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Ai Weiwei: Biografie Lebenslauf des chinesischen Konzeptkünstlers und politischen Aktivisten

Ai Weiwei, Wang Family Ancestral Hall, 2015, Original carvings and painted replacements 1364,7 x 1451 x 939 cm © Ai Weiwei Studio, Foto: © Belvedere, Wien.

Ai Weiwei, Wang Family Ancestral Hall, 2015, Original carvings and painted replacements 1364,7 x 1451 x 939 cm © Ai Weiwei Studio, Foto: © Belvedere, Wien.

Ai Weiwei (* 1957, Beijing) zählt zu den berühmtesten Künstlern der Welt. Seit den 1990er Jahren wird Ai weltweit als Künstler, Architekt, Kurator, Filmregisseur und Fotograf gefeiert. Die künstlerische Praxis von Ai wurde nach ersten Anfängen als Architekt und Konzeptknstler zunehmend von Themen bestimmt, mit denen das heutige China und Europa konfrontiert sind, wie die Ausübung autokratischer Macht, das Verschwinden der chinesischen Kultur- und Materialgeschichte und die Sorge um Menschenrechte, Flucht, harte Arbeit und Armut.

Ehefrau

  • Lu Qing: Künstlerin

Kinder

  • Ai Lao (* 2008): unehelich geborener Sohn gemeinsam mit der in Berlin lebenden Wang Fen

Weitere Beiträge zu Ai Weiwei

Biografie von Ai Weiwei (* 1957)

  • 28. August 1957

    Am 28. August 1957 wurde Ai Weiwei als Sohn des Dichters, Malers und Regimekritikers Ai Qing (1910–1996) in Peking geboren. Sein Halbbruder ist der Maler Ai Xuan. Ai Weiwei wuchs während der Kulturrevolution in einem Arbeitslager in der Mandschurei und in Xinjiang auf, da sein Vater zu einer 20-jährigen Verbannung verurteilt wurde.
  • 1976

    Rückkehr der Familie nach Peking.
  • 1978

    Ai Weiwei schrieb sich an der Pekinger Filmakademie ein und studierte dort unter anderem mit den chinesischen Regisseuren Chen Kaige und Zhang Yimou.
  • 1979

    Ai war ein Gründungsmitglied der Künstlergruppe Stars Group, die eine chinesische Kunst nach staatlicher Leitlinie ablehnte.
  • 1981

    Umzug in die USA.
  • 1982-1993: New York

    Ai Weiwei lebte bis 1993 vor allem in New York City, und beschäftigte sich in dieser Zeit vor allem mit Performance, Konzeptkunst, Dadaismus und Pop Art. Während seines Aufenthalts in New York schloss er ein Studium an der Parsons School of Design ab.
  • 1993: Rückkehr nach China

    Rückkehr nach Peking wegen der Erkrankung seines Vaters. Lebte bis 2015 im Kunstbezirk Dashanzi. Ai Weiwei ist mit der Künstlerin Lu Qing verheiratet.
  • 1994

    Ai Weiwei gründete er die Galerie China Art Archives and Warehouse für experimentelle Kunst in Peking. Veröffentlichte „The Black Cover Book“.
  • 1995

    Veröffentlichte „The White Cover Book“.
  • 1997

    Veröffentlichte „The Grey Cover Book“.
  • 2008

    Geburt seines unehelichen Sohnes Lao, der bei seiner Mutter Wang Fen in Berlin lebt. Die Beziehung brachte ihm den strafrechtlichen Vorwurf der Bigamie ein.
  • 2009

    Anfang August erlitt Ai Weiwei bei einem Polizeieinsatz aufgrund von Recherchen zum Erdbeben in Sichuan vor einem Prozess gegen seinen Mithelfer Tan Zuoren eine Hirnblutung. Er wurde im Klinikum Großhadern operiert.
  • 2010

