Pieter Bruegel berühmtestes Gemälde im Kunsthistorischen Museum ist „Der Turmbau zu Babel“ aus dem Jahr 1563. In die monumentale, bildbeherrschende Architektur des Turmes ließ Pieter Bruegel das Erscheinungsbild des Kolosseums in Rom, das er während seiner zweijährigen Italienreise gesehen hatte, einfließen. Die antike Ruine muss den angehenden Zeichner und Maler höchst beeindruckt haben, vielleicht hat er auch Darstellungen von Joachim Patinier oder Maarten van Heemskerck gesehen.
Die im linken unteren Bereich der Komposition dargestellte bekrönte Figur wird überwiegend als König Nimrod identifiziert (Josephus Flavius, Antiquitates Iudaicae (1,4).1 Der durch Schwert und Zepter ausgezeichnete König besichtig mit seinem Gefolge die Baustelle des Turmes, einige Steinmetze haben sich vor dem Gekrönten Haupt ehrfürchtig auf die Knie begeben, andere behauen noch Steinquader. Die Szene findet auf einem Hügel in einiger Entfernung vor dem Turm statt. Auf dem Abhang der Erhebung sind Pflanzen und Bäume zu erkennen, ein Weg führt zu der Uferzone hinab. Zwischen dem Hügel und dem Bauwerk ruhen die Beschäftigten in der Wiese liegend. Pieter Bruegel der Ältere trennt diese Vordergrundsebene mittels dunkler Baumkronen und Büsche vom Mittelgrund. Der Größensprung der Figuren verdeutlicht die große Entfernung.
Der Turm von Babel ist in einer flachen Landschaft an den Ufern des Meeres errichtet und teilweise aus einem Felsmassiv konstruiert. Der Durchmesser der rund-ovalen Geschosse des Turmes wird zunehmend kleiner, wodurch sich eine treppenartige Form ergibt. Der höchste Bereich des Turmes ragt bis in die Zone der Wolken, das Fundament liegt im Bereich des Meeresspiegels. Vor den befestigten Uferzonen haben Schiffe angelegt und das Baumaterial wird über Gerüste und technische Konstruktionen über die einzelnen Etagen nach oben transportiert. Leitern, Gestelle und bereits errichtete Teile des Turmes werden von kleinen Figuren benützt, um in die Höhe zu gelangen und sich an der Errichtung zu betätigen. Sogar im höchsten Bereich des Turmes sind noch kleine, schwarze Gestalten zu erkennen.
Pieter Bruegel der Ältere betont die Monumentalität des Bauwerkes durch einen Schatten im rechten Bildbereich, der einen Teil der umliegenden Stadt verdunkelt. Eine dichte Ansiedelung von Gebäuden liegt links von dem Fundament der Konstruktion, eine Befestigungsmauer begrenzt die Stadt in Richtung der sich weit ausdehnenden Landschaft im Bildhintergrund. Diese ist durch Felder, Bäume, Windräder, Wege, einen Flusslauf und Straßenzüge gestaltet. In der Ferne sind auf dem Meer Boote mit gehissten Segeln zu sehen.
In den Interpretationen wird auf die moralisierende Bedeutung der Geschichte des Turmbaues zu Babel verwiesen (Genesis II, 1–9): Das ehrgeizige irdische Projekt bleibt unvollendet, der menschliche Hochmut wird durch Gott bestraft. Hochmut, Eitelkeit, Vermessenheit sowie die daraus resultierende Verwirrung und Zwietracht stehen der Nichtigkeit von Größe und Reichtum auf Erden gegenüber. „Der Turmbau zu Babel“ wird daher als Symbol der Demut gedeutet. Ob Pieter Bruegel der Ältere aufgrund dieses Bildes als Anhänger der Reformation erkannt werden kann, ist noch immer strittig. Elliston Weiner deutete die Anlehnung an das Kolosseum, den Bau auf dem Felsen in Verbindung mit Babylon als Hinweis auf die Verschwendungssucht der Katholischen Kirche und den Bau von St. Peter.
Bruegel schuf neben dem Wiener Gemälde eine kleinere Version dieses Bildmotivs, das sich im Rotterdamer Museum Boymans-van Beuningen befindet.2 Die Gestaltung des Turmes war für viele Künstler nachfolgender Generationen maßgebliches Vorbild.
Wie auch die Jahreszeitenfolge befand sich dieses Gemälde 1566 im Besitz von Nicolaas Jongelinck.