Direktorin Stella Rolligs Handschrift ist im Programm des Belvedere für 2018 bereits deutlich sichtbar: Sie lädt aktuelle Künstlerinnen und Künstler in das Untere und Obere Belvedere ein, womit sie Dauerausstellung und Sammlungsbestände der kontinuierlichen Überprüfung durch aktuell Kunstschaffende freigibt.
Österreich | Wien: Belvedere + 21er Haus
2018
2018 gibt es zwei Retrospektiven als Geburtstagsgeschenke für den ehemaligen Aktionisten und aktuellen Zeichner Günter Brus (ab 2.2.) sowie den deutschen Intellektuellen Alexander Kluge (ab 6.6.). Die bereits angekündigte Neuaufstellung der Sammlung im Oberen Belvedere wird ab 2. März 2018 gleichzeitig mit der ersten Intervention von Ines Doujak eröffnet. Die englische Objektkünstlerin Rachel Whiteread macht für ein halbes Jahr Station im Belvedere 21, so der neue Name des 21er Hauses (ab 7.3.), während in der Orangerie die erste monografische Ausstellung zu dem früh verstorbenen Zeichner Klemens Brosch zu sehen ist (ab 9.3.). Die große Herbstausstellung im Weltausstellungs-Pavillon ist der amerikanischen Künstlerin Polly Apfelbaum gewidmet (ab 7.9.).
Auch wenn „Klimt nicht das Ende“ ist, und das Belvedere einen „Aufbruch in Mitteleuropa“ verortet (ab 23.3.), wird sich der brasilianische Künstler Vic Muniz mit den Rückseiten des ikonischen „Kuss“ und von Egon Schieles „Umarmung“ beschäftigen (ab 21.3.). Dem im Alter von nur 28 Jahren verstorbenen Egon Schiele wie auch der eigenen Sammlungsgeschichte kann man in „Wege einer Sammlung“ begegnen (ab 19.10.). Hierfür wird die Ankaufspolitik aufgearbeitet sowie forensische Untersuchungen zu den Werken vorgestellt. Die aktuell aufbrandende Diskussion um freizügige Schiele-Plakate in den USA, England und Deutschland zeigt, wie aktuell dessen Werk zu Körperpolitik, Sexualität und Erotik noch immer ist. Die Performance-Künstlerin Donna Huanca nimmt in ihren Arbeiten daher auch Bezug zu den Gemälden der Schiele-Schau (ab 28.9.).
Der Sommer wird blumig! „Sag's durch die Blume! Österreichische Blumenmalerei von Waldmüller bis Klimt“ verspricht nicht nur einen hohen Wohlfühlfaktor, sondern auch ein Eintauchen in die „Blumensprache“ (ab 22.6.).
Mit dem letzten Barockmaler (nicht nur Österreichs!) erinnert das Belvedere an den 1718 geborenen Kremser Schmidt (ab 25.10.). Johann Martin Schmidt, genannt Kremser Schmidt, verfolgte sein gesamtes Leben ähnliche künstlerische Ziele. Mit seinem Tod 1801 ging die Ära des österreichischen Barock endgültig zu Ende.
Als einer der radikalsten Vertreter des Wiener Aktionismus machte Günter Brus (* 1938) ab Anfang der 1960er Jahre den eigenen Körper zum Ort der künstlerischen Auseinandersetzung. Anlässlich seines 80. Geburtstags realisiert das 21er Haus eine große Retrospektive zum Gesamtwerk des österreichischen Aktionisten.
→ Günter Brus. Die Unruhe nach dem Sturm
Die Neupräsentation der Sammlung erlaubt auf zwei Stockwerken einen Rundgang durch die österreichische Kunstgeschichte vom Barock zur Mitte des 20. Jahrhunderts, ergänzt durch die Gotik-Sammlung im Erdgeschoss.
Mit Ines Doujaks „Hera“ startet der Zyklus zeitgenössischer Interventionen 2018 im Oberen Belvedere. „Hera“ ist die erste einer Reihe von Interventionen, die ab 2018 die Neupräsentation der Sammlung im Oberen Belvedere begleiten. Sie alle werden Bezug auf die mythologischen Fresken im Carlonesaal des Schlosses nehmen.