    Im Herbst verfügte die Stadtverwaltung von Shanghai die Räumung des Gebäudes, in dem sich sein Atelier befand. Als Ai Weiwei daraufhin eine „Abriss-Party“ ankündigte, um die Öffentlichkeit auf die geplante Zwangsräumung des Gebäudes hinzuweisen, wurde er am 5. November 2010 von den Behörden für zwei Tage unter Hausarrest gestellt. Zu der Feier hatten sich nach telefonischen Angaben Ai Weiwei’s ca. 1.000 Besucher mit Internetzugang angemeldet. Die Party fand mit ca. 800 Personen ohne den Gastgeber statt. Presseberichten und der Deutschen Presseagentur zufolge sprach sich Ai Weiwei am 6. November gegen die Umweltzerstörung und die mangelnden Bildungschancen in China aus und kritisierte: „Die Regierung, das gesamte System […] opfert Bildung, Umweltressourcen und die Interessen der meisten Menschen, nur damit einige wenige Menschen mit Verbindung zur Regierung extrem reich werden können.“ Am 11. November 2010 informierte Ai Weiwei die internationalen Medien darüber, dass er ein behördliches Schreiben erhalten hätte, in dem er aufgefordert wurde, das Gebäude, in dem sich sein Studio befand, vor dem 21. November auf eigene Kosten abzureißen. Den Grund für den zunehmenden Druck seitens der Shanghaier Behörden sah Ai Weiwei in seiner politischen Aktionskunst. Anfang Dezember wurde Ai Weiwei erstmals daran gehindert, aus der Volksrepublik China auszureisen.
  • 2011

    Das Atelier wurde am 11. Januar abgerissen. Fotoaufnahmen des Studios und dessen Zerstörung veröffentlichte Ai Weiwei im Juli 2011 auf seiner Google+ Seite. Im März wurde bekannt, dass Ai Weiwei ein Atelier in Berlin-Schöneweide zu erwerben beabsichtigte, um mit seinem Team einen zweiten Platz neben dem Pekinger Studio zu haben.
  • 3. April – 22. Juni 2011: Inhaftierung

    Am 3. April 2011 wurde Ai Weiwei auf dem Weg nach Hongkong am Pekinger Flughafen von der chinesischen Polizei festgenommen und 81 Tage an einem unbekannten Ort inhaftiert. Er war gerade auf dem Weg nach Taiwan, wo seine erste Einzelausstellung in der chinesisch-sprachigen Welt organisiert wurde (Sie wurde im Oktober im Taipei Fine Arts Museum eröffnet.). Ai Weiwei sollte sich wegen nicht näher benannter „Wirtschaftsverbrechen“ vor Gericht verantworten. Wenige Tage zuvor war der deutsche Außenminister Guido Westerwelle zu einem Staatsbesuch nach China gekommen und hatte u. a. die Ausstellung „Kunst der Aufklärung“ im Nationalmuseum in Peking eröffnet. Ai Weiwei stand zwar auf der Einladungsliste der deutschen Veranstalter, wurde aber seitens der chinesischen Autoritäten nicht zur Eröffnungszeremonie zugelassen. Er hatte nämlich zuvor verlautbart, Deutschland zeige ausgerechnet am Platz des Himmlischen Friedens, wo 1989 die Protestbewegung gewaltsam beendet worden war, diese Ausstellung und das zu einem Zeitpunkt, als die Unterdrückung erneut gesteigert wurde.
  • 20. April 2011: Einladung zu einer Gastprofessur und Ehrenmitgliedschaft der Royal Academy of Arts

    Am 20. April lud ihn die Universität der Künste in Berlin für eine Gastprofessur ein, die er erst im November 2015 antreten konnte. „Berliner Appell“ (23.4.) zur Freilassung Ai Weiwei‘s von ungefähr 100 Erstunterzeichner, darunter Sinologen und Vertreter aus Kultur und Wirtschaft, veröffentlicht. Aufnahme Ai Weiwei‘s in die Akademie der Künste in Berlin (7.5.). Ai Weiwei wurde die Ehrenmitgliedschaft der Royal Academy of Arts (Hon. RA) verliehen (26.5.).
  • 15. Mai 2011 erstes öffentliches Lebenszeichen

    Ein erstes öffentliches Lebenszeichen gab es am 15. Mai 2011, als die Ehefrau Lu Qing nach längerem Bitten um Besuchserlaubnis kurzfristig zur Polizeidienststelle gebeten und von dort zu einem unbekannten Ort – eventuell in eins der sogenannten Gästehäuser der Polizei – gefahren wurde, wo sie Ai Weiwei ca. 20 Minuten lang in Anwesenheit von Bewachern sprechen konnte. Alle Themen, die mit seinem Verschwinden in Zusammenhang stehen, durften nicht erörtert werden. Nach Auskunft ihres Anwalts Liu Xiaoyuan trug Ai Weiwei bei dem Treffen Zivilkleidung, war medikamentös versorgt und konnte im Garten Spaziergänge machen.
  • 20. Mai 2011: Berichte über Steuerhinterziehung

