Wie entwickelte sich Vincent van Gogh als Künstler? Welchen Einfluss spielte dabei sein Leben, seine verschiedenen Aufenthaltsorte (→ Vincent van Gogh: Biografie)? Fragen wie diese möchte das Museum of Fine Arts in Houston ab dem 10. März 2019 beantworten. Durch großzügige Leihgaben des Van Gogh Museum in Amsterdam und dem Kröller-Müller Museum in Otterlo werden etwa 40 Werke des berühmten niederländischen Malers in den USA zu sehen sein.
USA | Houston: Museum of Fine Arts (MFAH)
10.3. – 27.6.2019
Während der Mythos Van Gogh vor allem aus die letzten Jahre seines Schaffens und seinen Tod fokussiert sind, wird das reiche und komplexe Werke der ersten Jahre häufig übersehen. Vincent van Gogh hat in dieser Phase einen unbeugsamen Willen gezeigt, Künstler zu werden und alle Widrigkeiten zu trotzen. Von seinem Beginn in Nuenen (1883–1885) zu den Aufenthalten in Paris und Arles arbeitete er an Landschaften und Porträts. Vor allem zog er Inspiration aus der ihn umgebenden Natur, was sich vor allem in den späten Bildern in Saint-Rémy-en-Provence und Auvers-sur-Oise widerspiegelt. Mit Hilfe von Faksimiles von Van Goghs Briefen erzählt der Maler selbst aus seinem Leben. Darin schildert er seinen Hoffnungen, ein erfolgreicher Maler am Pariser Kunstmarkt zu werden, seine Sehnsucht, in einer Künstlergemeinschaft zu leben, und seine Probleme mit Beziehungen aber auch seiner geistigen Gesundheit.
Zwischen 1883 und 1885 lebte Vincent van Gogh in Nuenen, wo er sich ganz seinen autodidaktischen Studien hingab. Er hatte sich 1881 entschlossen, Künstler zu werden; davor war er erfolglos als Kunsthänder, Lehrer, Buchhändler und Prediger durch Frankreich, England und Belgien gezogen. Sein Bruder Theo ermutigte ihn, sich auf das Zeichnen zu konzentrieren und sich mit anderen Künstlern zu vernetzen. Vincent van Gogh war in weiten Teilen ein Autodidakt. Seine frühesten Gemälde zeigen ihn als einen Anhänger des Realismus. Hierfür verarbeitete er sowohl die physischen wie die psychologischen Zustände seiner Dargestellten. Van Gogh schickte seine Werke an Theo, der ihm in Tausch dafür Geld gab.
„Ich schicke dir drei Skizzen, die immer noch furchtbar sind, aber, ich hoffe, dass du aus ihnen siehst, dass ich langsam Fortschritte mach. Denke daran, dass ich seit langem nicht mehr gezeichnet habe, auch wenn ich als Knabe manchmal kleine Skizzen gemacht habe.“ (Vincent van Gogh ans Theo van Gogh, 2. April 1881)
Van Goghs Entwicklung als Maler lässt sich an den ländlichen Szenen ablesen, die im Dorf Nuenen entstanden sind. Hier trat er in die Fußstapfen von so bewunderten Künstlern wie Jean-François Millet. Vincent van Gogh studierte und dokumentierte jede Facette des bäuerlichen Lebens. Dabei wandte er den Blick vor den harten Lebensbedingungen der einfachen Bauern nicht ab. Anstelle die landwirtschaftliche Arbeit zu idealisieren, entstanden unter seiner Hand sozialkritisch-realistische Studien für sein erstes Hauptwerk: „Die Kartoffelesser“ (1885 → Vincent van Gogh im Borinage. Die Geburt eines Künstlers).
„Die Kartoffelesser“ gehört zu den bekanntesten Gemälden Vincent van Goghs aus dessen Frühzeit. In Houston sind drei Skizzen dafür ausgestellt, dazu kommen noch Skizzen, in denen er den Alltag der Dorfbewohner schildert. An Nuenen interessierte Vincent van Gogh auch noch der alte Kirchturm und der Friedhof als letzte Ruhestätte der Landwirte.
