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Koloman „Kolo“ Moser Vom Maler zum Designer und Mitbegründer der Wiener Werkstätte

Koloman Moser, Armlehnstuhl, 1903 © Leopold Museum, Wien.

Koloman Moser, Armlehnstuhl, 1903 © Leopold Museum, Wien.

Der Maler, Grafiker und Designer Koloman Moser ist einer der wichtigsten Künstler der Wiener Kunst um 1900. Als Mitbegründer der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession (1897) und der Wiener Werkstätte (1903) prägen sein Engagement wie auch scheinbar unerschöpflicher Erfindungsreichtum Ausstellungswesen und Kunsthandwerk der Zeit. Ab 1907 zieht sich Koloman Moser aus dem Bereich Design und Grafik zurück, verlässt auch die Wiener Werkstätte. Hier setzt erneut das malerische Werk ein. Es erfolgt ein spannender Wechsel der Themen von Landschaften und Portraits zu allegorischen Darstellungen aber auch von einer naturalistischen zu einer „theoretisch bedingten“ Farbigkeit.

Koloman Moser: Beginn als Grafiker

Früh wurde das Talent des Studenten Koloman Moser im Bereich der Grafik gefördert. Sein Lehrer an der Kunstgewerbeschule, Franz von Matsch, machte ihn 1895 mit dem Verleger Martin Gerlach bekannt. Gerlach arbeitete in dieser Zeit gemeinsam mit namhaften Künstlern wie Gustav Klimt und Franz von Stuck an dem Vorlagenwerk „Allegorien. Neue Folge“. Darin wurden allgemeine Begriffe – wie etwa die „Jagd“ - in Symbolen anschaulich gemacht. Koloman Moser entwarf elf Themen für das Mappenwerk – und fügte sich mit einer bereits zur Zweidimensionalität tendierenden Gestaltungsweise in die Crème de la Crème der Jugendstilavantgarde.

Der „Frauenkopf mit den drei Wappen der Künste“ ist bereits ein Werk des Wiener Jugendstils. Die Grafik wurde mit Hilfe einer Schablone leicht reproduzierbar hergestellt, eine Technik, die Moser von so genannten Katagami, japanischen Färberschablonen für Stoffmuster, für sich fruchtbar machte. 1899 schmückte dieses Motiv die Gründerausgabe der Secessionszeitschrift „Ver Sacrum“. Das maßgebliche Betätigungsfeld Mosers in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre war die Flächenkunst, in der die „gemalte“ und die „leere“ Fläche denselben Stellenwert einnehmen.

Der „Tausendsassa“ Moser – Kunstgewerbe und Gesamtkunstwerk

Eine der ersten Firmen, die sich Mosers Talent als Entwerfer zunutze machte, war der Stoffproduzent Johann Backhausen und Söhne. Bis 1904 entwarf Moser zwischen drei- und vierhundert Stoffmuster sowie Knüpfteppiche für Backhausen, womit sich die Weberei als Textilproduzent für alle Projekte der Secession und in der Folge auch der Wiener Werkstätte etablierte.

Auch im Bereich des Möbels gelangen Koloman Moser, der eigentlich an der Wiener Akademie und der Kunstgewerbeschule als Maler ausgebildet worden war, außergewöhnliche Neuschöpfungen wie den Eckschrank „Die verwunschenen Prinzessinen“. Ende 1900 war der Kasten auf der 8. Secessionsausstellung neben Entwürfen von Charles Robert Ashbee, Henri van de Velde und der Macintosh-Gruppe zu sehen. Einfach in der Form, besticht das Objekt durch seine intarsierte Oberfläche, das geheimnisvolle Motiv der langhaarigen Frauen. Seine ungewöhnliche Gestaltung verdankt das Möbelstück dem japanisierenden Hochformat, der Auseinandersetzung mit europäischem Kunsthandwerk und der Bewunderung für die „Seelenkunst“ des Symbolismus.

„Anfangs hatten wir freilich mit dem starken Konservatismus der großen Wiener Firmen zu kämpfen gehabt, wir mussten ihnen unsere Entwürfe geradezu aufdrängen, verlangten kein Honorar, sondern bloß Tantiemen. Aber plötzlich begann das Publikum an den neuartigen Möbeln und Stoffen und Bucheinbänden Gefallen zu finden, und nun konnten die Geschäfte nicht genug „Sezessionistisches“ haben.“ (Koloman Moser 1916 in seiner Autobiographie an den Boom der Secessions-Kunst in Wien um 1900)

Betrachtet man das Werk Mosers, so überraschen immer wieder die Vielfalt der gestalteten Materialen (u. a. Glas, Möbel) und sein Einfallsreichtum. Die gestiegene Nachfrage sowie der Wunsch nach der Durchdringung des gesamten Lebens mit Kunst führte 1903 zur Gründung der Wiener Werkstätte durch Kolo Moser, Joseph Hoffmann und Fritz Waerndorfer.

