ihrem frühen Werk, als sie sich vorbereitete nach Amerika zu übersiedeln. Dort erhoffte sie sich die künstlerische Freiheit, die ihr in Japan verwehr erschien.
1957 Kusama emigrierte nach Seattle/USA. Erste Einzelausstellung in Amerika in der Zoe Dusanne gallery.
1958 Im Juni Umzug nach New York. Lebte einfach und arbeitete hart an ihrer Karriere. Um ihr Visum zu behalten nahm sie Unterricht, darunter an der Kunstschule des Brooklyn Museums.
1959 Erste Ausstellung von Kusamas „Infinity Net“ Gemälden in einer Gruppenausstellung in Boston. Im Oktober erste Einzelausstellung in New York, in der Brata Gallery, wo sie auch „Infinity Nets“ präsentierte. Die Ausstellungen erhielten gute Besprechungen, darunter von Donald Judd, der als Kritiker arbeitete, bevor er Künstler wurde. Judd wurde ein enger Freund und Unterstützer für viele Jahre.
1960 Erste europäische Ausstellungsbeteiligung „Monochrome Malerei“ im Städtischen Museum, Leverkusen. Hier wurde sie gemeinsam mit Lucio Fontana, Yves Klein, Piero Manzoni und Mark Rothko präsentiert. Einzelausstellung in der Gres Gallery in Washington, DC.
1961 Kusama unterschrieb einen Vertrag mit der Stephen Radich Gallery in New York. Ihre erste Einzelausstellung in der Galerie ist gigantischen „Net“-Gemälden gewidmet. Stellte „Infinity Nets“ im The Whitney Museum of American Art, New York, in der Whitney Annual aus. Bekam ein Atelier im selben Haus wie Donald Judd und Eva Hesse. Kusama muss sich noch immer anstrengen, um über die Runden zu kommen, arbeitet schwer. Das führte zu Erschöpfung und Halluzinationen.
1962 Stellte „Accumulation Sculptures“ aus. Zwei weiche Skulpturen – ein Sofa und ein Sessel mit phallischen Formen aus Stoff bedeckt - wurden In der Green Gallery in New York gezeigt. Claes Oldenburg und Andy Warhol präsentierten auch Arbeiten in der Ausstellung, die später als eine der ersten Pop-Art-Ausstellungen bezeichnet wurde. Kusama zeigte verschiedene „Infinity Nets“ in der Ausstellung „Nul“ am Stedelijk Museum in Amsterdam.
1963 Kusama stellte „Aggregation: One Thousand Boats Show“ in der Gertrude Stein Gallery in New York aus: ein Boot, das sie und Judd auf der Straße gefunden haben, ist mit weiß bemalten phallischen Formen bedeckt und in einem Raum aufgestellt, dessen Tapete an Wänden und Decke 999 Mal ein Foto des Bootes wiederholt. Das ist Kusamas erste Rauminstallation und eines der frühesten Beispiele von Installationskunst überhaupt.
1964 Kusamas „Driving Image Show“ in der Richard Castellane Gallery in New York präsentierte mit Macaroni bedeckte Objekte und Akkumulation Skulpturen, die in einem Raum installiert sind, dessen Boden mit Macaroni bedeckt ist.
1965 Erste Spiegel-Installation in der „Floor Show“ in der Castellane Gallery „Infinity Mirror Room – Phalli’s Field“. Umzug in ein neues Atelier, das sie sich anfangs mit dem japanischen Künstler on Kawara teilte. Sie erhielt ein Stipendium von der Rockefeller Foundation, das ihr half ihre finanziellen Probleme zu lösen. Begann mit Happenings. Erste europäische Einzelausstellung in der internationalen Galerij orez in Den Haag.
1966 Die Multimedia Installation „Kusama’s Peep Show/Endless Love Show“ – ihre erste Lichtinstallation – eröffnete in der Castellane Gallery. Mit der Installation „Narcissus Garden“ erste Teilnahme an der Biennale von Venedig, obwohl sie nicht offiziell dazu eingeladen worden war: In der Nähe der Nationenpavillons in den Giardini platzierte sie 1.500 verspiegelte Plastikbälle. Verkaufte sie für 2 Dollars oder 1.200 Lire das Stück, wurde aber von den Biennale Verantwortlichen gestoppt. Die Installation wurde zum Teil von Lucio Fontana finanziert.
