Pieter Bruegel der Ältere stellte im Gemälde „Kinderspiele“ 246 Kinder – 168 Buben und 78 Mädchen – in Beschäftigung mit 91 Kinderspielen dar, lediglich zwei Erwachsene sind in der Komposition zu entdecken. Der erhöhte Blick des Betrachters fällt auf den Platz einer Stadt, gesäumt von einem Flusslauf und Bäumen sowie Häusern und Straßen, die mittels tief fluchtender Zentralperspektive angeordnet sind. Die kleinen Gestalten sind in bewegten Gruppen auf dem gesamten Tafelbild vom Vorder- bis in den Hintergrund angeordnet.
Die Signatur Bruegels findet sich just in der Nähe eines Mädchens, das einen Ziegelstein zerreibt, um daraus Farbpigmente herzustellen. Sie hat ein Manuskriptblatt zusammengerollt, das das Produkt aufnehmen soll. Albrecht Dürer überlieferte, dass die Stadt Antwerpen unter Künstlern für das hier produzierte und qualitätvolle rote Pigment europaweit bekannt war. Dass Pieter Bruegel gerade an dieser Stelle seinen Namen setzt, wird als Augenzwinkernder Hinweis auf seinen Wohnort verstanden.1
Wien: Kunsthistorisches Museum
Pieter Bruegel der Ältere zeigt in diesem „Wimmelbild“ eine schier unüberschaubare Anzahl von Spielen und Kindern. Zahlreiche Spielarten werden von emotional bewegten Kindern ausgeführt - von ruhig und in sich gekehrt bis aggressiv und dynamisch sind die kleinen Personen geschildert. Damit zeigt Bruegel sowohl einen enzyklopedischen Ansatz in Bezug auf die Spiele wie auch auf die Affekte und Gefühlsregungen der Kinder, die er genau beobachtete und mit großer Achtsamkeit darstellte. Um solche Vielfalt darstellen zu können, vereinfachte Bruegel die Konturen der Kinder auf das Nötigste. Gleichzeitig verwandte der Maler große Aufmerksamkeit auf die perspektivische Darstellung der Gebäude (viel mehr als bei „Fasching und Fasten“).
Karel van Mander, der bedeutendste Biograph Bruegels, beschrieb das Werk 1604 als „[…] das allerlei Kinderspiele zeigt und unzählige kleine Allegorien.“2 Hiervon leitet sich der Titel des Gemäldes ab. Ob Pieter Bruegel diese Bezeichnung selbst geprägt hat, ist nicht überliefert.
Im 16. Jahrhundert fanden Allegorien der Lebensalter, und damit der Kindheit, Eingang in Stundenbücher und Kalender. In der Literatur wurden verschiedene Formen der Unterhaltung und des Zeitvertreibes von Kindern bereits früher beschrieben. Zu den bekanntesten Aufzählungen von Kinderspielen gehören:
Man kann in Pieter Bruegels Gemälde ein „Inventar der Kinderspiele“ (Romdahl) sehen oder als Darstellung der „Alterstufen der Menschen“ (Tietze-Conrad) deuten. Vielleicht ist in diesem Sujet aber auch das „unsinnige menschliche Treiben“ (Sedlmayr) gemeint, quasi „die Welt als Kinderspiel“ (de Tolnay). „Bruegels Geschöpfe sind ein wenig animalisch und etwas närrisch“ meinte Max Friedländer. In den Interpretationen des Bildmotivs wurden Bezüge zwischen kindlichem Gehabe und dem Verhalten Erwachsener hergestellt und dem Gemälde eine moralisierende Bedeutung zugewiesen. Auffallend sind die mürrischen Gesichter der Kinder, die sich nicht lautstark miteinander unterhalten.
Zudem wurde ein Zusammenhang mit Pieter Bruegels „Die niederländischen Sprichwörter“ (1559) in der Gemäldegalerie in Berlin und „Der Kampf zwischen Karneval und Fasten“ (1559) im Kunsthistorischen Museum in Wien hergestellt (Demus). Die drei Gemälde entstanden in enger zeitlicher Abfolge und geben Aufschluss über die Beschäftigung des Malers mit allegorischen, literarischen und humorvollen Inhalten, wenn auch bislang kein schlagender Beweis für eine Zusammengehörigkeit erbracht werden konnte. Könnten sie für den selben Auftraggeber entstanden sein?
Pieter Bruegel der Ältere hinterließ mit seinem Werk erstmals eine überreiche Vielfalt von Kinderspielen, deren Varianten gleichzeitig stattfinden: das Bockspringen, der Kopfstand, das Gehen auf Stelzen, das Treiben eines Reifens, das Schlagen von Purzelbäumen, das Nachspielen einer Hochzeit, das Balkenturnen, das Kreisel Drehen, Blinde Kuh, das Knöchelspiel, das Reiten auf dem Steckenpferd etc. Dem Betrachter eröffnet sich die ganze Welt der kindlichen Unterhaltungen auf einer Holztafel.