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Winterthur | Kunst Museum Winterthur: Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik | 2023

Caspar David Friedrich, Der Abend, Detail, vor 1820/21, Öl auf Holz, 22,5 x 31,2 cm (Museum Georg Schäfer, Schweinfurt © Museum Georg Schäfer, Schweinfurt)

Caspar David Friedrich, Der Abend, Detail, vor 1820/21, Öl auf Holz, 22,5 x 31,2 cm (Museum Georg Schäfer, Schweinfurt © Museum Georg Schäfer, Schweinfurt)

Kaum ein anderes künstlerisches Œuvre der Romantik erfuhr seitens der Forschung derart unterschiedliche Interpretationsansätze und Deutungsebenen wie das herausragende Werk von Caspar David Friedrich (1774–1840). Bisher wenig Beachtung fand dabei die Frage, welche Rolle die Traditionen der Landschaftsmalerei über die klassische Ausbildung zwischen Theorie und Praxis hinaus als Anregung gespielt haben könnten.

Gab es nicht bereits Vorboten der Romantik im Sinne einer Naturstimmung als subjektives und doch zugleich pantheistisches Naturerlebnis beim Betrachter? Dieser Frage gehen das Museum Georg Schäfer und das Kunst Museum Winterthur in einer gemeinsam konzipierten Ausstellung nach.

Ziel der Ausstellung ist es, das Schaffen Friedrichs in einen Bezug zu Werken seiner künstlerischen Quellen und Vorgänger zu stellen, also kunsthistorische Achsen aufzubauen, aber auch die Rezeption dieser Vorboten in der Malerei aufzuzeigen. Ein solches Ausstellungsvorhaben ist neu. Es ist bereits dadurch legitimiert, dass es im Frühwerk Friedrichs Hinweise einer Anknüpfung an die Leistungen früherer Landschaftskunst des 17. und 18. Jahrhunderts gibt. Friedrich folgte dabei dem vor allem in der Dresdner Hofmalerei unter C. W. E. Dietrich, genannt Dietricy, gepflegten Trend, die Werke jener niederländischen Maler als Vorbild zu nehmen, welche die Naturphänomene Mittelitaliens in ihren Werken verarbeiteten.

Friedrichs Vorbilder im 17. und 18. Jahrhundert

In der Gegenüberstellung der Arbeiten Caspar David Friedrichs mit diesen „feierlichen Landschaften“ (C. C. L. Hirschfeld) soll deutlich werden, wie sehr diese selbst aus der Sicht der Generation um 1800 als Stimmungsbilder und Vermittler von überzeitlichen Aussagen aufgefasst werden konnten. Die Leistungen dieser „Erfinder der Landschaftsmalerei“ liegen gerade im großen Spielraum zwischen realer und idealisierter Naturdarstellung und der Erzeugung einer Stimmung beim Betrachter. Dies finden wir in den Mondscheinlandschaften von Aert van der Neer (→ Aert van der Neer: Große Winterlandschaft), den Sonnenuntergängen von Claude Lorrain, aber auch in den religiös unterlegten Waldlandschaften von Jacob van Ruisdael, den Goethe als „malenden Dichter“ bezeichnete. Ebenso liefern einsame Zeichner an der Küste wie auch im Felsenmeer, wie sie etwa im Werk Allaert van Everdingens zu finden sind, in dieser Lesart vielschichtige Interpretationsmöglichkeiten.

Auch die Landschaftsmaler des 18. Jahrhunderts schufen Grundlagen für Friedrich und seine Zeitgenossen. Die Aufklärung brachte ein neues Naturverständnis, das sich auch die Maler zu eigen machten. Die subjektive Naturerfahrung trat verstärkt ins Blickfeld und mit ihr die Freilichtmalerei und das Erkunden der heimischen Landschaft. Insbesondere die Entdeckung der Sächsischen Schweiz als malerisches Motiv durch den in Paris ausgebildeten Schweizer Adrian Zingg, der 1766 nach Dresden an die Akademie kam, spielte dabei eine entscheidende Rolle.

Im spannenden Vergleich mit diesen Wegbereitern der Romantik erschließt sich das Œuvre Caspar David Friedrichs unter neuen Perspektiven – und macht gleichzeitig sein herausragendes Talent und seinen eigenständigen Beitrag zur Kunst umso deutlicher.

