Jean-Michel Frank

Wer war Jean-Michel Frank?

Jean-Michel Frank (Paris 28.2.1895–8.3.1941, New York) war ein französischer Möbeldesigner der Klassischen Moderne und des Art Déco (→ Klassische Moderne). Er bevorzugte schlichte Formen und klare Linien, die er mit luxuriösen Materialien kombinierte. In Frankreich und den USA zählt Frank zu den berühmtesten Architekten und Designern der Klassischen Moderne und wird verglichen mit Le Corbusier, Robert Mallet-Stevens, Eileen Gray, Pierre Chareau, Charlotte Perriand oder auch Coco Chanel. Er suchte wie sie die richtige Balance zwischen Funktion und Form, indem er auf überflüssige Details und ablenkende Techniken aber auch Materialien verzichtete.

Kindheit

Jean-Michel Frank wurde am 28. Februar 1895 in der Avenue Kléber im 16. Arrondissement geboren. Er war der jüngste von drei Söhnen von Léon und Nanette Frank. Léon Frank arbeitete als Börsenspekulant in Paris. Da Jean-Michel ein Cousin von Otto Heinrich Frank war, war er entfernt mit Anne Frank verwandt. Als Schüler am Lycée Janson de Sailly, wo er 1904 bis 1910 ausgebildet wurde, lernte er Léon Pierre Quint und der surrealistische Schriftsteller René Crevel kennen. Gemeinsam beschäftigten sie sich mit den Werken von Marcel Proust und André Gide. Im Jahr 1911 begann er ein Jura-Studium in Paris.

Ausbildung und Reisen

Im Ersten Weltkrieg musste Jean-Michel Frank nicht an die Front, da er als zu schwächlich eingestuft worden war. Nachdem seine beiden Brüder Oscar und Georges 1915 innerhalb von anderthalb im Ersten Weltkrieg gefallen waren, beendete sein Vater selbst sein Leben, indem er sich aus einem Fenster stürzte. Jean-Michel Franks Mutter Nanette musste daraufhin in eine Nervenheilanstalt eingeliefert werden, wo sie 1919 starb. Jean-Michel Frank erbte ein Vermögen, das ihm Reisen und de Aufnahme in die Pariser Gesellschaft ermöglichte.

Zwischen 1920 und 1925 bereiste Jean-Michel Frank die Welt und hielt sich besonders gerne in Venedig auf. Er nahm Kontakt auf mit Igor Strawinsky und Sergei Diaghilew, daneben pflegte er Freundschaften mit den Künstler*innen des Surrealismus: Aragon, Éluard, Pablo Picasso und Bérard. So manchen Sommer verbrachte er mit seinen Freunden auf dem Landsitz der Noailles in Tamaris.

Jean-Michel Frank und Madame Errázuriz

Die aus Bolivien stammende, bedeutende Mäzenin Eugenia Errázuriz (1860–1951) wurde ab 1927 Franks wichtigste Lehrmeisterin. Die mit Pablo Picasso und dessen Frau Olga befreundete Madame Errazuriz machte Frank mit den dekorativen Künsten – allen voran der Dekorationskunst des 18. Jahrhunderts bekannt. Ihr Motto „Reduziere, beseitige [Unnützes] immer. Eleganz bedeutet weniger.“1 wurde zu einem wichtigen Leitmotiv im Werk des Designers. Errázuriz‘ Häuser und Wohnungen richtete Madame Errázuriz in geradliniger Eleganz ein, wobei sie nur Objekte und Möbel bester Qualität (aber nicht unbedingt höchster Preise) akzeptierte. Alles musste vor Sauberkeit glänzen, gut riechen und ausgesucht wirken.

Jean-Michel Frank lernte von Madame Errázuriz Einfachheit, was wenig später – ergänzt durch harmonische Proportionen und luxuriöse Materialien – zu seiner Handschrift wurde. Franks Einrichtungen bestechen durch ihre präzise Abstimmung in den Größen. Die Höhe des Raumes bestimmt die Länge des Sofas, das wiederum die Größe des Tisches zur Folge hat. Sparsamkeit der Mittel und Suche nach Perfektion standen im Zentrum seiner künstlerischen Praxis. Dadurch erzielte er in den Räumen den Eindruck von Luftigkeit, von weitgehender Schlichtheit, von farbiger Harmonie. Frank nutzte die Leere als integralen Bestandteil seiner Kompositionen.