Die Londoner Objektkünstlerin Rachel Whiteread (* 1963) gewann erst dreißigjährig 1993 als erste Frau den renommierten Turner Prize unter vertrat Großbritannien 1997 auf der Biennale von Venedig. „House“ (1993), ihre berühmteste Skulptur im öffentlichen Raum, existierte nur 80 Tage. Die Künstlerin hatte ein typisches viktorianisches Haus in London als Gussform für eine Betonskulptur genutzt. Kurz bevor es abgerissen wurde, verwandelte es die Künstlerin in ein Symbol der Vergänglichkeit, an dem sich eine rege Diskussion entfachte.
→ Rachel Whiteread im 21er Haus
Nach nur 16 Schaffensjahren hinterlässt der Linzer Künstler Klemens Brosch ein Vermächtnis von 1.000 Zeichnungen, Aquarellen, Druckgrafiken und Gemälden. Brosch ist neben Gustav Klimt, Egon Schiele, Alfred Kubin und Oskar Kokoschka einer der bedeutendsten österreichischen Zeichner.
Die Ausstellung war 2016/17 in der Landesgalerie Linz zu sehen: Klemens Brosch
Die Rückseite jedes Gemäldes ist einzigartig und erzählt dessen Geschichte auf eine intime, verdeckte, oft verschlüsselte Art und Weise: Besitzer fügen ihre Etiketten hinzu, Ausstellungen werden vermerkt, und Zollstempel zeugen von den oft weiten Reisen der Werke. Die Frage, was sich auf der Rückseite eines Bildes befindet, knüpft eng an die Frage an, was Kunst eigentlich ist.
Vik Muniz‘ (* 1961) fertigt originalgetreue, dreidimensionale Nachbildungen von berühmten Werken an: Leonardo da Vincis „Mona Lisa“, Vincent van Goghs „Sternennacht“, Jan Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“, Jan Fabritius’ „Distelfink“, Rembrandt van Rijns „Die Anatomie des Dr. Tulp“ und Pablo Picassos „Les Demoiselles d’Avignon“. Im Rahmen seiner ersten österreichischen Personale kopiert der Brasilianer Vik Muniz Gustav Klimts „Kuss“ und Egon Schieles „Umarmung“.
Das Jahr 1918 war nicht das Ende der österreichischen Kunst! Dies zu betonen, scheint im Gedenkjahr 1918 noch immer nötig zu sein. Mit dem Ableben von Gustav Klimt, Koloman "Kolo" Moser, Egon Schiele und Otto Wagner – die Monarchie nicht eingerechnet – geht die Epoche der Wiener Moderne zu Ende. Wenn auch unzählige Künstlerinnen und Künstler in den 1920er Jahren die Moderne in den neu gegründeten Nationalstaaten weiterführten, so stellt sich doch die Frage nach Kontinuitäten, neuen Perspektiven und Einschränkungen durch die politischen Veränderungen.
Alexander Kluge (* 1932) ist einer der vielseitigsten Intellektuellen in Deutschland. Der promovierte Jurist, Filmemacher und Schriftsteller versteht sich selbst als Autor. Der Autor sammelt seine Rohstoffe aus historischen Ereignissen, kosmischen Begebenheiten, individuellen Erlebnissen, und entwickelt mit den Mitteln der Montage neue Werke. Ähnlich bringt er als Filmemacher Texte und Bilder in Konstellationen zueinander. Darüber hinaus besteht sein Werk aus literarischen und wissenschaftlichen Publikationen.
Anlässlich des 85. Geburtstags von Alexander Kluge präsentiert das Belvedere 21 diese umfassende Ausstellung in Kooperation mit dem Folkwang Museum, Essen (15.9.2017–7.1.2018).
Sag's durch die Blume ist nicht umsonst geflügeltes Wort. Über die Epochen hinweg hatten Blumenbilder eine starke Symbolkraft. In Wien erreichte das Blumenbild im 19. Jahrhundert eine unvergleichliche Vielfalt, Qualität und Bedeutung. Blumen nehmen im Œuvre von Künstlern wie Ferdinand Georg Waldmüller oder Gustav Klimt eine bedeutende Stellung ein. Die Ausstellung in der Orangerie zeigt Ihnen diese „florale“ Seite der Kunstgeschichte!
Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, schuf 1759/60 mit der Vedute "Wien, vom Belvedere aus gesehen" eine Ikone, die nicht nur ein wichtiges Dokument für die Stadtgeschichte im Besitz des Kunsthistorischen Museums ist, sondern bis heute kulturpolitisch nachwirkt. Es zeigt die Residenzstadt vom Oberen Belvedere aus, das sich südlich und im 18. Jahrhundert noch außerhalb der Stadt befindet. Bellotto zeigt das barocke Wien mit seinen sakralen und profanen Prachtbauten: Links erhebt sich die Karlskirche noch als Solitär auf der Wieden, auf der rechten Seite findet sie im Salesianerinnenkloster ein kompositionelles Gegenüber. Dazwischen sind im Mittelgrund das in seinen Proportionen stark überhöhte Palais Schwarzenberg, die Orangerie und das Untere Belvedere zu erkennen. Die von der Stadtbefestigung umgebene Stadt Wien wird vom Stephansdom im Zentrum dominiert. Dieser sogenannte Canaletto-Blick wurde von nachfolgenden Generationen immer wieder aufgenommen und aktualisiert in Gemälden festgehalten.
Der Canaletto-Blick ist heute heftig diskutiert, weil Grundlage für den 2001 von der UNESCO ausgesprochenen Status von Wien als Weltkulturerbe. Verschiedene Bauprojekt der jüngeren Geschichte - Wien Mitte, Heumarkt-Projekt, Aufstockung der Winterthur-Versicherung neben der Karlskirche, Neubau des Wien Museums - greifen in die sensible, schützenswerte Zone, wie die UNESCO den ersten Bezirk nennt, ein.
Die amerikanische Künstlerin Polly Apfelbaum setzt im 21er Haus erstmals mehrere ihrer raumgreifenden Installationen zueinander in Beziehung. Ihre poetische Gesamtkomposition tritt in Dialog mit der offenen, lichtdurchfluteten Architektur des ehemaligen Weltausstellungs-Pavillons.
Die Gruppenausstellung mit österreichischen und international tätigen Künstler_innen verhandelt den Handlungsspielraum zwischen individueller Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Verantwortung.
Die bolivianisch-amerikanischen Künstlerin Donna Huanca (* 1980), die in Chicago geboren wurde und in New York lebt, kreiert mit Skulptur, Malerei, Klang, Videos und Live-Performances ein Zusammenspiel von multisensorischer Kunst, der barocken Architektur des Schlosses und den beteiligten Personen. Die Künstlerin nimmt nicht nur auf die barocke Architektur des Schlosses, sondern auch auf die zeitgleiche Ausstellung „Egon Schiele. Wege einer Sammlung“ Bezug. Der Blick auf den nackten Körper, Fragen nach (verbotener) Schau- und Sinneslust sowie die Beziehung zwischen Künstler/in, Modell und Publikum werden angesichts der Werke von Egon Schiele ebenso relevant wie im Erleben der Inszenierungen von Donna Huanca.
Der 1973 in Lima, Peru, geborene Künstler David Zink Yi lebt und arbeitet in Berlin.
Im Herbst 2018 plant Werner Feiersinger einen skulpturalen Raumeinbau im Untergeschoß des Belvedere 21.
Egon Schiele (1890–1918) ist mit vielen bedeutenden Werken im Belvedere vertreten. Doch wie kamen seine Gemälde in das Belvedere? Welche Motive sind dargestellt, wen hat der Wiener Ausnahmekünstler vor seinem frühen Tod 1918 porträtiert? Was verrät die Gegenüberstellung der Gemälde mit den Vorstudien? Welche Ergebnisse haben die Restaurierungen und Untersuchungen der Werke in den letzten Jahren gebracht?
Kremser Schmidt wird mitunter als letzter großer Maler seiner Zeit gesehen – sein Tod 1801 gilt als spätes Ende der Ära des österreichischen Barock. Und doch reichen seine Einflüsse noch weit in die nächste Künstlergeneration hinein. Martin Johann Schmidt, genannt Kremser Schmidt (1718–1801), zählt bis heute zu den populärsten mitteleuropäischen Barockmalern.
→ Martin Johann Schmidt, genannt Kremser Schmidt, im Belvedere