Eines der berühmtesten Gemälde der Sammlungen des Albertinum Dresden wird 2019 zweihundert Jahre: Caspar David Friedrichs „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ (1819/20). Das Bild nimmt eine zentrale Stellung im Werk des Künstlers ein, es ist Fluchtpunkt einer Abwendung aus der Welt und gleichzeitig Spiegel der bedrängenden restaurativen Verhältnisse der Zeit.
Zweihundert Jahre „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“
Deutschland | Dresden:
Albertinum, 2. OG, Raum 205
25.6.2019 – 25.10.2020
Caspar David Friedrich (1774—1840) ist der berühmteste Vertreter der Romantik in Deutschland. Er entschied sie früh für die Landschaft, wobei er die Wahrnehmungsinhalte zu anschaubaren Gleichnissen vertiefen wollte. Friedrich verstand die Landschaftsmalerei seiner Zeit als „Lüge“, da Maler wie etwa Joseph Anton Koch in ihren Bildern unnatürliche Naturkomposite herstellen würden. Stattdessen wollte er den „reinen Willen, […] die Natur einfach edel und groß darzustellen, wie sie ist, wenn man Sinn, Gemüt und Gefühl hat, es [sic] zu erkennen und aufzufassen“. Er zielte darauf ab, den Rang der Gattung „Landschaft“ zu erhöhen. Dabei stand ihm der Sinn nicht nach einfacher Naturnachahmung oder Idealisierung. Charakteristisch für die Landschaftskunst von Friedrich ist, dass er sie zum Bedeutungsträger macht. Für Caspar David Friedrich barg die Natur tiefgründige menschliche Rätsel, die zu düsteren Sinnbildern existenzieller und zivilisatorischer Entfremdung werden: Friedrichs Landschaften verweisen auf die göttliche Schöpfung. Landschaft wird bei ihm zur religiösen Andacht und Allegorie; sie soll jedoch nicht entschlüsselt, sondern empfunden werden.
Das mit 33 x 44,5 Centimetern eher kleinformatige Ölgemälde „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ (1819/20) thematisiert die Versenkung zweier Freunde in den Nachthimmel. Einer Überlieferung zufolge soll sich Friedrich gemeinsam mit seinem Lieblingsschüler August Heinrich (1794–1822) dargestellt haben. Der felsige Weg führte die beiden Männer auf einen Abhang, wo nackte Felsen und eine abgestorbene Eiche zwischen dunkel aufragenden Nadelbäumen, vermutlich immergrünen Fichten, den Blick ins Universum freigeben. Die regungslosen Rückenfiguren, die sanft schimmernde Mondsichel und der Abendstern werden auf der rechten Seite von einem knorrigen, blattlosen Baum eingefasst. Die für Caspar David Friedrich typischen Rückenfiguren nehmen die Position der Bildbetrachter ein, soll sich das Publikum doch genauso wie sie in das Naturschauspiel versenken. Meditation anstelle von Erzählung war das Ziel des norddeutschen Romantikers.
Die politische Deutung des Gemäldes geht auf eine Äußerung Friedrichs zurück, wonach die beiden Männer „demagogische Umtriebe“ machen würden. Ihre altdeutsche Tracht und die Barette lassen ebenfalls patriotische Assoziationen aufkommen. Die Eiche könnte ein Symbol des Todes sein; die effektvoll im Gegenlicht geformten Wurzeln lassen auf ein von Wind und Wetter gebeuteltes Gehölz schließen. So deuten auch die Kuratoren des Albertinum das Werk als Bekenntnis des Künstlers in einer restriktiven Zeit. Die Restauration hatte nach dem Wiener Kongress die Hoffnungen der Revolutionäre auf Mitbestimmung zunichte gemacht. Friedrichs Personal entflieht der Gesellschaft und dem Tageslicht, um im Mondschein ihren Gefühlen nachzuhängen. In den folgenden Jahren standen Friedrich und seine Kunst immer mehr im Zentrum der Kritik (→ Caspar David Friedrich: Biografie).
Neben weiteren berühmten Werken wie „Das Kreuz im Gebirge (Tetschener Altar)“ (1807/08, Dresden), „Mönch am Meer“ (1810, Berlin) oder „Das Große Gehege bei Dresden“ (1831/32) zählt „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ zu den bekanntesten Bildmotiven im Werk des norddeutschen Romantikers. Friedrichs Freundes- und Ehepaare sind keinen Abenteuern ausgesetzt, sondern in die Betrachtung von Naturereignissen versunken. Häufig wurde bereits beobachtet, dass das Schweigen der Betrachtenden und die Stille der Landschaft einander noch verstärken.
„Bald ist unter den vielen Meinungen auch das seine Meinung: Strenge Nachahmung der Natur bis in jede Einzelheit sei Forderung der Kunst. Dann aber auch: Strenge, sklavische Nachahmung der Natur und übergroße Ausführung sei die verfehlte Kunst. Die Kunst müsse überhaupt nicht täuschen wollen, und eine so große Ausführung beenge die Einbildungskraft des Beschauers; andeuten müsse das Bild nur, vor allem aber geistig aufregen und der Phantasie Spielraum geben und lassen, denn das Bild soll nicht die Natur selbst darstellen wollen, sondern nur daran erinnern. Nicht die treue Darstellung von Luft, Wasser, Felsen und Bäumen ist die Aufgabe des Bildners, sondern seine Seele, seine Empfindung soll sich darin widersiegeln. Den Geist der Natur erkennen und mit ganzem Herzen und Gemüt durchdringen und aufnehmend und wiedergeben, ist die Aufgabe eines Kunstwerkes.“1 (Caspar David Friedrich, Über Kunst und Kunstgeist, um 1830)
Das Jubiläum bietet den Anlass, um die schönsten Mondscheinlandschaften aus dem Bestand des Albertinum in einem Raum zu versammeln. Darunter sind Hauptwerke der Sammlung, wie Johan Christian Dahls „Dresden bei Vollmondschein“ (1839) und Ludwig Richters „Überfahrt am Schreckenstein“ (1837). Mit den sechs in der Ausstellung vertretenen Werken von Carl Gustav Carus erweist sich dieser als leidenschaftlicher Mondbetrachter.
Caspar David Friedrich, der vielleicht berühmteste Mondlichtmaler des romantischen Zeitalters, ging freigiebig mit seinem maltechnischen Wissen um. Carl Gustav Carus (1789—1869), Leiter der Chriurgisch-Medizinischen Klinik in Dresden und ein Schüler Friedrichs, erinnerte sich, dieser habe ihn wie folgt unterwiesen:
„eine dunkle Lasur auf die Palette zu nehmen und außerhalb des Mondes und der nächsterleuchteten Stellen alles, und je mehr gegen den Rand des Bildes um so dunkler, damit zu übertuschen und dann auf die veränderte Wirkung achtzugeben.“2
Das Gemälde „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ wurde 1840 aus dem Besitz von Johan Christian Dahl erworben. Dessen eigene Nachstücke, wie „Dresden bei Vollmondschein“ (1839), erinnern an Bilder des befreundeten Caspar David Friedrich. Im Gegensatz zu seinem visionären Kollegen verfolgte Dahl eher einen naturalistischen Ansatz. Die Kabinettausstellung „Focus Albertinum: Mondsüchtig“ präsentiert Werke von Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Johan Christian Dahl, Ernst Ferdinand Oehme, Ludwig Richter und Christian Friedrich Gille.