Von Nuenen aus übersiedelte Vincent van Gogh im November 1885 nach Antwerpen, um sich an der Kunstakademie einzuschreiben und eine Klasse für Zeichnung zu besuchen. Nun wandte er sich in seinen Arbeiten dem Porträt zu – und ließ die Landbevölkerung und die ländliche Arbeit gänzlich hinter sich. Der Aufenthalt in Antwerpen war nur kurz. Van Gogh zog zu seinem Bruder Theo nach Paris. In der Stadt an der Seine entdeckte Van Gogh den Impressionismus und Pointillismus; eine hellere Farbpalette seiner Bilder war die Folge (→ Seurat, Signac, Van Gogh – Wege des Pointillismus). Seine Freundschaften mit Emile Bernard und Henri de Toulouse-Lautrec beeinflussten sein Werk eminent. Die Besitzerin des Café du Tamourin, Agostina Sagatori, hielt er in einem Porträt fest. Ihr Café war ein Treffpunkt für Pariser Künstler, das auch Vincent van Gogh besuchte. Seine (kurzzeitige) Freundin stellte auch eine von Van Gogh kuratierte Ausstellung japanischer Druckgrafiken aus. Die Kenntnis der fernöstlichen Ästhetik lässt sich im Werk des Holländers in Form von dicken Umrisslinien, dramatischer Beschneidung der Bildmotive und starken Farbkontrasten nachweisen (→ Faszination Japan: Monet. Van Gogh. Klimt).
Nach zwei Jahren in Paris wurde Vincent van Gogh offensichtlich des Stadtlebens überdrüssig und er wünschte sich eine Umgebung, wie er sie in den von ihm bewunderten japanischen Landschaftsdarstellungen vorfand. Er hoffte, „Japan“ im Süden Frankreichs zu finden und übersiedelte im Februar 1888 nach Arles.
„Ich bemerkte einige Stellen roter Erde und gepflanztem Wein, mit Bergen von delikatem Lila im Hintergrund. Und die Landschaft unter dem Schnee mit den weißen Gipfeln gegen den Himmel so hell wie der Schnee genau in den Winterlandschaften, die die Japaner machten.“ (Vincent van Gogh an Theo, 21. Februar 1888)
Mit seiner Rückkehr auf Land entwickelte Vincent van Gogh einen ausgesprochen intensiven Personalstil, charakterisiert durch lange, rhythmische Pinselstriche und dicke Schickten Farbe in zunehmend helleren Farbtönen. Inspiriert vom hellen Licht und den Farben Südfrankreichs, malte er Weizenfelder, Weingärten und Porträts. Dem ersten Schwung folgten schon bald Monate der persönlichen Krise, die in der Auseinandersetzung mit Paul Gauguin und der Selbstverstümmelung kulminierte (→ Vincent van Gogh : Paul Gauguin in Arles). Der Maler schnitt sich sein Ohrläppchen – und nicht das gesamte Ohr, wie fälschlicherweise häufig behauptet wird (!) – ab.
„Stillleben mit Zwiebel“ (1889, Kröller-Müller Museum, Otterlo) war eines der ersten Gemälde, das Vincent van Gogh nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus schuf. Am 17. Januar 1889 schrieb er auch seinem Bruder, dass er wieder mit dem Malen beginnen wollte, um sich wieder daran zu gewöhnen. Er hätte bereits einige wenige Studien gemacht. Dennoch begann Van Goghs geistiger Zustand wieder zu schwinden, so dass sich der Künstler im Mai 1889 selbst in die psychiatrische Anstalt in Saint-Rémy einwies.
In der „Irrenanstalt“ in Saint-Rémy malte Vincent van Gogh Duzende Gemälde vom Garten der Institution, den Feldern vor seinem Fenster und den wenigen Habseligkeiten, die er in seinem Zimmer zur Verfügung hatte. Während dieser Phase, in denen er einige seiner ikonischen Meisterwerke schuf, darunter „Sternennacht“ (→ Vincent van Gogh: Die Sternennacht) und „Irise“, streifte er durch Weizenfelder und Olivenhaine. In seinem Atelier malte er nach Druckgrafiken, die in solch idyllischen Szenen wie „Bäuerin bindet Weizengarben“ (1889) resultierten. Einmal mehr standen Werke von Millet hinter den Bildern von Vincent van Gogh.
Im Mai 1890 verließ Van Gogh Sant-Rémy, um nach Auvers-sur-Oise zu übersieden. Hier brachte ihn sein Bruder auf Anraten von Caille Pissarro bei dem Arzt Dr. Paul Gachet unter. In den letzten 70 Tagen seines Lebens malte Vincent van Gogh 75 Bilder mit Walndschaften aus der Umgebung von Oise. Im Juni 1890 entstand das außergewöhnliche Bild „Weizenhalme“ (Juni 1890, Van Gogh Museum, Amsterdam). Am 29. Juli starb er an den Folgen einer neuerlichen Selbstverletzung, die er sich zwei Tage zuvor zugesetzt hatte.
Kuratiert von David Bomford, Ausstellungskurator und Leiter des Department of Conservation, sowie Audrey Jones Beck, Kurator am Department of European Art, MFAH.
Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit dem Kröller-Müller Museum, Otterlo, das die weltweit größte Sammlung von Werken Vincent van Goghs besitzt.