Kiki Kogelnik (1935–1997) in der Kunsthalle Krems ist eine schrill-bunte Sommerausstellung mit weiblichem Tiefgang. Die mit ca. 130 Werken bisher größte in Österreich gezeigte Retrospektive führt den Werdegang der Künstlerin von ihren ersten geometrischen, dann gestisch-abstrakten Werken zur berühmten „Space Art“ – Kogelniks Begriff für ihre individuelle Ausprägung der Pop Art – bis hin zum bisher wenig beachteten Spätwerk vor. Dem chronologischen Rundgang ist ein erster Raum mit den wichtigen Hangings und Selbstbildnissen vorangestellt. Dem Spätwerk wird erstaunlich viel Raum gegeben, während die berühmten Glasköpfe fehlen.
Kiki Kogelnik. Retrospektive
Österreich | Krems: Kunsthalle Krems
14.7. – 6.10.2013
Mühelos schaffte Kogelnik 1961 den Sprung in die Neue Welt, zählte Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Sam Francis zu ihren engsten Freunden und wollte dann aufgrund ihrer europäischen Wurzeln und einer dadurch bedingten anderen Interessenslage doch nicht Teil der Ostküsten Pop Art sein. Sie nannte ihre Kunst „Space Art“ in Analogie zum „Space Age“, wie die „Roaring Sixties“ auch genannt wurden, um auf die Bedeutung der Weltraumfahrt, den Technologieglauben und vielleicht auch den damit verbundenen Traum von einer besseren Welt hinzuweisen.
„I`m not involved with Coca-Cola … I am involved in the technical beauty of rockets people flying in space and people becoming robots. When you come here from Europe it is so fascinating … like a dream of our time. New ideas are here, the materials are here, why not use them.“1
In dieser Aussage steckt viel: Die Faszination am Neuen, die Ablehnung des Kommerz, die Schönheit der Technik, die Loslösung von der Erde, der Wunsch zu fliegen, die Entwicklung neuer Materialien, v.a. im Bereich der Kunststoffindustrie und schlussendlich die Verbindung von Mensch und Maschine in der Robotik. Wenn sich auch Kogelnik nie als Vertreterin der Pop Art sah, so ist sie vielen Zeitgenoss_innen dennoch als ein für diese Ära typisches „Gesamtkunstwerk“ in Erinnerung geblieben.2 Untrennbar, so scheint es, waren die New Yorker Künstler_innen der 60er und 70er mit den Medien, der Werbung, dem Selbst- und dem Fremdbild beschäftigt, was sich auch für Kogelnik nachweisen lässt. Die Selbstinszenierung (über ihren Kleidungsstil) gehört wie das Infragestellen von Geschlechterrollen zweifelsohne zu ihren wichtigsten Themen, aber auch Institutionskritik und Vorläufer der Performance Art findet sich in öffentlichen Präsentationen ihrer Hangings. Während der Tod in Form von Totenschädeln und Skeletten in ihrer Kunst omnipräsent ist, wird das aktuelle Sterben in Vietnam nur in den kleinformatigen, intimen Zeichnungen ironisch aufgearbeitet. Traditionelle Denkmuster wie Skulptur und Malerei, Körperbild und die Differenz zwischen High- und Low-Art, zwischen Kunst und Kitsch, aber auch die Trennung von Kunst und Leben stellte sie mit ihren bunten und doch stets hintergründigen Arbeiten auf den Prüfstand. So lässt sich Kogelnik auch für die New Yorker Kunstgeschichte als eine Vorreiterin denken, v.a. wenn sie bereits 1967 die Schaumgummi-„body part“-Skulpturen am Körper durch die Stadt trug.3
„Kunst kommt von künstlich“ (Kiki Kogelnik über Kunst, 1967)
Entscheidend für den Werdegang Kiki Kogelniks war ein Aufenthalt in Paris 1958/59. War sie zuvor dem Informel und dem Abstrakten Expressionismus nahe gestanden, so folgte sie danach Sam Francis in die USA – und mit dieser neuen Lebenserfahrung fand sie um 1961 zu einer gänzlich neuen Ausdrucksform. Es hellte sich nicht nur ihre Palette auf, genauer gesagt wurde sie durch die leuchtenden bis schrillen Farben der Werbung einfach ersetzt, sondern Kogelnik begann auch mit Figuren und Symbolen zu arbeiten. Manche der frühen Gemälde erinnern bereits an die später so omnipräsenten Schattenrisse. Wie schon in ihrer abstrakten Phase sollte die Fläche des Bildträgers betont und Dreidimensionalität zurückgedrängt werden. Bereits in den frühen 60er Jahren entwickelte Kogelnik dafür die für sie charakteristische Reduktion des Körpers auf seine Umrisslinie.