1967 Bezog Hippie- und Protestbewegungen in ihre Kunst ein. Für ihre Performances schlossen immer größere Gruppen von Menschen ein. Im Januar erstes von vielen Body paint Festivals in der St. Patrick’s Cathedral, das das Verbrennen von Fahnen beinhaltete. Im Juni sandte Kusama die Einladungen für „Self-Obliteration: An Audio-Visual-Light Performance“ im Black Gate Theater in New York aus. In all ihren Performances bemalte Kusama die Körper der Performer, die Umgebung und sich selbst, um die „Auslöschung“ zu erzielen. Produzierte „Kusama’s Self-Obliteration“, ein Experimentalfilm, in dem sie Ausschnitte ihrer frühen Arbeiten, gepunktete Traumlandschaften und Szenen von ihren orgiastischen Happenings einbaute. Im folgenden Jahr gewann der Film auf verschiedenen Festivals.
1968 Kusama begann öffentliche Happenings in New York zu organisieren, darunter an der New York Stock Exchange (Börse), der Freiheitsstatue, an der Alice im Wunderland Statue im Central Park, im UNO Gebäude und zwei Tage vor der Präsidentenwahl am Board of Elections. Sie malte Punkte auf nackte Performer und dirigierte sie, während sie selbst angezogen blieb. Bei einem späteren Happening trugen die Performer Masken von Präsidentschaftskandidaten. Nachdem Richard Nixon gewählt worden war, schrieb Kusama einen offenen Brief an „My Hero R. Nixon“, den sie auf einem Body Happening weitergab. Im November inszenierte sie eine homosexuelle Hochzeit, für das sie ein „Orgien Hochzeitskleid“ für zwei entwarf. Trat am Fillmore East neben Fleetwood Mac und anderen Bands auf.
1969 Eröffnete einen Modeladen in der 6th Avenue, den Kusama Fashion co., Ltd. Hier verkaufte sie ihre Entwürfe unter dem Label „Nude Fashion company“. Einige ihrer Kleider haben Löcher, um Teile des Körpers zu präsentieren. Entwarf Kleider für Bloomingdale’s. Im August führte Kusama die Intervention „Grand Orgy to Awaken the Dead at MoMA (Otherwise Known as the Museum of Modern Art) – Featuring their Usual Display of Nudes“ auf. Veröffentlichte ein Magazin für Leser über 21 Jahren mit dem Titel „Kusama presents an orgy of Nudity, Love, Sex & Beauty“. Gründete eine Firma, „Kusama enterprise“, mit der sie ihre verschiedenen künstlerischen Aktivitäten organisierte. Kusama hatte sich langsam von der Galerieszene entfernt.
1970 Inhaftiert wegen Obszönität, als sie ein Akt-Happening in Tokio aufführen wollte. Nach drei Monaten in ihrem Heimatland kehrte sie nach New York zurück.
1971–1972 Happenings und Modeschauen in Europa. Begann, über ihre Erfahrungen zu schreiben. Joseph Cornell, mit dem Kusama eine über zehn-jährige, enge Freundschaft verband, starb 1972.
1973–1974 Kusama kehrte nach Japan zurück. Sie arbeitete in Keramik, Aquarell und Collage. Schrieb Gedichte und Romane. Tod des Vaters (Juni 1974).
1975 Erste Präsentation ihrer Collagen in der Ausstellung „Message of Death from Hades“ in der Nishimura Gallery, Tokio.
1977 Nachdem sie wegen wiederholter Panikattaken und Halluzinationen im Krankenhaus war, entschied sie sich, ständig in eine Nervenheilanstalt zu übersiedeln. Hier lebt sie auch heute noch.
1978 Erste Veröffentlichung eines Romans „Manhattan Suicide Addict“. Bis 1999 publizierte sie 23 Kurzgeschichten und Romane sowie einen Gedichtband.