    Die chinesische Presseagentur Xinhua sowie Regierungszeitungen berichteten seit dem 20. Mai 2011, Ai Weiwei habe in großem Umfang Steuern hinterzogen. Diese Vorwürfe wiesen die Angehörigen mit der Begründung zurück, der Künstler solle auf diesem Weg politisch mundtot gemacht werden.
  • 22. Juni 2011: Freilassung

    Am 22. Juni 2011, zweieinhalb Monate nach seiner Verhaftung, wurde Ai Weiwei laut einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua nach Hinterlegung einer Kaution freigelassen. Er habe ein Geständnis wegen Steuerflucht abgelegt und sei chronisch krank. Die Haftentlassung des Künstlers unter Auflagen, so durfte er nicht mit Journalisten reden und Peking ein Jahr lang nicht verlassen, erfolgte wenige Tage vor dem Staatsbesuch des chinesischen Premierministers in Berlin.
  • November 2011

    Nachdem Anfang November 2011 bekannt geworden war, dass der Künstler 1,7 Millionen Euro Steuern nachzahlen sollte, ging eine hohe Summe auch anonymer Spenden, vor allem aus dem Inland, ein. Ai Weiwei zahlte fristgemäß die berechnete Steuerschuld ohne den Strafzuschlag als Kaution, um anschließend auf rechtlichem Wege Berufung einzulegen. Wenig später kam nach Angaben Ai Weiwei‘s zu dem Vorwurf der Steuerhinterziehung eine Anschuldigung wegen Pornografie hinzu.
  • 2012: Gerichtsprozess

    Die Polizei verhinderte, dass Ai Weiwei am 20. Juni 2012 an einer Anhörung im Laufe des von ihm angestrengten Berufungsprozesses teilnehmen konnte. Nachdem nach Ablauf eines Jahres am 21. Juni 2012 die Aufenthaltsbeschränkung teilweise aufgehoben worden war, gab Ai Weiwei bekannt, dass er seinen Pass nicht zurückbekommen hätte und somit weiterhin nicht ausreisen durfte. Die Behörden warfen ihm nach eigener Aussage Bigamie, illegalen Devisenhandel und Verbreitung von Pornografie vor. Der Künstler wies diese Vorwürfe zurück und forderte, dass er die zahlreichen Einladungen zu Auslandsreisen annehmen könnte. Einen Gang ins Exil plante er nicht. Seine Berufung im Steuerhinterziehungsprozess wurde am 20. Juli 2012 verworfen. Auch der Urteilsverkündung musste Ai Weiwei fernbleiben. Am 22. Juli 2015 erhielt Ai von den Behörden seinen Pass zurück, womit ein Reiseverbot für den Künstler geendet hat, das seit der Verhaftung 2011 in Kraft war.
  • 2012

    Die Verleihung des Literaturnobelpreises 2012 an Mo Yan nannte Ai Weiwei einen „ernsten Fehler“, da dieser nicht die Menschenrechtsverletzungen beanstande, vielmehr als Vizepräsident des Schriftstellerverbandes ein offizielles Amt wahrnehme. Dies sei für Künstler in China, die unter der Zensur zu leiden hätten, eine „tragische Entscheidung“. Veröffentlichte das Musikalbum „The Divine Comedy”, um den zweiten Jahrestag seiner Freilassung aus dem Gefängnis zu feiern. Alison Klaymanns Dokumentarfilm „Ai Weiwei: Never Sorry“ feierte auf der documenta 12, für die er Projekt „Fairytale“ und die Außenarbeit „Template“ entwarf, seine Premiere.
  • 2015

    Laut ORF postete Ai Weiwei am 5. Oktober via Instagram Fotos mehrerer bei der Renovierung seines Studios in Peking gefundener Abhörwanzen. Am 1. November stellte sich Ai Weiwei an der Berliner Universität der Künste als Gastprofessor vor und nahm16 Studierende in seinen Kurs auf. Für die Ausstellung „Andy Warhol/Ai Weiwei“ in Melbourne plante er die Porträts von australischen Bürgerrechtsaktivisten in Lego nachzubauen. Als Lego sich aufgrund des politischen Charakters der Arbeit weigerte, die Steine zu liefern, rief Ai Weiwei die Internetgemeinde auf, diese zu spenden. Es gelang, genug Lego-Steine zusammenzubekommen. Die Regierung in China erlaubte dem Künstler die Ausreise. seither ist er mit seiner Familie in Berlin, Deutschland, ansässig.
  • 2016