Wie ihre Ateliernachbarn Roy Lichtenstein und Andy Warhol wandte sich Kiki Kogelnik der Symbolwelt ihres Alltags zu. Im Jahr 1962 kaufte sie zwei Bombenhüllen (ohne Sprengstoff) für 3$ in einem Armeeshop und gestaltete sie zu „Bombs in Love“ (1962) um – „Make Love not War“ ist die deutliche Botschaft der mit Herzchen verzierten Killermaschinen. In dieser Zeit begann sie sich auch mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft zu beschäftigen. In Bildern stellte Kogelnik die „genetische“ Zusammengehörigkeit von Frauen und Scheren als Symbol des Haushalt und des (nützlichen) Handwerks aber auch Mode- wie Mordswerkzeug in Frage.
Gleichzeitig begann Kiki Kogelnik aber auch immer öfter selbst zur Schere zu greifen. Seit 1962 erstellte sie „Porträts“ ihrer inzwischen immer berühmter werdenden Freunde, indem sie deren Silhouetten auf Packpapier festhielt. Diese CUT OUTS wurden Mitte der 60er Jahre zu HANGINGS, d.h. die Schablonen aus buntem Vinyl gefertigt und an Kleiderbügeln bzw. fahrbaren Kleiderständern aufgehängt. Der Künstler als Schatten seiner selbst, fernab des Zelebrierens mystischer Kreativität? Auf jeden Fall enthäutet von einer Künstlerin und zur Schau gestellt. Spontan erinnern diese Installationen an die schwindende Bedeutung des Einzelnen in der Massengesellschaft, während Kiki Kogelnik in ihrer teils schrillen Selbstdarstellung die Marke „Kogelnik“ mit Hilfe von Stilisierung und modischer Übertreibung inszenierte. Gleichzeitig wird aus der Schere als einem Symbol von Machtverhältnissen innerhalb der patriarchalen Gesellschaft ein Instrument der Befreiung.
„The woman`s liberation“ bzw. „Superwoman“ inszenieren weibliche Selbstbehauptung über Körperhaltung, Kleidung und der ironischen Positionierung der Schere als „Waffe der Frau“. Die Motive fand Kogelnik in den boomenden Modejournalen, deren leicht konsumierbare, auf Vorbildwirkung ausgerichtete Frauendarstellungen sie durch neue Lesarten und Ergänzungen für ihre Zwecke nutzte. Das gesamte Werk von Kiki Kogelnik ist durchzogen von dieser Freude am Subversiven, am Konventionellen/Unkonventionellen, am Spiel und am gleichzeitig unangestrengten Karikieren herrschender Verhältnisse. Ihre eigene, schwierige Position als Künstlerin und Mutter wird besonders im Bild „The Painter“ (1975) deutlich, das ein Selbstporträt Kogelniks zeigt: Der Pinsel in der Hand trieft vor blutroter Farbe, die Künstlerin steht breitbeinig und energisch als schwarze Silhouette im Zentrum und links von ihr – kaum sichtbar – die Umrisslinie ihres Sohnes Mono, damals acht Jahre alt und nur als Bleistiftzeichnung vorhanden.
Die Kunsthalle Krems erweitert das etablierte Bild der Künstlerin noch um das postmoderne Spätwerk – etwas gewöhnungsbedürftige Interpretationen berühmter Renaissance-Vorbilder, die an eine „bad painting“-Strategie denken lassen. Hans-Peter Wipplinger führt in seinem Katalogbeitrag aus, dass erst die Pop Art, über Bilder der Warenwelt auf eine sinnentleerte Art zu verfügen sowie der „Bruch mit Ordnungs- und Geschmacksnormen“, der Künstlerin die Freiheit gegeben hätte, sich mit der Kunstgeschichte auf gleiche Weise zu beschäftigen.4 Den Übergang von den großformatigen Frauenbildern Kogelniks in den 70er Jahren zur postmodernen Phase in den 80ern markieren m.E. Bilder wie „Leda With Swan“ (1978) oder „Superserpent“ (1974). In ihnen thematisiert die Künstlerin bereits mythische Frauen wie die von Jupiter verführte Leda oder Medusa mit dem Schlangenhaupt.
Die Beschäftigung von Kogelnik mit Frauen aus der Mode und dem Mythos führt in den 80ern zur Auseinandersetzung mit berühmten Frauenakten der Kunstgeschichte: Tizians „Venus von Urbino“ (1538) hat bereits Manet zu seiner bahnbrechenden „Olympia“ (1863) angeregt (→ Edouard Manet und Venedig). Wenn auch Kogelniks Variante sich nicht mit jener des berühmten Franzosen messen kann, so ist doch auffallend, dass Leonardos „Leda“ und ein weiterer hingestreckter Mänadenakt von Tizian die erotischen Quellen der Künstlerin sind.