Caspar David Friedrich in Winterthur

Die Museumsbestände von Schweinfurth und Winterthur vereinen zusammen mehr als zwanzig Meisterwerke von Caspar David Friedrich, ergänzt werden sie durch ausgewählte internationale Leihgaben. Diese großangelegte Ausstellung präsentiert sich im doppelten Sinn als „Vorbotin“ ein Jahr vor dem 250-jährigen Geburtstag des Künstlers im Jahr 2024. Ein umfangreicher Katalog erläutert den hier skizzierten Ansatz.

Kuratiert von Wolf Eiermann, David Schmidhauser und Konrad Bitterli.
Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit dem Museum Georg Schäfer → Schweinfurt | Museum Georg Schäfer: Caspar David Friedrich

Caspar David Friedrich in Winterthur: Bilder

  • Caspar David Friedrich, Der Abend, vor 1820/21, Öl auf Holz, 22,5 x 31,2 cm (Museum Georg Schäfer, Schweinfurt © Museum Georg Schäfer, Schweinfurt)
  • Caspar David Friedrich, Kreidefelsen auf Rügen, 1818, Öl auf Leinwand, 90 x 70 cm (Kunst Museum Winterthur © Kunst Museum Winterthur)

Beiträge zu Caspar David Friedrich

2. Mai 2023
Caspar David Friedrich, Zwei Männer in Betrachtung des Mondes, Detail, um 1825–1830, Öl auf Leinwand, 34,9 x 43,8 cm (The Metropolitan Museum, New York, Wrightsman Fund, 2000, Inv.-Nr.: 2000.51)

New York | Metropolitan Museum: Caspar David Friedrich Erste Ausstellung des deutschen Romantikers in den USA | 2025

2. Mai 2023
Caspar David Friedrich, Das Große Gehege bei Dresden, Detail, 1832, Öl auf Leinwand, 73,5 x 103 cm (Galerie Neue Meister, Inv.-Nr. Gal.-Nr. 2197 A)

Dresden | Albertinum und Residenzschloss: Caspar David Friedrich Wo alles begann | 2024

Zum 250. Geburtstag widmen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden dem Künstler eine Ausstellung an zwei Standorten: Inspirationsquellen fand Friedrich in der Natur – auf seinen Wanderungen in der näheren und weiteren landschaftlichen Umgebung Dresdens.
7. April 2023
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Detail, 1808–1810 (© Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Andres Kilger)

Berlin | Alte Nationalgalerie: Caspar David Friedrich Die Wiederentdeckung | 2024

Berlin feiert die Wiederentdeckung Caspar David Friedrichs im Jahr 1906 mit seiner ersten Friedrich-Ausstellung. 60 Gemälde & 50 Zeichnungen kommen aus nationalen und internationalen Sammlungen, um Themen wie Friedrichs Bilderpaare zu entschlüsseln.

Aktuelle Ausstellungen

27. November 2023
Alexandra Exter, Drei Frauen, Detail, 1909-1910 (National Art Museum Ukraine)

Brüssel | Königliche Kunstmuseen: Moderne in der Ukraine 1900–1930er Im Auge des Sturms | 2023/24

„In the Eye of the Storm“ zeigt eine Reihe künstlerischer Stile und vielfältiger kultureller Identitäten anhand von über 60 Werken. Die meisten Arbeiten sind Leihgaben des Nationalen Kunstmuseums der Ukraine (NAMU) und des Museums für Theater, Musik und Kino der Ukraine, die in Westeuropa touren, um sie während der anhaltenden russischen Invasion in der Ukraine zu schützen.
24. November 2023
Amedeo Modigliani, Chaim Soutine

Stuttgart | Staatsgalerie: Amedeo Modigliani Moderne Blicke | 2023/24

Die Ausstellung zeigt rund 100 Gemälde und Papierarbeiten des Italieners und stellt ihnen Werke aus dem Pariser Umfeld, von Gustav Klimt, Egon Schiele oder Ernst Ludwig Kirchner gegenüber. Erstaunliche Parallelen werden sichtbar, genauso wie die Außergewöhnlichkeit von Modiglianis Kunst.
24. November 2023
Gottlieb Doebler, Immanuel Kant, nach 1791, Öl auf Leinwand, 36,8 x 31 cm (© Ostpreußisches Landesmuseum- Leihgabe Stadt Duisburg)

Bonn | Bundeskunsthalle: Immanuel Kant und der Geist der Aufklärung | 2023/24

Die Ausstellung soll das Werk Immanuel Kants einem philosophisch nicht vorgebildeten, explizit auch jungen Publikum mittels innovativer, leicht zugänglicher Vermittlungsformate nahebringen. Dabei sollen die vier berühmten kantischen Fragen die Ausstellung inhaltlich strukturieren: „Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun? Was ist der Mensch?“
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.