Anlässlich des 500. Todestages von Raffael (1483–1520) präsentiert die Gemäldegalerie Alte Meister eine umfangreiche Sonderausstellung zu den Dresdner Bildteppichen des bedeutenden Malers und Architekten der italienischen Hochrenaissance. Ab 1515 schuf er im Auftrag von Papst Leo X. zehn großformatige Kartons mit Szenen aus dem Leben der Apostel Paulus und Petrus, nach denen in Brüssel Tapisserien für die Sixtinische Kapelle gewebt wurden.
Deutschland | Dresden: Zwinger, Gemäldegalerie Alte Meister
3.4. – 19.7.2020
6.6. – 30.8.2020
Erstmals aufgehängt wurden diese Bildteppiche, die sich heute in der Vatikanischen Pinakothek befinden, zu Weihnachten 1519. Sie zeigen Szenen aus dem Leben der beiden Hauptapostel Petrus und Paulus. Raffaels Kartons, heute Teil der Sammlung des Victoria & Albert Museum in London, tauchten 1623 in Genua wieder auf, wo sie vom Prinzen von Wales und späteren König Charles I. von England erworben wurden. Er ließ sie in der englischen Tapisserie-Manufaktur in Mortlake als Vorlage für weitere Serien verwenden. Dort entstand nicht nur eine Serie für den englischen König, sondern auch die Folge mit sechs Bildteppichen, die 1728 in den Besitz von August dem Starken kam. Seit 1855 waren die Bildteppiche in der Dresdner Gemäldegalerie von Gottfried Semper in der Tribuna ausgestellt, ab 1960 im sog. Gobelinsaal im Erdgeschoss.
Drei der sechs Dresdner Teppiche sind dem heiligen Petrus gewidmet, die anderen drei dem heiligen Paulus. Sie stellen Szenen aus den Leben der beiden Apostel dar:
Da für die Dresdener Tapisserien keine Metallfäden verarbeitet wurden, dürften sie nicht für das englische Königshaus gefertigt worden sein. Als Besitzer konnte Kardinal Wilhelm Egon von Fürstenberg (1629–1704) ausgeforscht werden; erst 1728 kamen sie in die Sammlung von August vom Starken. Die hohe Qualität der Webkunst legt eine frühe Entstehung im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts nahe. Helen Wyld datiert sie in die Zeit von König Karl I., der die Teppichmanufaktur Mortlake maßgeblich förderte.1 In Dresden werden die sechs Teppiche durch eine kostbare Leihgabe aus dem Pariser Mobilier national erweitert: „Der Tod des Ananias“ (1630–1636) wurde für König Karl I. von England gefertigt!
Den monumentalen Bildteppichen werden in der Dresdner Gemäldegalerie Abgüsse jener antiken Skulpturen zur Seite gestellt, die Raffael und seine Zeitgenossen so sehr bewunderten, dass er sie wörtlich zitierte: Der „Sterbende Gallier“ und der „Kniende Gallier“ (beide Originale 2. Jh. n. Chr.), ein Relief mit Arkanthusranken. Darüber hinaus stellt die Albertina in Wien die bekannte Rötelzeichnung Raffaels aus dem Besitz Albrecht Dürers zur Verfügung. Die Beziehung der beiden berühmten Renaissance-Maler wird im Katalog eingehend von Arnold Nesselrath analysiert, der zum Schluss gelangt, dass die beiden einander wohl nie persönlich kennenlernten und dennoch über die Druckgrafik einen interessanten Austausch pflegten. Dürers „Die vier Apostel“ (1526) aus der Münchner Alten Pinakothek zeigen, wie sehr sich der Nürnberger mit den monumentalen Gewandfiguren Raffaels, die in den Tapisserien allgegenwärtig sind, auseinandergesetzt hat.
Dass der Einfluss des jung verstorbenen Malers sogar spätgotische Bildschnitzer erreichte, belegt eine Skulptur aus Lindenholz des Meisters von der Garben’schen Gedächtnisstiftung als dem Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen. Vermutlich war des die Druckgrafik, welche den Ruhm Raffaels über ganz Europa verbreiten half. Agostino Veneziano und Marcantonio Raimondi arbeiteten als unabhängige Meister im Umfeld Raffaels, nahmen seine Motive auf und schufen eindrückliche Kupferstiche.
Die Ausstellung thematisiert Raffaels Bildteppiche und Entwürfe sowie deren überragenden Einfluss auf die nachfolgenden Künstler bis ins 19. Jahrhundert anhand einer Fülle von Rezeptionsbeispielen. Zahlreiche Leihgaben aus dem In- und Ausland werden zu sehen sein – eigenhändige Zeichnungen Raffaels aus dem Louvre und der Albertina (→ Raffael in der Albertina), Bildteppiche sowie bedeutende Gemälde von Peter Paul Rubens, Poussin und Bassano aus Paris, London, New York und Washington.
Die Ausstellung reist im Herbst/Winter in die USA: Columbus Museum of Art, Columbus/Ohio (11.9.2020–10.1.2021)