1982 Die Fuji Television Gallery in Tokio stellte Kusamas neue große Gemälde und Skulpturen aus. Eine Einzelausstellung in der Naviglio Gallerie in Mailand markierte ihre Rückkehr zur europäischen Galerieszene.
1983 42 Werke von Kusama sind in der Ornis Gallery (vorher Orez) in Den Haag, Niederlande, ausgestellt.
1984 Kusama veröffentlichte ihren zweiten Roman „The Hustler’s Grotto of Christopher Street“, mit dem sie den wichtigen Yasei Jidai Preis gewann. Tod der Mutter. Ausstellung in der Fuji Television Gallery.
1987 Erste große Retrospektive im Kitakyushu Municipal Museum of Art.
1989–1990 Erste amerikanische Retrospektive im Center for International Contemporary Arts in New York. Dadurch wurde neues Interesse an ihrer Arbeit wach.
1991–1992 Führte eine „Self-Obliteration“ Performance in Ginza, Tokio, auf: Kusama bedeckte die Zuhörer_innen, Journalisten und ihre Umgebung mit Punkten. Auftritt im Film „Tokyo Decadence“ vom Autor Ryu Murakami.
1993 Vertrat Japan auf der Biennale von Venedig, darunter „Mirror Room (Pumpkin)“ (1991). Erstmals ist der japanische Pavillon einer Einzelpräsentation gewidmet, was Kusamas steigende Berühmtheit dokumentiert.
1994 Ein großer, gelber Kürbis, Kusamas erste Arbeit im öffentlichen Raum, wurde auf der kleinen Insel Naoshima installiert. Dort befinden sich drei Kunstmuseen und zwei Hotels, die Tadao Ando entworfen hat. Der gelbe Kürbis wurde zum Erkennungszeichen von Kusama und der Insel.
1995–1998 Zahlreiche internationale Ausstellungen, darunter „Love Forever: Yayoi Kusama 1958-1968“ in Los Angeles, New York, Minneapolis und Tokio.
1999 Anlässlich ihrer Ausstellung „Love Forever: Yayoi Kusama 1958-1968“ in Tokio fand eine Ergänzung mit über 200 früheren und späteren Arbeiten statt. Damien Hirst interviewte Kusama für den Ausstellungskatalog „Yayoi Kusama Now“ der Robert Miloler Gallery, New York.
2000 Kehrte zu großen Spiegel Installationen zurück, die nun durch Hunderte kleiner Lichter ergänzt wurden, die ihre Farben änderten. Dazu zählt auch „Gleaming Lights of the Souls“ (2008) im Louisiana Museum, Dänemark. Zusammenarbeit mit dem Modedesigner Issey Miyake für ein Event in Paris.
2001 Retrospektive mit fast 300 Arbeiten in Matsumoto gezeigt.
2002 Zusammenarbeit mit dem aus Osaka stammenden Creative Cooperative Graf für eine Möbel-Linie und Stoffe, die auf dem Sterne und gelber Baum Muster der Künstlerin basierte. Kusamas Autobiografie „Infinity Net“ wurde auf Japanisch veröffentlicht. Erste Einzelausstellung in Österreich, in der Kunsthalle Wien.
2003 Teilnahme an der Echigo-Tsumari Trienniale in Niigata, Japan. Gleichzeitig veranstaltete sie eine Fashionshow und eröffnete einen Modeladen.
2004 Eröffnung von „KUSAMATRIX“ im neuen Mori Art Museum in Tokio, darunter die große Rauminstallation „Dots Obsession“. Während des Ausstellungsaufbaus zeichnete Kusama mit einem schwarzen Filzstift ein großes Gemälde direkt auf die Wand. In der folgenden Serie von 50 Gemälden, „Love Forever“, setzte sie diesen Schwarz-Weiß Stil fort.
2005 In Verbindung mit der Yokohama Triennale gestalteten Kusama und das Design Team Graf Media ein Café.
2006 Teilnahme an der Singapur Biennale mit der Verhüllung von Baumstämmen „Ascension of Polka Dots on the Trees“. Erhielt für ihr Lebenswerk zwei große japanische Preise.