Als weitere Vorbilder werden Piet Mondrian und Adolf Loos (vor allem dessen Haus für Tristan Tzara, seine Ablehnung des Ornaments und der an den Nutzenden orientierten Proportionen) genannt. Später in den 1930ern orientierte er sich am französischen Architekten Claude Nicolas Ledoux und seinen Entwürfen für La Villette.

Werke

1918 freundete sich Jean-Michel Frank, der kurzzeitig für einen Geschäftsmann in Paris arbeitete, mit Pierre Drieu la Rochelle und Louis Aragon an. Kurz darauf schlossen sich ihren der Mulit-Künstler Jean Cocteau, die Komponisten Francis Poulenc und Georges Auric und der Maler Christian Bérard an. Für den Schriftsteller Drieu La Rochelle richtete er 1921 eine erste Wohnung ein; bald darauf erhielt er Aufträge von Künstlern, Politikern und Industriellen, darunter Charles Peignot und Nancy Cunard. Für seine exklusiven Aufträge forderte er absolut frei Hand. Überzeugt von seiner Vision, die so machen Kritiker an eine Zisterzienser-Zelle erinnerte, entfernte er alles aus den ihn anvertrauten Häusern und Wohnungen. Er ließ alle Zwischenwände, Verkleidungen, Möbel, Böden und Stuckarbeiten bis zu den elektrischen Kabeln herausreißen und an den Wänden eine einfache, weiße Stuckschicht anbringen. Parkettböden werden von Vertäfelungen gerahmt, dazu stellte er noch einige wenige seiner Möbel und Lampen auf. Zudem verbot er ausdrücklich, auch nur ein Gemälde oder Porträt aufzuhängen. Die von Jean-Michel Frank verwendeten Textilien waren entweder extrem teuer (Pergament, Taftseide, Galuchat [Leder vom Sandhai]) oder extrem schlicht (Stoffe für Staubtücher).

Mitte der 1920er Jahre lernte Jean-Michel Frank das wohlhabende und kunstsinnige Ehepaar Gräfin Marie Laure und Graf Charles de Noailles (verheiratete seit 1923). 1926 wurde der Designer international bekannt durch die Ausstattung, das oberste Stockwerk der Wohnung an der Place des États-Unis 11 in Paris neu einzurichten.

In den späten 1920er Jahren bereiste Frank Venedig und die Riviera; 1932 war er in den Niederlanden, wo er u.a. in Amsterdam das Rijksmuseum besuchte.

Chanaux – Frank

1929 lernte Jean-Michel Frank den Pariser Dekorateur Adolphe Channaux kennen, der bereits mit Groult, d’Emile-Jacques Ruhlman und de Pelletier gearbeitet hatte. Frank wandte sich an Channaux, um ihn um Hilfe für die Einrichtung seiner eigenen Wohnung in der Rue de Verneuil zu bitten. Die beiden trafen einander in der Ruche, Rue de Montauban, wo sich eine Gruppe von Künstlern rund um Marc Chagall und Chaim Soutine gruppiert hatte.

Ab Sommer 1930 hatte Jean-Michel Frank eine leitende Position bei der Chanaux Company inne und 1932 eröffnete er mit dem Tischler Adolphe Chanaux ein Geschäft in der rue du Faubourg St.-Honoré 140 in Paris. Dies hatte zur Folge, dass Frank seine erfolgreichsten Entwürfe für den gehobenen Markt in Serie herstellen lassen konnte. Er schränkte dafür die unbezahlbare Exklusivität ein und stempelte die Serienprodukte mit den Namen „Chanaux – Frank“. Seine Wohnung hatte er in der Rue de Verneuil 7. Modedesigner wie Lucien Lelong, Robert Piguet, Marcel Rochas und Elsa Schiaparelli (1936) ließen ihre Studios von Frank gestalten. Edouard Bourdet ließ ihn seine Stücke ausstatten.

