0

Kiki Kogelnik: Biografie Lebenslauf der österreichisch-amerikanischen Künstlerin

Kiki Kogelnik, Falling in Love again, ca. 1962, 183 x 137 cm, Öl auf Leinwand © Kiki Kogelnik Foundation Vienna/New York, Foto: Alexandra Matzner.

Kiki Kogelnik, Falling in Love again, ca. 1962, 183 x 137 cm, Öl auf Leinwand © Kiki Kogelnik Foundation Vienna/New York, Foto: Alexandra Matzner.

 (1935–1997) Kiki Kogelnikwar eine österreichisch-amerikanische Künstlerin der Pop Art. In den frühen 1960er Jahren lernte sie in Paris Sam Francis und Joan Mitchel kennen, durch die sie nach New York übersiedelte. Dort bewegte sich Kiki Kogelnik im Umkreis der sich formierenden Pop Art-Bewegung, zu ihren Freunden gehörten Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Claes Oldenburg und Carolee Schneeman. Kogelniks kritische Haltung ist Grundlage für viele Gemälde, Cut Outs und Hangings, in denen sie Körper (Medizin, Mode), Konsum, Technikglaube und Kunstgeschichte thematisierte. Das vielschichtige Werk Kogelniks bewegt sich zwischen High und Low Art, zählen doch ihre „Venezianischen Köpfe“ (ab 1994) zu den bekanntesten Arbeiten.

Kunst im Weltraumzeitalter

Mühelos schaffte Kogelnik 1961 den Sprung in die Neue Welt, zählte Andy WarholRoy Lichtenstein und Sam Francis zu ihren engsten Freunden und wollte dann aufgrund ihrer europäischen Wurzeln und einer dadurch bedingten anderen Interessenslage doch nicht Teil der Ostküsten Pop Art sein. Sie nannte ihre Kunst „Space Art“ in Analogie zum „Space Age“, wie die „Roaring Sixties“ auch genannt wurden, um auf die Bedeutung der Weltraumfahrt, den Technologieglauben und vielleicht auch den damit verbundenen Traum von einer besseren Welt hinzuweisen.

„I`m not involved with Coca-Cola … I am involved in the technical beauty of rockets people flying in space and people becoming robots. When you come here from Europe it is so fascinating … like a dream of our time. New ideas are here, the materials are here, why not use them.“1

In dieser Aussage steckt viel: Die Faszination am Neuen, die Ablehnung des Kommerz, die Schönheit der Technik, die Loslösung von der Erde, der Wunsch zu fliegen, die Entwicklung neuer Materialien, v.a. im Bereich der Kunststoffindustrie und schlussendlich die Verbindung von Mensch und Maschine in der Robotik. Wenn sich auch Kogelnik nie als Vertreterin der Pop Art sah, so ist sie vielen Zeitgenoss_innen dennoch als ein für diese Ära typisches „Gesamtkunstwerk“ in Erinnerung geblieben.2 Untrennbar, so scheint es, waren die New Yorker Künstler:innen der 1960er und 1970er mit den Medien, der Werbung, dem Selbst- und dem Fremdbild beschäftigt, was sich auch für Kogelnik nachweisen lässt. Die Selbstinszenierung (über ihren Kleidungsstil) gehört wie das Infragestellen von Geschlechterrollen zweifelsohne zu ihren wichtigsten Themen, aber auch Institutionskritik und Vorläufer der Performance Art findet sich in öffentlichen Präsentationen ihrer Hangings. Während der Tod in Form von Totenschädeln und Skeletten in ihrer Kunst omnipräsent ist, wird das aktuelle Sterben in Vietnam nur in den kleinformatigen, intimen Zeichnungen ironisch aufgearbeitet. Traditionelle Denkmuster wie Skulptur und Malerei, Körperbild und die Differenz zwischen High- und Low-Art, zwischen Kunst und Kitsch, aber auch die Trennung von Kunst und Leben stellte sie mit ihren bunten und doch stets hintergründigen Arbeiten auf den Prüfstand. So lässt sich Kogelnik auch für die New Yorker Kunstgeschichte als eine Vorreiterin denken, v.a. wenn sie bereits 1967 die Schaumgummi-„body part“-Skulpturen am Körper durch die Stadt trug.3

Kunst und Kommerz

„Kunst kommt von künstlich“ (Kiki Kogelnik über Kunst, 1967)

Entscheidend für den Werdegang Kiki Kogelniks war ein Aufenthalt in Paris 1958/59. War sie zuvor dem Informel und dem Abstrakten Expressionismus nahegestanden, so folgte sie danach Sam Francis in die USA – und mit dieser neuen Lebenserfahrung fand sie um 1961 zu einer gänzlich neuen Ausdrucksform. Es hellte sich nicht nur ihre Palette auf, genauer gesagt wurde sie durch leuchtende bis schrille Farben der Werbung einfach ersetzt, sondern Kogelnik begann auch mit Figuren und Symbolen zu arbeiten. Manche der frühen Gemälde erinnern bereits an die später so omnipräsenten Schattenrisse. Wie schon in ihrer abstrakten Phase sollte die Fläche des Bildträgers betont und Dreidimensionalität zurückgedrängt werden. Bereits in den frühen 60er Jahren entwickelte Kogelnik dafür die für sie charakteristische Reduktion des Körpers auf seine Umrisslinie.