Moser als Entwerfer für die Wiener Secession und die Wiener Werkstätte

Zwei der wichtigsten Aufträge der Wiener Werkstätte, an denen Koloman Moser mitarbeitete, waren das Sanatorium Purkersdorf und die Kirche am Steinhof. Für das Sanatorium in Purkersdorf wurden Mosers Entwürfe für einen kubischen Armlehnstuhl in Schwarz und Weiß aufgegriffen. Eine erste Verwendung fand der Entwurf bereits 1903 in der Klimt-Ausstellung der Wiener Secession. Moser zeichnete insgesamt für 13 der 23 Ausstellungen der Secession als Kurator und Ausstellungsgestalter verantwortlich (bis zum Austritt der Klimt-Gruppe 1905). Für die Präsentation von Klimts Gemälden kreierte er eine schwarz-weiße Gestaltung der Wand, die passepartoutartig die Bilder rahmte. Dazu passten stilistisch die entworfenen Korbmöbel, von Prag-Rudniker ausgeführt wurden. Im Sanatorium wurden sie in der Eingangshalle aufgestellt und korrespondierten in ihrer geometrischen Form und der farbigen Gestaltung mit der Architektur sowie dem Dekor von Josef Hoffmann.

Kolo Moser und die Kirche am Steinhof

Der Auftrag für die Gestaltung der Glasfenster und das Altarmosaik der Kirche am Steinhof gestalteten sich für Kolo Moser sehr unerfreulich (→ Otto Wagner, Kirche am Steinhof). Otto Wagner wollte mit der Verwendung von bunten Glasfenstern der Forderung nach Helligkeit, Hygiene und Akustik für die Anstaltskirche Folge leisten. Moser gelang es auch, durch die Technik der Mosaikverglasung und der Verwendung von reflektierendem Gold- sowie Opaleszenzglas eine besonders malerische Wirkung der Fenster zu erzielen.

Die Arbeit gestaltete sich jedoch zunehmend schwierig, da der kirchliche Beirat, Prof. Swoboda, die Figurenerfindungen – allen voran die Engelsköpfe – als zu modisch und einer Kirche unwürdig ablehnte. Als Moser zusätzlich noch wegen seiner Hochzeit mit Editha Mautner von Markhof zum Protestantismus übertrat, war der Eklat perfekt. Ihm wurde der Auftrag entzogen, das Wandmosaik nach langem Hin und Her von Leopold Forstner nach einem Entwurf von Karl Ederer ausgeführt.
Die Erschütterung Mosers ob dieser Behandlung lässt sich vielleicht daran ermessen, dass er seine eigenen Schüler wegen Plagiats vor Gericht zerrte. Den Prozess verlor der Kunstgewerbler, die Akten geben jedoch bis heute einen guten Einblick in die Argumentationsstrategie aller Beteiligten.

Koloman Moser als Maler

Ab 1907 zog sich Koloman Moser aus dem Bereich Design und Grafik zurück, verließ auch die Wiener Werkstätte. Zu diesem Zeitpunkt setzte erneut das malerische Werk ein. „Tristan und Isolde“ ist ein typisches Gemälde des späten Moser und besticht durch seine symmetrisch strenge Komposition und seine Farbgebung. Beide Charakteristika sind ohne die Kenntnis der Werke des Schweizer Malers Ferdinand Hodler kaum vorstellbar. Moser hatte bereits um 1900 die Gelegenheit, sich intensiv mit dessen Arbeiten auseinanderzusetzen. Im Jahr 1913 kam es zu einem erneuten Zusammentreffen der beiden Maler in der Schweiz. Da Kolo Moser sich seit einigen Jahren mit der Farbenlehre beschäftigte, blieb der neuerliche Kontakt nicht ohne Folgen: Moser wechselte von Landschaften und Portraits zu allegorischen Darstellungen aber auch von einer naturalistischen zu einer „theoretisch bedingten“ Farbigkeit.