2009 Begann eine neue Serie, „My Eternal Soul“, mit 100 großen Leinwänden in leuchtenden Farben.
2010 Teilnahme an der ersten Aichi Triennale in Nagoya mit Skulpturen, Freiluftwerken und einer Installation mit Möbel. Toyota Autos mit Kusamas charakteristischen Punkten fahren zwischen den verschiedenen Veranstaltungsorten der Triennale.
2011 Große Retrospektive in der Tate Modern in London (2012), dem Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia in Madrid, dem Centre Pompidou in Paris und dem Whitney Museum of American Art, New York. Kusamas Autobiografie wurde auf Englisch übersetzt.
2012 Zusammenarbeit mit Louis Vuitton. Illustrierte Lewis Carrolls Klassiker „Alice im Wunderland“. Ehrenmitglied der American Association of Arts and Letters.
2013–2014 Große Ausstellungstour in Argentinien, Brasilien, Mexiko und Chile mit mehr als zwei Millionen Besucher_innen. Vielbeachtete Ausstellungen in Korea, China und Japan.
2015 Erste Retrospektive in Skandinavien. Arbeitete noch immer an der Serie „My Eternal Soul“, obwohl sie die geplanten 100 Gemälde schon längst erreicht hat. Derzeit gehen sie auf die 1.000 Stück zu.

Yayoi Kusama: Bilder

  • Yayoi Kusama, Dot Obsession, 2015, Installation, Spiegelglas, Ballons, Malerei, Punkte, ca. 103,3 x 123 cm.
  • Yayoi Kusama with Pumpkin, 2010, mixed media, Installation, Ansicht von der Aichi Triennale 2010, Courtesy Ota Fine Arts, Tokyo/Singapore; Victoria Miro Gallery, London; David Zwirner, New York; og KUSAMA Enterprise © Yayoi Kusama.
  • Yayoi Kusama, Traveling Life, 1964, Sewn stuffed fabric, The National Museum of Modern Art Kyoto.
  • Yayoi Kusama, Mirror Room (Pumpkin), 1991, Hara Museum of Contemporary Art.
  • Yayoi Kusama, Blue Polka Dots, 2010, My Eternal Soul serie, 194 x 194 cm, Yayoi Kusama.
  • Yayoi Kusama, Life of Human, 2014, My Eternal Soul serie, 194 x 194 cm, Yayoi Kusama.
  • Yayoi Kusama, I Want to Taste Adolescene, 2015, My Eternal Soul serie, 194 x 194 cm.
  • Yayoi Kusama im Infinity Mirror Room - Phalli's Field, Installationsfoto in der Ausstellung Floor Show in der Castellane Gallery, New York, 1965, Photo courtesy Kusama Studio
  • Yayoi Kusama, Phallic Girl, 1967, Mixed media, 189.2 x 106.7 x 58.4 cm, MOMA Contemporary Collection, Fukuoka.
  • Yayoi Kusama, Encounter, 1954, Acrylic and gouache on paper, 71.1 x 59.6 cm, Ota Fine Arts, Tokyo.
  • Yayoi Kusama, Flowers and Self-Portrait, 1973, Tinte, Aquarell, Collage auf Papier, 53 x 42 cm, Ota Fine Arts, Tokyo
  • Yayoi Kusama, Star Dust of One Hundred Million Light-Years, 1989, Acryl auf Leinwand, 3 Teile, 194 x 390 cm, Museum of Contemporary Art Tokyo.
  • Yayoi Kusama, Pumpkin, 1982, Installation, 24 Kästen jede 54,5 x 27,6 x 25,3 cm, Kitakyushu Municipal Museum of Art.
  • Yayoi Kusama, Self Obliteration (Net Obsession Series), um 1966, Fotocollage, 20,3 x 25,4 cm, Yayoi Kusama.
  • Yayoi Kusama, Self Portrait, 1952, Zeichnung auf Papier, 28 x 20,4 cm, Yayoi Kusama.
  • Yayoi Kusama, Untitled, 1967, Tinte auf sw Fotografie von Harrie Verstappen, 18 x 24 cm, MOMA Contemporary Collection, Fukuoka.
  • Yayoi Kusama, Untitled, 1953 - um 1963, Zeichnung auf Papier, 31.3 x 26.1 cm, Yayoi Kusama.
