National Gallery, London: Sean Scully – Sea Star | ARTinWORDS
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National Gallery, London: Sean Scully – Sea Star Irisch-amerikanischer Maler zoll Hommage an William Turner

Sean Scully, Landline China 8, Detail, 2018, Öl/Aluminium, 300 × 190 cm (Privatsammlung (SS3506) © Sean Scully. Photo: courtesy the artist)

Sean Scully, Landline China 8, Detail, 2018, Öl/Aluminium, 300 × 190 cm (Privatsammlung (SS3506) © Sean Scully. Photo: courtesy the artist)

Der in Irland geborene und in den USA lebende Maler Sean Scully (* 1945) zeigt in der National Gallery, London, neue Werke. Bezugspunkt für Scully war vor allem Joseph Mallord William Turners Gemälde „Der Abendstern“ (1829/30) aus der Sammlung der Londoner Galerie. William Turners subtiler Einsatz von gedeckten Farbtönen, die Anlage der Komposition und die Kraft des Bildes faszinieren Scully, wie er mehrfach bestätigte, zutiefst. Damit bestätigt der zeitgenössische Maler einmal mehr die herausragende Bedeutung, die das atmosphärische Werk des britischen Romantikers für die Entwicklung der Abstrakten Kunst spielte und noch immer spielt (→ Abstrakte Kunst).

Scully und Turner

William Turners Gemälde „Der Abendstern“ (um 1830) galt nach dem Tod des Malers als unvollendet. Es dauerte einige Jahre bis es als ein Meisterwerk des unangepassten Künstlers erkannt wurde. Die Biografien der beiden Maler ähnelt sich nur geringfügig - ihre Väter waren beide Barbiere und beide besuchten häufig die Küste von Kent. Beide verspürten aber eine starke Anziehungskraft des Meeres und der Wolken darüber. Während der romantische Maler daraus moralische Lehrstücke des Sublimen baute, beschäftigte sich der andere damit, um abstrakte (oder besser abstrahierte) Komposition abzuleiten. „Der Abendstern“ übt anhaltenden Einfluss auf Sean Scullys Werk aus und ist auch ein Katalysator für aktuelle Arbeiten. Das Gemälde Turners wird in der ersten Galerie gezeigt, da es vom Künstler ausdrücklich als Inspirationsquelle bezeichnet wurde, dem er eine Hommage zu widmen gedenkt. Die Idee zur Ausstellung in der National Gallery wurde geboren, nachdem Scully 2015 eine von der Kritik hochgelobte Ausstellung auf der Biennale in Venedig gezeigt hatte. Sofort machte er zur Bedingung, dass Turners „Abendstern“ innerhalb seiner Personale zu sehen sein sollte.

In der National Gallery zeigt Scully neue und jüngste großformatige, mehrteilige Gemälde, darunter seine inzwischen berühmt gewordene „Landline“-Serie sowie Arbeiten auf Papier. In der Serie „Landline“ kehrt ein Thema von Scully wieder, für das er berühmt wurde: der Horizont, an dem sich Land, Meer und Luft treffen, der Rhythmus des Ozeans und der sich ständig verändernde Horizont. Die einsame Figur eines Jungen am Ufer, der in sich Turners „Der Abendstern“ auf den Weg nach Hause macht, als Himmel und Meer sich verdunkeln, spiegelt diese Beschäftigung wider.

Sea Star: Sean Scully und der Horizont

„Ich schaue immer auf die Horizontlinie - auf die Art und Weise, wie das Ende des Meeres den Anfang des Himmels berührt; die Art und Weise, wie sich der Himmel ans Meer drückt ... ich denke an Land, Meer, Himmel. Und sie stellen immer eine massive Verbindung her. Ich versuche das zu malen; dieses Gefühl des Zusammenkommens des Elementaren … “ (Sean Scully)

Scullys abstrakte Ölgemälde bestehen aus mehreren bemalten Paneelen, die der Künstler oft mit pastoser Farbe bestreicht, um reichhaltige, strukturierte Oberflächen zu erzeugen. Als Echo des beeindruckenden Impastos in Turners rosafarbenem Himmel setzt Scully sein Medium mit kraftvollen Bewegung um. Besonders deutlich ist das im Blues des „Landline Pools“ (2018) und des „Landline Star“ (2017) zu sehen Der Titel des letztgenannten Werks erinnert an den in Turners Gemälde aufgehenden Abendstern.
Seit 2016 malt Scully auf Aluminium und Kupfer, da die metallische Oberfläche Farbe nicht so wie Leinwand oder Papier absorbiert. Die vermitteln den Eindruck, als ob die Farbe noch feucht wäre. Das Glühen des silbrigen oder kupferfarbenen Metalls, das gelegentlich zwischen den Farbschichten zu finden ist, erinnert an die Verwendung von durchscheinenden Ölfarben in Turners Meereslandschaften. Weitere neue Werke der Ausstellung sind: „Robe Blue Blue Durrow“ (2018), welches an das „Book of Durrow“ (7. Jahrhundert) aus seiner Heimat Irland erinnert und „Human 3“ (2018), inspiriert von der New Yorker U-Bahn in seiner Wahlheimat.

Zu Sean Scully

Der weltweit bekannte Maler der Abstraktion lässt sich von den Traditionen europäischer Malerei inspirieren. Zusätzlich ist er tief in der amerikanischen Abstraktion verwurzelt. Man denke an die Malerei von Mark Rothko, Frank Stella. Er bedient sich der Medien Druckgrafik, Skulptur, Aquarell und Pastell. Bekannt ist Sean Scully jedoch für seine monumentalen abstrakten Gemälde, in denen Streifen oder Schichten von Farben ein vorherrschendes Motiv sind.

Sean Scully verbrachte seine Kindheit in London und besuchte mit seiner Familie die National Gallery am Trafalgar Square. Damals begann die enge und langjährige Beziehung der Malers zur National Gallery sowie zur Kunst von William Turner.

Kuratiert von Colin Wiggins.

Sea Star: Sean Scully in der National Gallery, London: Bilder

  • William Turner, Der Abendstern, um 1830, Öl/Lw, 91.1 x 122.6 cm (Turner Bequest, 1856 © The National Gallery London)
  • Sean Scully, Robe Blue Blue Durrow, 2018, Öl/Aluminium, 215.9 × 190.5 cm (Privatsammlung (SS3393) © Sean Scully. Foto: courtesy the artist)
  • Sean Scully, Arles Abend Deep, 2017, Öl/Leinen, je 215.9 × 190.5 cm (Fondation Louis Vuitton, Paris (SS3202) © Sean Scully. Foto: courtesy the artist)
  • Sean Scully, Landline Star, 2017, Öl/Aluminium, 215.9 × 190.5 cm (Privatsammlung (SS3267) © Sean Scully. Foto: courtesy the artist)
  • Sean Scully, What Makes Us, 2017, Pastell/Papier, je 152.4 × 101.6 cm (Privatsammlung (SS2894) © Sean Scully. Foto: courtesy the artist)
  • Sean Scully, Orange, 2018, Aquatinta, Zuckeraussprengverfahren und Pinsel/Papier, 76.2 × 63.5 cm (Privatsammlung (SS3280) © Sean Scully. Foto: courtesy the artist)
  • Sean Scully, Foto: Liliane Tomasko

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.