Kogelnik übernimmt offenbar immer nur die Hauptfiguren aus den bekannten Kompositionen und steigert ihre Wirkung, indem sie sie expressiv in Farbe und Pinselschrift überarbeitet. Die einzige vorgestellte Vorzeichnung zeigt entgegen der Ausstellungs- und Katalogbeschriftung nicht „Time and Love After Bronzino“, einem Bild des Hofmalers der Medici in Florenz in der Londoner National Gallery (→ Bronzino), sondern „Amor und Psyche“ nach dem gleichnamigen, 1798 am Pariser Salon vorgestellten Gemälde von François Gérards (1770-1837, Louvre). Kogelnik reduziert darin die Komposition des Paares auf deren Umrisslinien und ergänzt die Figurenpaare in den Gemälden nur durch geheimnisvolle geometrische Formen oder dramatische Draperien. Die Vorgangsweise, die klassizistische Komposition durch eine Umrisslinienzeichnung festzuhalten, erinnert an Kogelniks eigene Cut-outs oder Hangings, andererseits lässt sich dieser Zeichenstil kunsthistorisch bis ins 18. Jahrhundert zu John Flaxman (1755-1826) zurückverfolgen. Es geht der Künstlerin um die „schöne Linie“, ein harmonisches und ausdrucksstarkes Miteinander des Figurenpersonals (bei „Amor und Psyche“ vielleicht auch die Schüchternheit des Mädchens), bevor sie mit Hilfe der Ölfarben den Figuren einen völlig anderen, verfremdeten Charakter verleiht. Paarbildungen, Liebe und Erotik scheinen aber auch hier eine hohe Bedeutung zu haben, dicht gefolgt von Bildern des Todes: Das Skulpturenpaar „Das Leben“ und „Das Leben danach“ besteht aus typischen Kogelnik-Köpfen, wobei der zweite bereits von Würmern befallen ist. Leben/Liebe und Tod als zwei Zustände, die einander bedingen, am Ende eines spannenden Künstlerinnenlebens.
geboren am 22. Januar 1935 in einem Spital in Graz, in Bleiburg/Kärnten aufgewachsen
1954 Beginn des Studiums an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien: Graphik bei Schwarz, Bildhauerei bei Hans Knesl
1955 erste Ausstellungsbeteiligung in der Galerie nächst St. Stephan, entdeckt und gefördert von Monsignore Otto Mauer (1907-1973)
1956-1958 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien: Malerei bei Albert Paris Gütersloh, Besuch des Abendakts bei Herbert Boeckl; Beziehung mit Arnulf Rainer, geplante Eheschließung scheitert
1958-1959 Aufenthalt in Paris, Reise nach London, Dublin, Rom und Norwegen, wohin sie Hans Hollein begleitet. In Paris lernt sie César, Joan Mitchell, Kimber Smith und Sam Francis kennen.
1961 Übersiedlung nach Santa Monica, erste Personale in der Galerie nächst St. Stephan
1962 Übersiedelung nach New York, entwickelt „Space Art“ bis 1969
ab 1962 Cut-outs, ab 1967 Hangings
1967 Geburt des Sohnes Mono
1970 Umzug in ein neues Atelier in SoHo
ab 1972 Bilder nach der Werbe- und Modewelt
1973 Ausstellungen in Washington und erste Retrospektive in Klagenfurt
ab 1974 Arbeit mit Keramik (Wien)
1975 Besuch eines Filmkurses an der New York University und der New School for Social Research
1978 Gründung der Filmgesellschaft „Schnoodle Productions“ und Umzug in ein Atelier in der Lafayette Street
Ab 1986 Verarbeiten von Motiven aus der Kunstgeschichte (Tizian, Bronzino)
1991/1992 Gastprofessur an der Internationalen Sommerakademie in Salzburg
Ab 1994 Glasköpfe in Murano produziert, 1995 erste Präsentation der Glasköpfe in Chicago, Wien und Klagenfurt5
Arbeitet in New York, Wien und Bleiburg
Gestorben am 1.2.1997 in Wien an einem Krebsleiden
Der umfangreiche und vielgestaltige Nachlass der Künstlerin wird in der KIKI KOGELNIK FOUNDATION Wien New York, einer amerikanischen Privatstiftung, verwaltet und ist darüber auch zugänglich. In Memoriam Kiki Kogelnik produzierte der ORF die Dokumentation „Kikis Kosmos – Die Kunst der Kiki Kogelnik“ (2010)