Koloman Moser im Leopold Museum

Das Werk Koloman Mosers wird im Leopold Museum erstmals in all seinen Facetten präsentiert: Malerei, Grafik, Möbel, Design - von ersten Korrespondenzkarten an Freunde über Entwürfe für die Zeitschrift Ver Sacrum und die Wiener Werkstätte bis hin zur späten Malerei. Das Kuratorenteam Leopold und Pichler zeigt damit jenen unerschöpflichen Erfindungsreichtum, der noch zu Lebzeit Mosers ihm den Spitznamen „Tausendkünstler“ (Hermann Bahr) eingebracht hat.

Biografie von Koloman Moser, genannt "Kolo" (1868-1918)

Am 30.3.1868 in Wien geboren. Sein Vater Josef Moser ist Verwalter am Theresianum. Am 4.4. wird er in der Paulanerkirche getauft. Besuch der Grundschule und der Handesschule in Wien; Zeichenunterricht in der Gewerbeschule auf der Wieden.
1885 Ohne Wissen der Eltern besteht Kolo Moser die Aufnahmeprüfung an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Sein Wunsch, Künstler zu werden, wird vom Vater unterstützt.
1886-1892 Studium an der Akademie bei Rumpler, Griepenkerl und von Trenkwald.
1888 Plötzlicher Tod des Vaters; Koloman Moser ist gezwungen, für viele Kunstzeitschriften als Illustrator zu arbeiten.
1892/93 Zeichenlehrer der Kinder von Erzherzog Carl Ludwig auf Schloss Wartholz in Reichenau an der Rax.
1892-1897 Mitglied im Siebener Club, aus dem die Wiener Secession erwachsen wird.
1893-1895 Studium an der Kunstgewerbeschule bei Franz von Matsch, dem Kompagnon von Gustav Klimt ("Maler-Compagnie")
Am 30.10.1896 wird er in die Genossenschaft bildender Künstler Wiens Künstlerhaus haufgenommen.
1896/97 Beträge für Martin Gerlachs Mappenwerk Allegorien. Neue Folge
1897 Gründungsmitglied der Vereinigung bildender Künstler Österreichs (3.4.). Entwirft den Briefkopf und konzipiert maßgeblich die Vereinszeitschrift Ver Sacrum: Bis 1904 entstehen rund 140 Illustrationsbeiträge.
1898 Bau und Eröffnung des Secessionsgebäudes von Joseph Maris Olbrich. Kolo Moser entwirft dafür die stilisierten Bäumchen, die Eulen und den Fries der Kranzträgerinnen (Rückseite, verloren), sowie ein Glasfenster im Vestibül mit dem Titel "Die Kunst".
1898-1902 Textilentwürfe für Backhausen&Söhne.
1899 Berufung zum provisorischen Lehrer an der Kunstgewerbeschule des k.k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien.
1900 Ernennung zum Professor der Fachklasse für dekoratives Zeichnen und Malen an der Kunstgewerbeschule.
1902 Bezug des Hauses auf der Hohen Warte (Entwurf von Josef Hoffmann)
Im Mai 1903 Gründung der Wiener Werkstätte (WW) gemeinsam mit Josef Hoffmann und Fritz Waerndorfer.
1905 Autritt aus der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession gemeinsam mit der Klimt-Gruppe. Am 1.7. heiratet er Ditha Mautner von Markhof und übersiedelt in eine Wohnung im Gartentrakt des Palais Mautner-Markhof auf der Landstraßer Hauptstraße 138, die er nach eigenen Entwürfen von der WW einrichten lässt.
Am 21.8.1906 wird sein Sohn Karl geboren.
1907 Rückzug aus der WW nach Auseinandersetzungen mit Fritz Waerndorfer. Beginnt sich wieder mit Malerei zu beschäftigen.
1908 Plagiatsprozess gegen Karl Eder wegen des Hochaltars des Steinhofkirche. Teilnahme an der Kunstschau.
Am 1.7.1909 wird sein Sohn Dietrich geboren. Teilnahme an der Internationalen Kunstschau.
1910-1912 Opernausstattungen. Teilnahme an der Internationalen Kunstausstellung in Rom (1911).
1916 eine unheilbare Kehlkopferkrankung bricht aus.
Kolo Moser stirbt am 18.10.1918 an Kehlkopfkrebs; Beerdigung am 21.10. am Hietzinger Friedhof.

Literatur

  • Rudolf Leopold, Gerd Pichler (Hg.), Koloman Moser 1868-1918 (Ausst.-Kat. Leopold Museum 25.5.-10.9.2007), Wien 2007.

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.