  • Yayoi Kusama arbejder stadig utrætteligt med sine malerier. Her et foto fra Kusamas atelier i Tokyo, 2014.
  • Yayoi Kusama, Anatomic Explosion happening vor einer Statue von Alice im Wunderland im Central Park, New York 1968, Foto Bob Sabin.
  1. Zitiert nach: Wikipedia: Yayoi Kusama (Letzter Aufruf 25.8.2015).
  2. „I don't have many positive feelings about men. I haven't had sex with a man for decades. My father was the type who would play around and womanise a lot and I saw this all the time through my wretched childhood. That probably affected me a lot.“ Zitiert nach: The Guardian: Yayoi Kusama - Tate Modern - Damien Hirst (Letzter Aufruf 25.8.2015).
  3. Öl auf Leinwand, 232 x 359 cm (Shizuoka Prefectural Museum of Art).
  4. Bleistift auf Papier, 53,7 x 39,2 cm (Sammlung der Künstlerin).
  5. Mischtechnik auf Papier, 34,2 x 29,1 cm (Sammlung der Künstlerin).
  6. „I have made it into a symbol of love and peace.“, Zitiert nach: http://www.theguardian.com/artanddesign/2012/feb/07/yayoi-kusama-tate-modern-damien-hirst (Letzter Aufruf 25.8.2015).
  7. Yayoi Kusamas Werk wirkt höchst eigenständig und durch ihren speziellen mentalen Zustand motiviert. Dennoch lassen sich neben einigen feministischen Positionen weitere zeitgleich arbeitende Künstler aus Japan benennen, die wichtige Kontexte aufmachen. Dazu zählt beispielsweise die Gutai Gruppe, die 1954 von Shozo Shimamoto und Jiro Yoshihara als eine international orientierte Bewegung gegründet worden ist. In ihrer Ablehnung der traditionellen Kunsttechniken zugunsten von körperlich begründeter Kunst und den Prozess des Machens. Weitere japanische Künstler, die sich dem gängigen Kunstverständnis entzogen, waren Tetsumi Kudō und Tomio Miki.
  8. Öl auf Leinwand, 51,5 x 64 cm (Sammlung der Künstlerin).
  9. Yayoi Kusama geht mit ihrer höchst subjektiven Kunst über die Auseinandersetzung der männlichen Vertreter der Pop Art mit der amerikanischen Konsumwelt deutlich hinaus.
  10. Susan Best, Visualizing Feeling, 2011.
  11. Rekonstruktion, da das Original nach seiner ersten Präsentation verschwunden ist. Stoff, Platte, Spiegelraum, Boden: 4,5 x 4,5 m / Höhe: um 2,5 m (Sammlung der Künstlerin).
  12. Puppen, Mischtechnik, Schwarzlicht; 5 Puppen, jede 170 x 100 x 40 cm (Sammlung Caroline de Westenholz).
  13. Interessant wäre es in dieser Hinsicht, das Konzept Kusamas zur Selbstauflösung, zur Verbindung des Selbst mit seiner Umwelt zu überdenken. Was bedeutet es, wenn sich die Träger_innen mit Objekten schmücken, die im Kusama-Stil zu einer unendlichen Fläche von Punkten verwandelt sind? Verschmelzen sie optisch und auch metaphorisch mit ihren Luxusgütern? Wieviel ist dann Oberfläche und Schein, was ist der „Kern“ dieser Kaufentscheidung?
  14. Oft wurde ihr „Rückzug“ nach Japan mit einer Kombination aus künstlerischer Marginalisierung und mentalem Zusammenbruch gedeutet. Einerseits wandte sie die New Yorker Kunstwelt schnell von der Utopie der späten 1960er Jahre ab und andererseits entschied sich Kusama, bald nach ihrer Rückkehr ständig in einer Nervenheilanstalt zu leben.
  15. Installation, Mischtechnik, verschiedene Größen (Sammlung des Hara Museum of Contemporary Art, Japan).
  16. Installation, Mischtechnik, 287,5 x 415 x 415 cm (Louisiana Museum of Modern Art).
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.