Um die Aufträge umsetzen zu können, versammelte er eine Gruppe von Künstlern um sich: Salvador Dalí, Paul Rodocanachi (Stühle, Tische), Emilio Terry und Christian Bérard. Sie entwarfen unter Franks Aufsicht Lampen, Vasen, Stühle, Tische, Wandschirme. Unter dem Einfluss von Bérard begann Frank, farbigere Bezüge zu nutzen. Unter dem Einfluss zeitgenössischer Kunst wurde sein Stil weniger radikal und näherte sich immer mehr dem Gesamtkunstwerk an. 1934 engagierte Jean-Michel Frank Alberto Giacometti (Lampen, Vasen) und dessen Bruder Diego Giacometti, nachdem er Giacomettis Skulpturen im Salon des indépendants entdeckt hatte.

Jean-Michel Frank

Im Jahr 1935 eröffnete Jean-Michel Frank unter seinem eigenen Namen ein Geschäft in der Rue du Faubourg Saint-Honoré. In der Werkstatt in der Rue de Montauban wurden die Möbel weiterhin von den Künstlern Alberto Giacometti, Dalí, Bérard und Terry. Seine exklusiven Möbel, Vasen und Lampen exportierte Jean-Michel Frank in die ganze Welt.

Gemeinsam mit Emilio Terry entwarf Frank 1935 die Bühnenausstattung für das Michodière Theater und später für das Théâtre Francais. Zudem schuf er in diesem Jahr Möbel für Georges Born, die er am Salon de la porte de Versailles vorstellte.

Frank gilt als einer der einflussreichsten Designer im Paris der 1930er Jahre und inspirierte etwa Andree Putman. Seine Entwürfe wurden von zahlreichen Möbelherstellern kopiert und bis heute hergestellt. Seinerseits war er durch Personen wie Robert Mallet-Stevens beeinflusst.

Zweiter Weltkrieg

Jean-Michel Frank verließ im April 1940 Paris, da er als Jude und Homosexueller doppelt gefährdet war. Nach der Invasion der deutschen Truppen am 10. Mai 1940 reiste er weiter in den Süden Frankreichs, nach Aranchon, wo er Dalí, Gala, Mandiargues, Bérard und Leonor Fini traf. Im Juli konnte er über Vermittlung des portugiesischen Konsuls in Bordeaux, Aristides de Sousa Mendes, erhielt er ein Visum für Portugal. In Lissabon gelangte er auf ein Schiff, das ihn nach Buenos Aires brachte. Dort traf er seine Freunde Ignazio Pirovano, Direktor des Museum für angewandte Kunst, Madam Errazuriz und einen Kreis wohlhabender Bewunderer seiner Kunst. Jean-Michel Frank vollendete einen Großauftrag des Nahrungsmittelproduzenten Jorge Born. Über Freunde und ehemalige Mitarbeiter erhielt Frank in Argentinien viele Aufträge.

Im Dezember 1940 reiste Frank nach New York, um die Einrichtung des Appartements von Nelson Rockefeller im Rockefeller Center in der 810 Fifth Avenue, das Projekte startete schon 1938, zu vollenden. Auch in den USA wurde ihm der rote Teppich ausgerollt, galt er doch als der berühmteste und gefragteste Innendesigner der westlichen Welt. So stattete Jean-Michel Frank eine Wohnung für den Millionär Templeton Crocker in San Francisco aus. Die New York School of Fine and Applied Arts lud Frank für Lehre und Konferenzen ein.

Tod

Jean-Michel Frank stürzte sich am 8. März 1941 aus dem Fenster eines Gebäudes in Manhattan, New York. Jean Cocteau, mit dem er befreundet war, verglich seinen Tod mit dem „Fallen eines Vorhangs zwischen der Welt des Lichts und der Welt der Finsternis“.

Zu den berühmtesten Sammlern der Möbel von Jean-Michel Frank gehörten Yves Saint-Laurent und dessen Lebensgefährte Pierre Bergé.

Literatur zu Jean-Michel Frank

  • Benaïm, Laurence, Jean-Michel Frank. le chercheur de silence, Paris 2017.
  • Maarten van Buuren, Ein Raum für die Seele. Leben und Werk von Jean-Michel Frank, 2016.
  • Pierre-Emmanuel Martin-Vivier, Jean-Michel Frank. L’étrange luxe du rien, Paris 2008.
  • François Baudot, Jean-Michael Frank, New York 1999.
  1. Zit. n. François Baudot, Jean-Michael Frank, New York 1999, S. 9.