Wie ihre Ateliernachbarn Roy Lichtenstein und Andy Warhol wandte sich Kiki Kogelnik der Symbolwelt ihres Alltags zu. Im Jahr 1962 kaufte sie zwei Bombenhüllen (ohne Sprengstoff) für 3$ in einem Armeeshop und gestaltete sie zu „Bombs in Love“ (1962) um – „Make Love not War“ ist die deutliche Botschaft der mit Herzchen verzierten Killermaschinen. In dieser Zeit begann sie sich auch mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft zu beschäftigen. In Bildern stellte Kogelnik die „genetische“ Zusammengehörigkeit von Frauen und Scheren als Symbol des Haushalts und des (nützlichen) Handwerks aber auch Mode- wie Mordswerkzeug in Frage.

Kiki und die Schere – die „Waffe der Frau“

Gleichzeitig begann Kiki Kogelnik aber auch immer öfter selbst zur Schere zu greifen. Seit 1962 erstellte sie „Porträts“ ihrer inzwischen immer berühmter werdenden Freunde, indem sie deren Silhouetten auf Packpapier festhielt. Diese CUT OUTS wurden Mitte der 60er Jahre zu HANGINGS, d.h. die Schablonen aus buntem Vinyl gefertigt und an Kleiderbügeln bzw. fahrbaren Kleiderständern aufgehängt. Der Künstler als Schatten seiner selbst, fernab des Zelebrierens mystischer Kreativität? Auf jeden Fall enthäutet von einer Künstlerin und zur Schau gestellt. Spontan erinnern diese Installationen an die schwindende Bedeutung des Einzelnen in der Massengesellschaft, während Kiki Kogelnik in ihrer teils schrillen Selbstdarstellung die Marke „Kogelnik“ mit Hilfe von Stilisierung und modischer Übertreibung inszenierte. Gleichzeitig wird aus der Schere als einem Symbol von Machtverhältnissen innerhalb der patriarchalen Gesellschaft ein Instrument der Befreiung.

„The woman`s liberation“ bzw. „Superwoman“ inszenieren weibliche Selbstbehauptung über Körperhaltung, Kleidung und der ironischen Positionierung der Schere als „Waffe der Frau“. Die Motive fand Kogelnik in den boomenden Modejournalen, deren leicht konsumierbare, auf Vorbildwirkung ausgerichtete Frauendarstellungen sie durch neue Lesarten und Ergänzungen für ihre Zwecke nutzte. Das gesamte Werk von Kiki Kogelnik ist durchzogen von dieser Freude am Subversiven, am Konventionellen/Unkonventionellen, am Spiel und am gleichzeitig unangestrengten Karikieren herrschender Verhältnisse. Ihre eigene, schwierige Position als Künstlerin und Mutter wird besonders im Bild „The Painter“ (1975) deutlich, das ein Selbstporträt Kogelniks zeigt: Der Pinsel in der Hand trieft vor blutroter Farbe, die Künstlerin steht breitbeinig und energisch als schwarze Silhouette im Zentrum und links von ihr – kaum sichtbar – die Umrisslinie ihres Sohnes Mono, damals acht Jahre alt und nur als Bleistiftzeichnung vorhanden.

Spätwerk

Die Kunsthalle Krems erweitert das etablierte Bild der Künstlerin noch um das postmoderne Spätwerk – etwas gewöhnungsbedürftige Interpretationen berühmter Renaissance-Vorbilder, die an eine „bad painting“-Strategie denken lassen. Hans-Peter Wipplinger führt in seinem Katalogbeitrag aus, dass erst die Pop Art, über Bilder der Warenwelt auf eine sinnentleerte Art zu verfügen sowie der „Bruch mit Ordnungs- und Geschmacksnormen“, der Künstlerin die Freiheit gegeben hätte, sich mit der Kunstgeschichte auf gleiche Weise zu beschäftigen.4 Den Übergang von den großformatigen Frauenbildern Kogelniks in den 70er Jahren zur postmodernen Phase in den 80ern markieren m.E. Bilder wie „Leda With Swan“ (1978) oder „Superserpent“ (1974). In ihnen thematisiert die Künstlerin bereits mythische Frauen wie die von Jupiter verführte Leda oder Medusa mit dem Schlangenhaupt.

Die Beschäftigung von Kogelnik mit Frauen aus der Mode und dem Mythos führt in den 1980ern zur Auseinandersetzung mit berühmten Frauenakten der Kunstgeschichte: Tizians „Venus von Urbino“ (1538) hat bereits Manet zu seiner bahnbrechenden „Olympia“ (1863) angeregt (→ Edouard Manet und Venedig). Wenn auch Kogelniks Variante sich nicht mit jener des berühmten Franzosen messen kann, so ist doch auffallend, dass Leonardo da Vincis „Leda“ und ein weiterer hingestreckter Mänadenakt von Tizian die erotischen Quellen der Künstlerin sind.

