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Düsseldorf | K20 / K21: Ai Weiwei Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zeigt größten Ausstellung in Europa

Veröffentlicht von Alexandra Matzner von 7. Mai 2019
Ai Weiwei, Illumination, 2009, Handyfoto (c) Ai Weiwei, Courtesy Ai Weiwei Studio

Ai Weiwei, Illumination, 2009, Handyfoto (c) Ai Weiwei, Courtesy Ai Weiwei Studio

„Everything is art. Everything is politics“, so brachte der international bekannte Gegenwartskünstler Ai Weiwei (* 1957) seine Arbeitsweise auf den Punkt. „Alles ist Kunst, alles ist Politik“ ist auch Leitmotiv seiner bisher größten Ausstellung in Europa, die die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen gleichzeitig im K20 und im K21 zeigt. Im Ausstellungsplakat schreitet er in Anlehnung an Joseph Beuys berühmte Fotografie „La rivoluzione siamo noi“ (1972) dem Publikum entgegen. Aus der Selbstversicherung des Düsseldorfer Künstlers ist allerdings eine Frage geworden: „Wo ist die Revolution?“

Ai Weiwei

Deutschland | Düsseldorf: K20 | K21
18.5. – 1.9. 2019

Raumfüllende Arbeiten und großflächige Bildtapeten verwandeln die Museumsräume in dichte, begehbare Installationen. Die enge Verklammerung von politischem Engagement und künstlerischer Arbeit im Werk dieses bedeutenden streitbaren Künstlers lässt die Widersprüche unserer Gegenwart plastisch werden.

„Als Aktivist ist er Künstler und als Künstler ist er Aktivist. Mit dieser Erweiterung seines Kunstbegriffs, bei dem politisches und künstlerisches Handeln nicht zu tren-nen sind, steht Ai Weiwei sicherlich den Gedanken von Joseph Beuys sehr nahe. Das macht unsere kommende Ausstellung – gerade auch hier in Düsseldorf – so bedeutsam“ (Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen)

Die Ausstellung bietet einen umfassenden Überblick über Ai Weiweis Schaffen des vergangen Jahrzehnts und konzentriert sich auf Schlüsselthemen, die sein Werk seit den 1980er Jahren auszeichnen: die Flüchtlingskrise und das Spannungsfeld von Individualität und Staat (→ Ai Weiwei: Biografie). Ai Weiweis Werke entstehen mit dem Grundgedanken der Humanität, sei es beim Erdbeben von Sichuan, der globalen Flüchtlingskrise oder bei Fragen freier Meinungsäußerung.

 

Ai Weiwei, Sunflower Seeds, 2010, Detail, courtesy Ai Weiwei studio
Ai Weiwei, Sunflower Seeds, 2010, Detail, courtesy Ai Weiwei studio
Ai Weiwei, Zodiac (Dog), 2018. Courtesy Jeffrey Deitch und der Künstler. Foto: Joshua White, Courtesy Ai Weiwei Studio
Ai Weiwei, Zodiac (Dog), 2018. Courtesy Jeffrey Deitch und der Künstler. Foto: Joshua White, Courtesy Ai Weiwei Studio

K21: Life Cycle & Laundromat

Im K21 wird Ai Weiweis monumentale Arbeit „Life Cycle“ (2018) erstmals in Europa zu sehen sein. Über 17 Meter misst die fragile, fast transparente Skulptur aus Bambus und Sisalgarn. Sie stellt eine Vielzahl von Figuren in einem Schlauchboot dar, wie es von vielen Geflüchteten bei der lebensgefährlichen Passage über das Mittelmeer benutzt wird. Einige ihrer Köpfe haben sich in Figuren der chinesischen Tierkreiszeichen verwandelt und verweisen metaphorisch sowohl auf das Ausmaß der menschlichen Krise als auch auf den Kreislauf menschlichen Lebens.

„Laundromat“ (2016) entstand vor dem Hintergrund der Geschehnisse im griechischen Flüchtlingslager Idomeni, deren Zeuge Ai Weiwei war, als er seinen abendfüllenden Dokumentarfilm „Human Flow“ (2017) drehte: Die Installation besteht aus 2000 sorgfältig aufgehängten, gewaschenen, sortierten Kleidungsstücken und Schuhen - Habseligkeiten, die die Bewohner dort zurückließen, als sie 2016 durch die Schließung des Lagers erneut vertrieben wurden. In weiteren Räumen im K21 lässt sich der Werdegang Ais anhand von Dokumenten und kleineren Arbeiten seit den 1980er Jahren nachvollziehen.

 

K20: Straight & Sunflower Seeds

In den großen Ausstellungshallen des K20 werden die beiden Schlüsselwerke „Straight“ und „Sunflower Seeds“ zum ersten Mal überhaupt in ihrer vollständigen Form gemeinsam in einer Ausstellung zu sehen sein.

Auf fast 800 Quadratmetern breitet sich die spektakuläre Installation „Sunflower Seeds“ (2010) aus: 100 Millionen handgefertigte und individuell bemalte Sonnenblumenkerne aus Porzellan, hergestellt in der traditionsreichen chinesischen Porzellan-Metropole Jingdezhen. Ai Weiwei untersucht die Rolle des traditionellen Handwerks im Zeitalter von Massenproduktion und Globalisierung. Die Arbeit wurde 2010 für die Turbinenhalle der Tate Modern in London konzipiert und ist in Düsseldorf nun zum ersten Mal wieder vollständig aufgebaut.

Die noch nie zuvor in Europa komplett gezeigte Installation „Straight“ besteht aus 164 Tonnen Armierungseisen, die Ai Weiwei nach dem verheerenden Erdbeben von Sichuan 2008 aus eingestürzten Schulgebäuden bergen ließ (teilweise war die Installation in der Royal Academy ausgestellt: Ai Weiwei in der Royal Academy). Etwa fünftausend Schulkinder verloren damals ihr Leben unter den Trümmern. In einem zeitaufwendigen Prozess wurden die verbogenen Stahlstäbe wieder geradegebogen und zu einer Landschaft modelliert. Für K20 hat Ai Weiwei eine neue Anordnung von „Straight“ entwickelt, die das Material aus Sichuan in seiner Gesamtheit präsentiert und seine Ortlosigkeit im globalen Ausstellungsbetrieb betont.

Ai Weiwei, 1957 in Beijing geboren, wird weltweit als Künstler, Architekt, Kurator, Filmregisseur und Fotograf gefeiert. Seine in New York in den 1980er Jahren gewonnenen Eindrücke von Konzeptkunst (v.a. Marcel Duchamps Ready Made) und Pop Art hat er für eine Arbeitsweise fruchtbar gemacht, die auf eine kritische Betrachtung von Kulturgeschichte und globalen gesellschaftlichen Entwicklungen zielt.

 

Düsseldorf K20 / K21 - Ai Weiwei: Ausstellungskatalog

mit Beiträgen von Rembert Hüser, Doris Krystof, Friederike Sigler, Linda Walther, Falk Wolf
und einem Interview von Hans Ulrich Obrist
256 Seiten
20 x 28 cm, 230 farbige Abbildungen
ISBN: 978-3-7913-5905-2 (D, Buchhandelsausgabe)
Deutsch und Englisch
Prestel Verlag

Kuratiert von Susanne Gaensheimer, Doris Krystof und Falk Wolf.

 

Düsseldrof K20 / K21. Ai Weiwei: Bilder

  • Ai Weiwei, Zodiac (Dog), 2018. Courtesy Jeffrey Deitch und der Künstler. Foto: Joshua White, Courtesy Ai Weiwei Studio

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.
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