    Anfang des Jahres plante Ai Weiwei, auf der griechischen Insel Lesbos ein Monument zur Erinnerung an die in der Ägäis umgekommenen Flüchtlinge zu errichten. Im Februar errichtete er eine Schwimmwesten-Installation am Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin. Im Juli ließ er die Installation „F Lotus“ aus von Flüchtenden benutzten Schwimmwesten im Teich vor dem Schloss Belvedere in Wien schwimmen. Im 21er Haus stellte er die „Wang Family Ancestral Hall“ (2015) aus: „Ai Weiwei, translocation – transformation“ (14.7.–20.11.2016). Kurz darauf eröffnete er die Ausstellung „Libero“ im Palazzo Strozzi in Florenz (23.9.2016–22.1.2017) und war in der Schau „Ai Weiwei. Geknetetes Wissen“ im Kunsthaus Graz vertreten (24.9.2016–19.2.2017). Ai Weiwei besuchte Mexiko und ließ sich vom Verschwinden von 43 Studenten aus der Escuela Normal Rural de Ayotzinapa (26./27.9.2014) zu einer neuen Arbeit inspirieren.
  • 2017

    Beginn der Arbeit an der Skulptur „La Commedia Umana“, einem monumentalen Kandelaber mit menschlichen und tierischen Knochen und Organen, ergänzt um Überwachungskamers und Twitter-Vögelchen, gemeinsam mit dem Studio Beregno in Venedig. „Ai Weiwei, Good Fences Make Good Neighbors” in New York City (2017/18)
  • 2019

    Die großangelegte Einzelausstellung im K20/K21 mit dem Titel „Everything is art. Everything is politics“ wurde am ersten Wochenende von 8.000 Menschen gestürmt (18.5.–1.9.2019). Ausstellungen in MUAC, Museo Universitario Arte Contemporáneo, Mexico City (13.4.–6.10.2019) und „Ai Weiwei Raiz” im Centro Cultural Banco do Brasil, Belo Horizonte, Brasilien (6.2.–15.4.)
  • 2020: "Coronation"

    Im Film „Coronation“ (115 Min.) dokumentiert Ai Weiwei den Lockdown von Wuhan, von wo die SARS-CoV-2 Pandemie ihren Ausgang nahm. Die Hommage an alle Ärzte und Krankenschwestern, die gegen COVID-19 kämpfen, soll die weitreichenden Befugnisse des chinesischen Staates offenlegen. Dies, so der Künstler, wäre auch für EInheimische erstmals sichtbar geworden. 2020 lebte Ai Weiwei in Cambridge, Großbritannien.
  • 2021

    Ai Weiwei kuratiert eine Ausstellung des chinesischen Performancekünstlers He Yunchang (* 1967) für das Francisco Carolinum Linz. Für die Ausstellung „Rapture“ im Cordoaria Nacional, Lissabon (-28.11.), schuf er „Brainless Figure in Cork“, ein fotorealistisches Selbstporträt des Künstlers mit einer CNC-Fräsmaschine und einem Bildhauer. Am 2. November 2021 erschien Ais Autobiografie „1000 years of Joys and Sorrows [1000 Jahre Freud und Leid]“. 2021 ist Ai Weiwei nach Portugal umgezogen. Nach eigenen Aussagen gefällt ihm dort das sonnige Wetter.
  • 2022

    Im März 2022 stellte Ai Weiwei die aus schwarzem Murano Glas bestehende Skulptur „La Commedia Umana“ in der Diokletianstherme in Rom aus. Für die Oper in Rom inszenierte er Puccinis Turandot (Regie, Kostüme, Bühnenbild). Die Albertina in Wien zeigte eine großangelegte Schau zum Werk von Ai Weiwei. Der Aktivist stellte in Stockholm die 12 Meter hohe Skulptur „Arch“ vor dem Nationalmuseum aus. Parallel zur „Biennale von Venedig“ zeigt er in der Abbazia di San Giorgio Maggiore eine Einzelausstellung mit dem Titel „La Commedia Umana - Memento Mori“.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.