Kogelnik übernimmt offenbar immer nur die Hauptfiguren aus den bekannten Kompositionen und steigert ihre Wirkung, indem sie sie expressiv in Farbe und Pinselschrift überarbeitet, darunter „Amor und Psyche“ nach dem gleichnamigen, 1798 am Pariser Salon vorgestellten Gemälde von François Gérards (1770–1837, Louvre). Kogelnik reduziert darin die Komposition des Paares auf deren Umrisslinien und ergänzt die Figurenpaare in den Gemälden nur durch geheimnisvolle geometrische Formen oder dramatische Draperien. Die Vorgangsweise, die klassizistische Komposition durch eine Umrisslinienzeichnung festzuhalten, erinnert an Kogelniks eigene Cut-outs oder Hangings, andererseits lässt sich dieser Zeichenstil kunsthistorisch bis ins 18. Jahrhundert zu John Flaxman (1755-1826) zurückverfolgen. Es geht der Künstlerin um die „schöne Linie“, ein harmonisches und ausdrucksstarkes Miteinander des Figurenpersonals (bei „Amor und Psyche“ vielleicht auch die Schüchternheit des Mädchens), bevor sie mit Hilfe der Ölfarben den Figuren einen völlig anderen, verfremdeten Charakter verleiht. Paarbildungen, Liebe und Erotik scheinen aber auch hier eine hohe Bedeutung zu haben, dicht gefolgt von Bildern des Todes: Das Skulpturenpaar „Das Leben“ und „Das Leben danach“ besteht aus typischen Kogelnik-Köpfen, wobei der zweite bereits von Würmern befallen ist. Leben/Liebe und Tod als zwei Zustände, die einander bedingen, am Ende eines spannenden Künstlerinnenlebens.

Venezianische Köpfe

Kiki Kogelnik schuf 1994 erste Glasköpfe in Zusammenarbeit mit der Glasmanufaktur Berengo in Murano, ihre wohl berühmtesten Werke. Die Arbeiten entstanden auf Vermittlung der Galerie Judith Walker.

Das Material Glas war der Künstlerin anfangs unvertraut, schnell war sie jedoch von seiner Wirkung fasziniert. Für Kogelnik war seine Metamorphose von heiß und zähflüssig zu hart und kalt ein Symbol für die vier Elemente. Seine Durchsichtigkeit erinnerte sie an das Wasser von Venedig. In Adriano Berengo fand Kogelnik einen kongenialen Glasmachermeister, der seinerseits das jahrhundertealte Wissen um Produktion und Formmöglichkeiten einbrachte. Kiki Kogelnik hatte sich bereits seit den frühen 1970er Jahren mit Köpfen aus glasierter Keramik beschäftigt. Das Glas erlaubte ihr aber aufgrund seiner Lichtdurchlässigkeit und der Leuchtkraft der Farben einen völlig neuen, gleichzeitig aber auch „alten“, poppigen, humorigen Ausdruck.

Tod

Kiki Kogelnik erlag am 1. Februar 1997 in Wien einem Krebsleiden.

Der umfangreiche und facettenreiche Nachlass der Künstlerin wird in der KIKI KOGELNIK FOUNDATION Wien New York, einer amerikanischen Privatstiftung, verwaltet und ist darüber auch zugänglich. In Memoriam Kiki Kogelnik produzierte der ORF die Dokumentation „Kikis Kosmos – Die Kunst der Kiki Kogelnik“ (2010).

Biografie von Kiki Kogelnik (1935–1997)

    1. Kiki Kogelnik, The Fashions, New York 1966, zit. nach: Petra Schröck, Short Cuts. Die inszenierten Bildwelten der Kiki Kogelnik, in: Kiki Kogelnik 1935-1997. Retrospektive (Ausst.-Kat. Österreichische Galerie Belvedere, Wien 4.3.-3.5.1998) Wien 1998, S. 31.
    2. Jo Anna Isaal bezeichnete Kiki Kogelnik sogar als „wandelndes Happening“, in: dieselbe: Hangings. New York 1967–1970, in: Kiki Kogelnik. Hangings, hg. v. Peter Noever (Ausstellungskat. MAK, Wien 21.11.1996–19.1.1997) Wien 1996, S. 21.
    3. Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Der Tod braucht eine Sonnenbrille. Kiki Kogelnik und das „wilde Denken“, in: Kiki Kogelnik. Retrospektive, hg. v. Hans-Peter Wipplinger (Ausst.-Kat. Kunsthalle Krems, Krems 14.7.–6.10.2013) Krems 2013, S. 9.
    4. Hans-Peter Wipplinger, Cross the Border – Closer the Gap, in: Kiki Kogelnik. Retrospektive, hg. v. Hans-Peter Wipplinger (Ausst.-Kat. Kunsthalle Krems, Krems 14.7.–6.10.2013) Krems 2013, S. 50–51.
    Alexandra Matzner
    Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.